Es ist eine Geschichte, die man immer wieder erzählen kann - die Geschichte zweier nicht-gewöhnlicher Zeitgenossen, die zu dicken Freunden werden, weil sie nicht so sind wie die meisten anderen. Ganze Filmserien leben davon. Aber wahrscheinlich ist es eine Geschichte, die man gar nicht oft genug erzählen kann. Denn unsere Gesellschaft ist keine, die es Außenseitern leicht macht.

Die Meisten merken es nicht einmal und glauben, es sei alles in Ordnung. Sie finden schnell Anschluss an ihre Peer-Groups, verhalten sich wie alle anderen, haben die selben Leidenschaften, Konsumwünsche und Lebensvorstellungen. Man denkt einfach nicht mehr darüber nach, dass es auch anders sein könnte. Max und Waususel müssen nicht mehr darüber nachdenken – für sie ist es anders. Max sitzt im Rollstuhl und die Leute machen einen großen Bogen um ihn. Mit den Leuten muss er sich also nicht mehr beschäftigen.

Dafür sieht er, was die Leute in ihren Gewohnheiten nicht mehr sehen: Waususel-dabidu-dingsda, einsamer Vertreter einer augenscheinlich selten gewordenen Tierart, die ein bisschen wie ein Hund aussieht, große Füße hat und Flügel, eigentlich auch fliegen könnte. Also ein Flund. Pech nur für die Flunde: Sie sind mit einer schrecklichen Höhenangst geplagt. Was dann wohl der Grund ist dafür, dass es kaum noch Flunde gibt. Eigentlich nur noch einen: Waususel, der sich daran gewöhnt hat, dass die Leute auch bei ihm, nicht allzu genau hingucken. Aber auch daran, dass er keine Freunde hat.Was sich natürlich in dieser Geschichte schnell ändert, als die beiden einander über den Weg laufen und merken, dass es ihnen ganz ähnlich geht.

Der österreichische Grafiker Rainer M. Osinger hat sich nicht nur diese kleine Mutmachergeschichte ausgedacht, in der es Max in seinem Rollstuhl ist, der dem eher schüchternen Waususel Mut macht, mit ihm gemeinsam mal was Tolles auf die Beine zu stellen, er hat die Geschichte auch mit Bilderwitz illustriert. Die Katze kommt nur in den Bildern vor und schaut dem sich anbahnenden Abenteuer mit Katzenneugier zu. Die Zeitung taucht am Ende der Geschichte auf, als eine dicke Schlagzeile vom gelungenen Abenteuer von Max und Waususel berichtet.

Aber Osinger hat die Zeitung auch in seine Grafiken eingebaut als stilistisches Element – mal als Wolkenkratzer, mal als Tisch und tränengetränkter Teppich. Grund hat ja Waususel, derart Tränen zu verströmen, wenn niemand ihn wahrnimmt. Was bei Osinger mit kleinen ironischen Zwinkern gezeichnet wird, ist aber der wesentliche Kern dieser Geschichte. Denn wie bekommt man ein Gefühl für Akzeptanz, wenn einen die Mitwelt gar nicht erst wahrnimmt? Was ja nicht nur Waususeln so geht, sondern auch allerlei Menschen, die tapfer so tun, als wäre es nicht weiter schlimm, wenn keiner mit ihnen redet, sie tröstet, ermutigt oder einfach respektiert.

Osinger zeigt es nur in der Waususel-Sicht – was nur die halbe ist. Denn als Max und Waususel ihr schlagzeilenträchtiges Abenteuer bestehen, bekommen sie ja Aufmerksamkeit und Beifall von allen Seiten. Sie haben sich ihren Platz in der Wahrnehmung der anderen regelrecht erarbeitet, auch wenn das nicht ganz ohne Zittern, Zagen und einem heftigem Muffensausen abging.

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Waususel-dabidu-dingsda
Rainer M. Osinger, Engelsdorfer Verlag 2014, 12,00 Euro

Aber am Ende schwenken all die Leute, die sonst wohl einfach nichts gesehen hätten, ihre Hüte und jubeln Hurra. Was natürlich die Frage aufwirft: Müssen Außenseiter wie Max und Waususel immer erst so einen Zirkus veranstalten, damit sie Anerkennung bekommen? Ist es das wert? – Eine Frage, die Osinger in diesem Moment nicht beschäftigt. Ihm ging es eher um den anderen Aspekt: Dass sich jene, die sich ausgegrenzt fühlen, zusammen tun müssen, dann finden sie die Kraft ihre Träume umzusetzen. Es geht gar nicht um das Hurra! der Leute. Es geht um das Gefühl, Barrieren zu überwinden und gemeinsam Ängste zu überwinden.

Allein hat man oft nicht die Kraft dazu. Aber mit guten Freunden, die auch verstehen, wie es einem geht, schafft man es. Ein Mutmacherbuch also, fröhlich illustriert. Für alle, die das komische Gefühl haben, dass sie eigentlich fliegen könnten, wenn sie nicht so eine schreckliche Angst vorm Fliegen hätten.

www.osinger-grafik.at

www.engelsdorfer-verlag.de

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