Ja, so ein Buch fehlt wirklich noch. Viele solcher Bücher, mit denen man lauter Dinge lernen kann, die Oma und Uroma noch wussten, weil es ganz selbstverständlich war, dass Kräuter und Gemüse aus dem eigenen Garten kamen. Als es keine Mähroboter, Glyphosat-Batterien und Gewächshaustomaten im Supermarkt gab. Den Preis kennen wir alle: Artensterben und Klimaerwärmung. Nur manche stellen sich immer noch doof.

Fast alles Männer. Was mich als Mann nicht wundert. Ich weiß, wie dumm sich Männer anstellen können, um nur ja den Anschein zu wahren, die Sache voll im Griff zu haben. Haben sie auch. Sie fahren die Karre voll unter Kontrolle gegen die Wand, schwingen noch große Reden dabei, lassen den Motor aufheulen und geben Gas. Wer wird denn Schwäche zeigen? Oder gar Mitgefühl? Mitgefühl?! Was ist das?Gar Mitgefühl mit der lebendigen Kreatur, den ganzen Viechern da draußen, die immer mehr verschwinden? Mit einer Welt, die immer mehr verstummt. Es summt nicht mehr so laut im Garten, schreibt Malgorzata A. Ackerman an einer Stelle. Wer noch etwas älter ist und sich an Kindheiten im letzten Jahrhundert erinnert, der weiß, dass es in Wirklichkeit erschreckend still geworden ist. Nicht nur im Garten.

Dass von einem Summen nicht mehr wirklich geredet werden kann. Auch nicht von einem Flattern und Krabbeln. Oh, die Mittel der machtvollen Männer zeigen volle Wirkung. Keine Frage. All die kraftvollen Flurbereinigungen, Pesizidspritzen und Düngerladungen, mit denen sie die Landschaft plan gemacht haben, eintönig und stumm.

Und die Folge spürt man auch in den kleinen Gärten, die ja keine Inseln sind, auch wenn Frauen wie Malgorzata A. Ackermann sich 20 Jahre emsig darum bemühen, aus einer kleinen Wildnis einen lebendigen Garten zu machen, in dem keine chemischen Keulen und keine Maschinen zum Einsatz kommen. In dem auch nicht mit Omas Mittelchen rigoros gegen all das vorgegangen wird, was Männer so gern Unkraut und Schädling nennen.

Denn diese Kategorien gehören nur in eine primitive Welt, in der es sauber gerasterte Felder gibt mit nur einer Monokultur darauf, die hochgezüchtet wurde zum größten Ertrag – auch wenn das Zeug hinterher gar nicht schmeckt. Was man meistens erst merkt, wenn man sich sein Obst und Gemüse tatsächlich mal wieder beim Kleingärtner kauft. Der dann vielleicht verschmitzt sagt: „Alles bio!“

Eigentlich lächerlich, die Früchte, die ohne Chemie, Gentechnik und andere künstliche Mittel gewachsen sind, jetzt „bio“ zu nennen. Womit das Normale zum Außergewöhnlichen gemacht wird, was es heute leider ist.

Was aber eben immer mehr Menschen dazu bringt, nach einem Fleckchen Erde Ausschau zu halten, aus dem man einen lebendigen Garten machen kann. Auch wenn man das nicht mal mehr in der Schule lernt. Es sei denn, man hat noch Unterricht an einer Schule mit Schulgarten und begnadete Biologielehrer/-innen, die einem die wilden schönen Zusammenhänge der Natur wirklich erklären und zeigen und die Kinder auch mal mitnehmen da hin, wo man sich schmutzig machen kann.

Aber man kann es alles wieder lernen. Darum geht es der Autorin, die in diesem Buch im Grunde ihre Erfahrungen aus 20 Jahren Gartenarbeit gesammelt hat, Ergebnisse eines Lernprozesses, denn so wirklich viele Bücher, in denen das grundlegende Wissen zum Garten versammelt ist, gibt es nicht. Es sei denn, man nimmt die herrlichen Texte von Carel Capek oder Heinz Knobloch zu Hilfe.

Denn: Der Garten ist ein Kosmos. Der kann einen schon überfordern, wenn man mit der Einbildung groß geworden ist, man könne und müsse alles beherrschen, kontrollieren und bereinigen, das eine seien Nützlinge, das andere Schädlinge. Und am besten sei eh ein kurzgetrimmter Rasen, auf dem man Golf spielen kann – so einen richtig irren Männersport.

Aber sowohl bei Capek als auch bei Knobloch findet man die herrlich satirischen Hinweise darauf, dass man im Garten niemals allein ist. Denn ein Garten ist logischerweise auch ein Lebensraum für alle möglichen Tiere und Insekten. Und je länger man mit ihnen lebt, umso mehr zeigt sich, dass sie alle ihren Platz haben in diesem kleinen Kosmos und dass sie sich auf das leckere Gemüse nur dann stürzen, wenn es keine Alternative gibt.

Kluge Gärtner/-innen lernen, mit all diesen Geschöpfen zu leben und gegen die, die man wirklich nicht brauchen kann – Mäuse zum Beispiel oder Nacktschnecken – mit eher sanften Methoden vorzugehen.

Natürlich kommt Malgorzata A. Ackermann auch zu diesem Thema, nachdem sie erst einmal das Grundlegende geklärt hat, zum Beispiel, wie man überhaupt erst einmal die Beschaffenheit des Bodens bestimmt – denn die bestimmt dann wieder, wie gedüngt werden muss und was überhaupt drauf wächst. Sie zeigt, dass man die ganze Supertechnik aus dem Gartencenter ignorieren kann, dass man tatsächlich nur die paar handlichen Geräte braucht, die auch Oma benutzt haben dürfte.

Dann geht es um die Planung, denn nicht alles geht überall im Garten. Das Gemüsebeet braucht seine besondere Stelle, damit das Gemüse nicht verdurstet, dicke große Regentonnen sind geradezu Pflicht, wenn man wirklich natürlich gärtnern will. Es braucht Platz für die Hochbeete und die verschiedenen Komposthaufen.

Denn das ist die wohl wichtigste Lektion: Im Grunde gibt es im Garten keine Abfälle. Alles kann weitergenutzt werden. Selbst das störrische Laub, das ideal ist für die überwinternden Igel. Und Gärtner/-innen sind froh, wenn sie Igel haben, denn die Tiere fressen nur zu gern Schnecken. Schnecken, die man sonst im Kohl findet.

Und auch bei den Insekten sind es nicht nur die Bienen, die man braucht zum Bestäuben. Wer wirklich genau hinschaut, sieht im Garten einen ganzen Kosmos unterschiedlichster Tierchen, die alle ihre Rolle haben im großen Kreislauf – und selbst die Blattläuse sind keine auszurottenden Feinde, sondern der liebste Leckerbissen der Marienkäfer, die man aus gutem Grund in seinem Garten haben möchte.

Eigentlich kommt Malgorzata A. Ackermann erst im hinteren Teil ihres Buches auf diese „Schädlinge“ und „Nützlinge“ und damit auf die so wichtige Neugier herauszufinden, welches Tier eigentlich welche Rolle im Kosmos Garten spielt. Vorher erklärt sie auch noch, wie man Kräuterbeete und Blumengärten anliegt, wie man Wildblumenwiesen sät und Gehölze richtig beschneidet. Und natürlich, welche Pflanzen sich auch auf einem gemeinsamen Beet vertragen und ergänzen.

Denn man kann sogenannte Schädlinge auch fernhalten, indem man Pflanzen dazwischensetzt, die die hungrigen Fresser gar nicht mögen. Und natürlich erklärt sie auch, wie man Pflanzen vermehrt, wie man sich natürliche Extrakte gegen die Tierchen selbst zubereitet, die wirklich fort sollen aus dem Beet. Es gibt schöne Listen, die zeigen, welche Pflanzen welche Böden mögen, welche sich mit welchen vertragen, wie man Pflanzen ankeimen lässt und welche Fruchtfolgen Sinn ergeben, damit der Boden nicht von Nährstoffen ausgelaugt wird.

Es ist so ein richtiges Buch geworden, in das man immer wieder hineinschauen kann, wenn gerade mal wieder so ein Problem aufgetaucht ist, das irgendwie nach einer Lösung verlangt, aber man will wirklich nicht diese ganzen chemischen und technischen Wundertüten, die sich Männer ausgedacht haben, die gern alles sauber und klinisch rein haben und denen Krabbler, Summer und Flatterer im Garten nur als Störelement auffallen, nicht als echte Unterstützer, wenn es darum geht, die Lage im Garten wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Worum es ja eben geht. Denn nichts anderes sind lebendige Gärten als Biotope, in denen die Kreisläufe des Lebens intakt sind, jeder sein Plätzchen findet und die Gärtnerin trotzdem eine leckere Ernte hat und die ganze schöne Jahreszeit lang jede Menge Freude an einem lebendigen Ort.

Der freilich auch Arbeit macht. Das verschweigt sie nicht. Denn wer wirklich einen schönen Garten haben will, muss sich darum kümmern und entsprechend Zeit einplanen. Was für Leute, die niemals Zeit haben, weil sie irgendwelchen überwichtigen Beschäftigungen nachgehen, natürlich nie wie eine echte Alternative aussieht, das eigene Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Denn natürlich bekommt man auch jede Menge körperliche Betätigung frei Haus, jede Menge Zeit an der frischen Luft und das auch noch in einer Umgebung, die der Seele guttut. Und man darf am Ende sogar die Früchte seiner Arbeit ernten. Und eigentlich ist es schon Draufgabe, wenn sich Malgorzata A. Ackermann auch noch um die Tiere in ihrem Garten kümmert, die Igel, Vögel, Schmetterlinge …

Das Buch beruhigt auch, weil es zeigt, dass man seinen Wunschgarten nicht in einer Saison herbeizaubern muss, sondern dass ein Garten über die Jahre wachsen kann und man mit dem Garten lernt, wie die Sache funktioniert, was einem selbst besonders liegt – vielleicht auch, was einem einfach nicht glücken will, z. B. weil es der Boden einfach nicht hergibt.

Deswegen wäre es vielleicht nicht schlecht, das Buch in einen wasserfesten Umschlag zu packen, der auch mal aushält, dass man immer wieder mal zugreift und nachschlägt, wie Malgorzata A. Ackermann das Problem gelöst hat und ob es nicht ein paar pfiffige Tricks gibt, ein kleines Problem auch lebensfreundlich zu lösen.

Und auch vor dem Beginn sollte man sich kundig machen, welche Regeln zum Beispiel in der Kleingartenanlage einzuhalten sind. Da sind die Vereine durchaus unterschiedlich. Aber viele dieser Vereine werden auch umlernen und manche haben ja schon begonnen, sich ernsthaft Gedanken zu machen über den Artenschutz. Denn ohne all die Summer, Krabbler und Piepser funktionieren auch Kleingärten nicht.

Wir sind mittendrin in einem Lernprozess, in dem die von chemischen Keulen und röhrenden Motoren begeisterten Männer ganz schlechte Karten haben. Denn ihre tollen Ideen zerstören genau das, ohne das wir nicht leben können. Die Botschaft muss nur langsam einsickern in die Köpfe. Und vielleicht ist der beste Weg wirklich, Frauen gehen da wieder mal voran und zeigen, wie reich unsere Gartenwelt wird, wenn wir sie im Einklang mit der Artenvielfalt entwickeln und nicht immer nur stur gegen sie.

Malgorzata A. Ackermann Mein kleiner Garten, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2021, 14,95 Euro.

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