Wer die großen Bücher von Grit Nitzsche durchstudiert hat, weiß, dass im Garten eigentlich nichts wächst, was nicht irgendeinen Sinn hat, zu irgendetwas nützt und nicht auch noch essbar ist. Das trifft gerade auf Pflanzen zu, gegen die ordnungsvernarrte Kleingärtner zumeist systematisch in den Krieg ziehen. Die Brennnessel zum Beispiel.

Dabei gehörte auch die Brennnessel jahrhundertelang zu den Nutz- und Heilpflanzen. Man wusste um ihre Wirkungen und wies ihr einen festen Platz in der Haus- und Kräuterapotheke zu. Das ging – wie so Vieles – natürlich in modernen Zeiten fast verloren. Zumindest das Wissen. Was ja nicht bedeuten muss, dass man sich damit abfindet. Und so lädt Grit Nitzsche hier zu einer ganz speziellen Wiederentdeckung einer Pflanze ein, die sich auf vielerlei Weise nützlich macht. Im Bio-Garten natürlich als ideale Düngepflanze, mit deren Jauche man anderen Pflanzen so richtig auf die Wachstumssprünge helfen kann.

Da kommt man nicht unbedingt auf die Idee, dass man auch die Brennnessel essen kann. Kühe und Pferde freilich freuen sich, wenn ab und zu eine Handvoll frische Brennnesseln das Futter lecker machen. Aber Brennnessel in der menschlichen Küche? Logo, sagt die Kräuterexpertin. Denn frisch gepflückt ist die Pflanze natürlich auch so eine Art Vitaminbombe, die man in Smoothies, Neunkräutersuppe (wo sie schon traditionell ihren Platz hat), Kekse und Füllungen verwandeln kann. Man muss freilich wissen, wo man Brennnesseln sammelt und wo nicht. Denn natürlich sind Brennnesseln auch Zeigerpflanzen: Sie wachsen gern an völlig überdüngten Plätzen – deswegen sollte man gerade diese Nesseln von Müllplätzen oder Wegrändern nicht ernten, sondern sich nicht belastete Standorte suchen, wo die Nesseln für gewöhnlich auch kleiner sind, damit auch zarter und nicht schadstoffbelastet. Brennen tun sie trotzdem.

Natürlich erzählt die Fachfrau fürs Grüne auch, wie man sie trotzdem pflückt, wie die kleinen Gifthärchen funktionieren und warum sie sogar bei einigen Krankheiten nützlich sind. Logisch, dass es auch ein kleines Kapitel zur Brennnessel als Heilpflanze gibt. Und den kleinen Ausflug in die Geschichte, als man die grüne Nessel auch noch als Färbepflanze einsetzte (was man auch heute noch tun kann), aber auch die stabilen Stiele zu Fasern verarbeitete und daraus Nesseltuch herstellte. Selbst bei den Gebrüdern Grimm trifft man die Nesselhemden noch an.

Und auch wenn man im Büchlein keine Schnittmusterbögen für schöne kratzige Nesselhemden findet –  wie man ordentliche Stricke draus macht, erzählt Grit Nitzsche trotzdem. Und selbst als Mittelchen zur Haarpflege ist die Brennnessel geeignet. Und weil die brennende Nessel für alle wohl auch zu den eindrucksvollsten Kindheitserinnerungen gehört, bietet die „Kräuterhexe“ natürlich auch Entdeckungskurse für Kinder, in denen es nicht nur darum geht, die Blätter so zu pflücken, dass man sich keine Quaddeln holt, sondern auch um die genaue Beobachtung dieser eindrucksvollen Pflanze – bis hin zum Explosionsmechanismus des Blütenstaubes und den Schmetterlingsraupen, für die die Brennnesseln die leckerste Mahlzeit sind.

Womit man dann eigentlich ein kleines Forschungsbüchlein an die Hand bekommen hat, das neugierig macht auf diese Pflanze, die man sonst so achtlos ausjätet, weil man nichts mit ihr anfangen konnte. Mit Grit Nitzsche wird jeder naturnahe Garten zu einem Biotop für kleine und große Forscher, in dem es eine Vielfalt zu entdecken gibt, die fast schon vergessen ist. Aber wir leben ja in Zeiten, in denen es sich lohnt, Dinge wiederzuentdecken. Gleich im Garten hinterm Haus.

Grit Nitzsche Brennnessel. Die Alleskönnerin, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2016, 5 Euro.

In eigener Sache

Jetzt bis 13. Mai (23:59 Uhr) für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar