Es wird wärmer in Deutschland. In vielen Regionen wird bald mediterranes Klima der Normalzustand sein. Gleichzeitig entdecken immer mehr Menschen den Wert einer eigenen Küche und der Selbstversorgung aus dem eigenen Garten wieder für sich. Und das Schöne ist: Die meisten mediterranen Kräuter für die Küche sind längst heimisch bei uns, mitgebracht von den Römern und den mittelalterlichen Mönchen.

Sie waren nur fast aus der Wahrnehmung verschwunden, als alte Kloster- und Bauerngärten verschwanden, die Menschen sich ihre Gewürze aus dem Kaufladen holten und immer mehr Gärten zu Ziergärten oder – noch schlimmer – zu kurzem grünen Rasen wurden.Was man so „pflegeleicht“ nennt. Aber die Wahrheit hinter diesem „pflegeleicht“ ist eine zunehmende Entfremdung von der Natur, von der eigenen Ernährung und damit einhergehend eine fortschreitende Abhängigkeit von einer Ernährungsindustrie, die einem Produkte verkauft, deren Inhaltsstoffe man oft nicht mehr dechiffrieren kann.

Viele Bücher aus dem Buchverlag für die Frau unterstützen längst die Gegenbewegung, geben all jenen Rat, die ihre Ernährung wieder in die eigene Hand nehmen wollen, wissend, dass es dabei auch um Gesundheit und Wissen über unserer Ernährung geht.

Tassilo Wengel stellt in diesem Büchlein die wohl wichtigsten Kräuter aus dem Mittelmeerraum vor, die man in alten Klostergärten ganz selbstverständlich fand. In Strabos Kräutergarten am Münster St. Maria und Markus auf der Insel Reichenau kann man den rekonstruierten Kräutergarten Walahfrid Strabos besichtigen und natürlich einen Eindruck davon gewinnen, wie die mittelalterlichen Mönche sich quasi die Küchenfreuden des Mittelmeers ins Kloster holten. Augenscheinlich ging es in den Klöstern damals ganz und gar nicht so sinnenfeindlich zu, wie man zuweilen denkt.

Das Glück des eigenen Gartens

Längst haben auch viele Zeitgenoss/-innen die Vielfalt und Gesundheit der mediterranen Küche für sich entdeckt und ebenso die erstaunliche Vielfalt der kultivierten Küchenkräuter. Aber wie kann man sie im eigenen Garten auch selbst anbauen? Dazu gibt Tassilo Wengel eine kleine Einführung, die auch ein wenig wirkt, als würde man sich die Landschaft des Mittelmeers ein wenig nach Hause holen können.

Denn natürlich lieben die meisten dieser Kräuter Wärme und Sonne. Und sie lieben karge Böden. Man muss also tatsächlich einiges beachten, wenn man Beete oder Kräuterspiralen für sie anlegt und den Boden so zubereitet, dass sich diese an magere Böden gewöhnten Kräuter darauf auch wohlfühlen.

Aber nicht nur für glückliche Gartenbesitzer zeigt Wengel den Weg zu mediterranen Kräuterfreuden (deren Blüten übrigens auch gleichzeitig ein Festmahl für die bedrohten Insekten sind), sondern auch für all jene, die vielleicht nur eine Terrasse oder einen Balkon zur Verfügung haben und die Kräuter in Ton- oder Terrakottagefäßen ziehen wollen, vielleicht auch einfach im Balkonkasten.

Wenn man die Ratschläge beherzigt, kann so auch der Platz vorm Fenster zu einer kleinen blühenden Landschaft werden, aus der man sich dann die Blättchen zum Würzen seiner mediterranen Gerichte jederzeit frisch pflücken kann.

Vertraute Einwanderer

Und natürlich porträtiert Wengel auch die wichtigsten bei uns schon heimischen Mittelmeerkräuter, von Andorn bis Zitronenmelisse. Und manch Gartenbesitzer/-in wird staunend feststellen, dass so ein Küchenkraut vom Mittelmeer längst im Garten wächst und blüht.

Es ist wie mit so vielen Kulturpflanzen, die mit den Römern und Mönchen in den Norden kamen – sie sind längst eingemeindet und uns ist gar nicht mehr bewusst, dass sie erst seit einigen hundert Jahren in unserer Region heimisch sind – vom Rosmarin (den Karl der Große in seinen Landen anpflanzen ließ) über den Borretsch (der aus dem westlichen Mittelmeergebiet stammt) bis zum Basilikum (das die Inder schon vor 3.000 Jahren kultivierten).

Etliche der Kräuter wurden auch gleichzeitig als Heilkräuter genutzt. Aber diesmal liegt der Fokus nicht auf ihrer Heilkraft, sondern auf ihrem Anbau im Garten oder auf dem Balkon. Man erfährt also nicht nur etwas über Pflege und Aussehen, sondern auch über Blütezeit und Ernte und wozu die Kräuter vor allem in der Küche alles zu gebrauchen sind.

Dass einige davon auch noch mit einer kleinen Blütenpracht bestechen, ist sozusagen die Dreingabe für jeden, der die Kräuter anbaut, als auch noch einen Genuss fürs Auge.

Ein Garten für alle Sinne

Zum Abschluss des Bändchens gibt es dann noch einige Rezepte, in denen die Kräuter zum Einsatz kommen. Aber irgendwie fällt es auf, dass in diesem Fall ein männlicher Autor die Auswahl besorgt hat: Es kommt jede Menge Fleisch drin vor. Was sicher auch die Vielfalt der Anwendung dieser Kräuter sichtbar macht.

Aber beim Wörtchen mediterran denkt man doch eher an Gerichte mit weniger Fleisch, also eher so etwas wie die Pasta mit Fenchelgemüse. Was aber eher kein Problem sein dürfte, da es ja auch aus dem Buchverlag für die Frau eine ganze Reihe von Kochbüchern mit vorwiegend vegetarischen Gerichten gibt, zu denen die Kräuter natürlich auch passen.

Wichtiger ist diese kleine Ermunterung, sich selbst einmal mit dem Anbau mediterraner Kräuter im eigenen Garten oder Balkonparadies zu beschäftigen und seine eigene Erlebniswelt dadurch zu bereichern. Denn immer offenkundiger wird ja, dass wir uns alle nichts Gutes getan haben, als wir uns von den technischen Unterhaltungsgeräten haben auffressen lassen und zu Sklaven der Fertigmahlzeiten aus dem Supermarkt gemacht haben.

Dabei ist die Welt der Küche genauso wie die des selbst gepflegten Gartens eine regelrechte Abenteuerwelt für alle Sinne und noch dazu real. Man ist mitten drin in Natur, Leben und Blühen. Ganz zu schweigen von der Intensität dieser Eindrücke, die dann im selbst gekochten Gericht ihren Höhepunkt findet. Eine kleine Einladung zum richtigen, selbst erlebten Leben, die ganz bestimmt ihre Freunde finden wird.

Tassilo Wengel Mediterrane Kräuter, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2021, 5 Euro.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar