Was interessiert einen Bankkaufmann, Wirtschaftspädagogen und kaufmännischen Berufslehrer eigentlich mehr als das Geld? Oder das, was wir dafür halten? Eigentlich nur wenig. Mal von Pferden abgesehen, denen Hans-Volkmar Gaitzsch im Eudora-Verlag schon ein besonderes Buch gewidmet hat. Das war das Buch über das 150-jährige Jubiläum der Galopprennen in Leipzig. Nun hat er sein Lieblingsthema Geld nachgeschoben.

Ein Thema, das natürlich in einer alten Handelsstadt wie Leipzig immer eine besondere Rolle spielte. Hier rollte es. Hier brauchte man es, um bei Messen Geschäfte zu machen oder diversen Königen und Militärs ihre unverschämten Forderungen zu bezahlen. Und auch in der neuen Ausstellung, die am 20. Mai im Stadtgeschichtlichen Museum eröffnet, wird Geld eine wichtige Rolle spielen. Immerhin erzählen Münzen und andere Wertpapiere auch Leipziger Geschichte. Manchmal, weil Leipzig in irgendeiner Form darauf zu sehen ist, oft genug, weil die gezeigten Münzen Zahlungsmittel waren und aus so manchem glücklichen Fund stammen.

Aber Gaitzsch ist ja kein Archäologe, sondern Finanzfachmann. Also erzählt er einmal nicht die schönen Geschichten glücklicher Schatzgräber, sondern nimmt die Leser mit in die Welt des Geldes. Versucht zu erklären, wie das komische Zeug im Lauf der Menschheitsgeschichte funktionierte, wie es zum Tauschwert wurde und wie clevere Kauf- und Bankleute im Mittelalter anfingen, sich immer verzwicktere Geldprodukte auszudenken – vom Scheck über den Wechsel bis hin zum Kreditbrief. Durchaus kluge Erfindungen aus einer Zeit, als jede Provinz in Europa ihr eigenes Geld hatte und der Wechselkurs schon hinterm nächsten Schlagbaum ein anderer war, als Kaufleute aber auch ihre Ladungen verkaufen können mussten, ohne das “falsche” Geld dann wieder mitzuschleppen nach Hause, wo dann statt Thalern mit Gulden bezahlt wurde, mit Batzen, Hellern oder Groschen (was früher mal gewichtige Münzen waren).

Schwieriger ist es freilich, in die ganz frühe Leipziger Münzgeschichte einzutauchen, als es noch keine Markgrafen und Kurfürsten gab, die das Münzwesen ordneten. Gaitzsch versucht zumindest die Stadt-, Markt- und Messegeschichte dazu noch einmal zu erzählen. Aber die ältesten Münzfunde stammen nun mal erst aus dem 12. Jahrhundert: Das sind die so genannten Brakteaten (eigentlich nur dünne Silberplättchen) mit den Bildnissen von Markgraf Otto dem Reichen (der ab 1156 regierte) und Markgraf Dietrich dem Bedrängten (der ab 1197 regierte). In Ottos Regierungszeit muss die Ausstellung des Stadtbriefes und die Gründung der (neuen) Stadt Leipzig gefallen sein, samt erteiltem Markrecht und Gründung der Nikolaikirche. Weil ein Originaldokument mit Datum und Uhrzeit fehlt, wird in der Regel das Jahr 1165 als wahrscheinliches Gründungsjahr der Stadt genannt, die östlich des alten Siedlungskerns mit modernem, rechteckigem Straßenraster angelegt wurde, Ur- und Vorbild für alle späteren Stadtgründungen Ottos in der Markgrafschaft Meißen.

Die Brakteaten erzählen davon, dass Ottos Stadtgründung funktionierte und florierte und sich wohl auch ziemlich schnell als Marktplatz etablierte. Dabei gab es in Leipzig schon früh auch Münzstätten. Aber zumeist blieb das Münzrecht (das sogenannte Münzregal) beim Landesfürsten. Er vergab dieses Recht nur zeitweise auch mal an Städte wie Leipzig oder beauftragte selbst Münzmeister, die vor Ort tätig wurden.

Aber was der Leser ziemlich schnell lernt, wenn er mit Gaitzsch durch die Jahrhunderte reist, ist natürlich, dass Geld nur für gewisse Zeit ein verlässliches Ding war und immer wieder auch in politische Mühlen geriet. Mal wurde am Münzfuß herumgepfuscht, mal wieder das Metall gestreckt. Immerhin waren Gold und Silber Jahrhunderte lang tatsächlich der (Haupt-)Bestandteil der Münzen. Wer einen Münzschatz versteckte, konnte sicher sein, auch später noch einen Schatz zu haben – falls er den vergrabenen Tonkrug wiederfand. Was übrigens auch dazu beitrug, dass Preise oft über Generationen recht stabil blieben.

Wie schnell eine Verfälschung der Münzen zur finanziellen Katastrophe führen konnte, erlebten die Leipziger in der Kipper- und Wipperzeit, aber auch 140 Jahre später noch einmal, als Friedrich II. von Preußen Leipzig nicht nur auspresste wie einen “Mehlsack”, sondern auch die sächsischen Geldstempel zum Prägen minderwertiger Münzen benutzte, um seine enormen Kriegskosten zu begleichen. Ein kleines Lehrstück für alle, denen das Thema im Geschichtsunterricht nicht begegnet sein sollte: Wie bezahlen eigentlich die Kriegsherren der Welt ihre Kriege? Denn Kriege (und selbst der friedliche Betrieb eines stehenden Heers) sind ja reine Wertvernichtungsmaschinen – in vielerlei Hinsicht.

Die Leipziger haben es mehrfach erlebt – und im 20. Jahrhundert gleich mehrfach auf die drastische Art. Denn die Hyperinflation von 1923/1924 war ja nichts anderes als eine komplette Begleichung der deutschen Kriegskosten auf Rechnung der deutschen Bevölkerung. Als 1924 dann endlich die Rentenmark eingeführt wurde, waren die Kriegskosten “bezahlt” – und Millionen Deutsche einfach pleite. Und dasselbe passierte so auch nach dem 2. Weltkrieg.

Natürlich erzählt Gaitzsch dazu auch die Geschichte des Münzwesens und das Aufkommen der Papierwährung als gültiges Zahlungsmittel im 19. Jahrhundert, auch den anfangs recht zähen Weg von hunderten lokalen Provinzwährungen zu ersten einheitlichen Währungssystemen – was im 19. Jahrhundert erst einmal zur friedlichen Koexistenz  von Thaler (in Norddeutschland) und Gulden (in Süddeutschland) führte und 1871 zur Einführung der ersten deutschen Gemeinschaftswährung, bei der man sich weder auf Thaler noch auf Gulden einigen konnte und deshalb die Mark zur Reichswährung erkor. Die dann ja bekanntlich über 120 Jahre ihre verschiedenen Wandlungen, Katastrophen, Abstürze und Wiederauferstehungen feierte. Bis 1999/2002, als sie vom Euro abgelöst wurde, der sich quasi ganz ähnlich benimmt. Und auch auf ähnliche Weise flott und beharrlich an Wert verliert. Der Traum von der “stabilen Mark” trügt. Aber er wird von einigen Leuten ja gern geträumt.

Und gesammelt wird Geld auch nicht nur von alten Omis und Superreichen, die nie genug bekommen können. Es gibt auch die Sammler, die sich an der gestalterischen Schönheit von Münzen und Scheinen erfreuen. Ganz ähnlich wie die Philatelisten. Briefmarken kommen auch drin vor in diesem Buch, denn nach dem Kapitel zum “offiziellen” Geld beschäftigt sich Gaitzsch auch mit all den Papierchen, die immer wieder mal als Geldersatz in Umlauf kamen, nicht nur in Notzeiten. Aber für diese gibt es natürlich die meisten Belege für den Erfindungsreichtum der Menschen, um den Alltag in Gang zu halten, auch wenn es (wie in Kriegszeiten) an Münzgeld mangelte oder die Billionen-Scheine der Inflation nicht mal das Papier wert waren, auf dem sie gedruckt waren.

Aber auch in scheinbar stabilen Zeiten gab es immer wieder diverses Ersatzgeld – die Messe gab welches heraus. Die Forum-Schecks aus DDR-Zeiten sind legendär. Alte Aktien von Leipziger Kommunalbetrieben zieren heute wegen ihrer Schönheit so manche gute Stube. Aber auch die diversen Anleihscheine, die die Stadt auflegte, bestechen zumeist durch künstlerische Gestaltung. Wobei bis heute offen ist, ob die Anteilscheine einer 3-Millionen-Dollar-Anleihe von 1926 heute noch gültig sind – und wer dafür eigentlich gerade steht.

Insgesamt also ein Buch, das dem Leser die vielen (manchmal fast unüberschaubaren) Facetten von Geld in der jüngeren Leipziger Geschichte, der seit der Gründung der Stadt um 1165, zeigt und hinterher so ein wohliges Gefühl vermittelt beim Blick ins Portemonnaie: Es ist eine hübsche Illusion, die da in den Fächern steckt. Und man sollte vielleicht die Daumen drücken, dass der Händler an der Ecke genauso ein Vertrauen hat in diese bunten Bildchen und glänzenden Münzchen. Und das auch noch ein Weilchen so bleibt.

Hans-Volkmar Gaitzsch “Das Geld der Leipziger vom Mittelalter bis zur Gegenwart”, Eudora Verlag, Leipzig 2015, 25,90 Euro

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