Offizieller Tag der gesunden Ernährung ist der 7. März. Das hat der Katapult Verlag eigentlich auch als Starttermin für dieses Buch vorgesehen. Aber es liegt längst in den Buchhandlungen. Denn natürlich braucht es keinen Extra-Tag, um sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie eine gesunde Ernährung eigentlich aussehen sollte. Auch dann, wenn alles verdaut ist und man sich in der Kloschüssel die Bescherung beschaut.

Das Besondere an diesem Buch ist nicht nur, dass mit Goldeimer aus Hamburg ein Unternehmen den Text beigesteuert hat, das mit Trockenklos auf Festivals dafür wirbt, auch wieder ein nachhaltiges Sanitärsystem zu schaffen, bei dem der Stoffkreislauf nicht mehr unterbrochen wird. Tanja und Manou von Goldeimer erklären auch die ganze Sache mit der Verdauung einmal so anschaulich, wie das in der Regel weder in medizinischen Fachschriften noch den auch schon existierenden Kochbüchern für gesundes Essen passiert.

Die einen sind meist viel zu wissenschaftlich, die anderen verheddern sich gern in Aufzählungen von Vitaminen und Ballaststoffen. Was aber Magen und Darm mit den Speisen machen, die wir zu uns nehmen, steht da in der Regel nicht. Oder nicht so, dass man es versteht und eine Vorstellung bekommt davon, wie aus einem hübsch anzusehenden Tellergericht am Ende diverse Würste in der Kloschüssel werden. Oder eben auch keine Würste. Viele Menschen wissen gar nicht mehr, wie ein wirklich gesunder Stuhlgang aussieht, leiden unter Verdauungsproblemen, haben Ärger mit Magen und Darm und glauben, dass das mit Medikamenten zu lösen ist.

Unser unbekanntes Mikrobiom

Aber wie unsere Verdauung eigentlich Teil ganz natürlicher Stoffkreisläufe ist, das wissen sie nicht. Das haben sie auch in der Schule nie gelernt, denn die Lerneinheiten dort werden nicht von Menschen gepackt, die wirklich wissen, wie unsere Welt funktioniert, sondern von Leuten, die felsenfest an die Segnungen des Nürnberger Trichters glauben.

Weshalb kaum ein Schulabgänger in Deutschland auch nur ansatzweise eine Vorstellung hat von der Welt, in der er lebt. Auch nicht von der über Jahrmillionen entstandenen Funktionsweise unseres Darms und der Billionen von Bakterien und Viren, die dort immerfort eine unersetzliche Arbeit leisten. Ein (Mikro-)Biom, das überhaupt erst ermöglicht, dass die wertvollen Nährstoffe aus unserer Nahrung auch in die Stoffkreisläufe unseres Körpers gelangen. Und dass wir immerfort massiv schädigen – durch falsche Medikamenteneinnahme genauso wie durch unsere moderne Ernährung, die weder gesund ist, noch umweltfreundlich.

Die beiden Goldeimer-Autorinnen sind sich auch sicher, dass Fleisch und andere tierische Produkte eher nichts in unserer Ernährung zu suchen haben. Womit sie durchaus recht haben könnten. Denn ein Hauptteil unserer heutigen Ernährung beruht ja auf der schnellen Energiegewinnung mit Fleisch, Fett und Zucker. Von den ganzen industriell vorbearbeiteten Produkten ganz abgesehen, die durch den Darm rauschen, als wäre der Darm eine deutsche Autobahn.

Es ist erstaunlich: Auch beim Essen wird sichtbar, wie falsch unser heutiges Denken über Zeit, Effizienz und permanente Leistungsbereitschaft ist. Was dann auch teilweise in der sehr deutschen Verachtung für die Völker rund um das Mittelmeer steckt, die noch wissen, dass Essen Zeit braucht. Nicht nur zum Genuss. Sondern auch für die Verdauung. Denn unser Mikrobiom im Darm ist nicht auf Stress und Hektik angelegt. Die Darmbakterien brauchen Zeit, um die Nahrung aufzuschließen.

Die sie aber nur bekommen, wenn genügend Ballaststoffe drin sind. Und die stecken nun einmal weder in Fertigprodukten, die fast alle auf industriell gekochtem Brei beruhen, noch in Fleischprodukten. Und es deutet vieles darauf hin, dass unsere Vorfahren, die wir so gern als „Jäger und Sammler“ bezeichnen, eher Sammler und Jäger waren. Und dass pflanzliche Zutaten den Löwenanteil ihrer Nahrung ausmachten – in ihrer ganzen, in der Natur vorkommenden Vielfalt.

Wie wir wirklich wieder satt werden

Genau hier geht es um das, was viele Neuzeitbewohner gar nicht mehr kennen, weil die meisten Produkte aus dem Supermarkt dieses Gefühl gar nicht mehr erzeugen können: Sättigung.

Logisch also, dass die durchaus ansehnlichen Gerichte, die in diesem Buch versammelt sind, allesamt vegane und vegetarische Gerichte sind. Aus unterschiedlichen Küchenkulturen. Aber alle leicht zuzubereiten – vom Chili-Cheese-Sandwich über den Pesto-Kartoffelsalat bis zur Spitzkohlpfanne. Alle übrigens witzig bebildert und beschriftet. Ganz im Stil des Katapult-Verlags, der Bildung gern mit Humor verbindet.

Und das ist auch in den von Katapult bekannten Karten und Grafiken im Buch so, die einmal anschaulich machen, was bei Menschen so alles „hinten rauskommt“, um mal Helmut Kohl zu zitieren. An Menge, Länge und Aussehen – samt Erläuterung, wie so ein guter Abgang eigentlich aussehen sollte. Und wann das unansehnliche Etwas in der Kloschüssel eigentlich Zeichen dafür ist, dass man seine Ernährung doch lieber umstellen sollte.

Man erfährt, was Präbiotika und Probiotika sind und warum sie in genau den Lebensmitteln vorkommen, welche die Autorinnen den Leser/-innen empfehlen. Denn wenn man weiß, womit die vielen emsigen Bakterien in unserem Darm am besten umgehen können, sollte man ihnen auch genau das geben. Denn es hat Folgen – für das Wohlbefinden, das Körpergewicht, aber auch die Gesundheit. Die Autorinnen sprechen beim Darm von unserem „zweiten Gehirn“.

Der denkt zwar nicht für uns. Aber da er die grundlegende Arbeit leistet, um unseren Körper mit all den lebensnotwendigen Stoffen zu versorgen, die er braucht, ist unser Darm eben auch für unser seelisches Gleichgewicht mit zuständig, sorgt für Glücksgefühle oder eben katastrophale Mangelerscheinungen, die auch unser Selbstempfinden völlig aus dem Gleis bringen können.

Der Darm und unsere Gesundheit

Es geht hier also gar nicht um irgendwelche Parteistreitigkeiten oder einen Veggie-Day, der irgendwelche urzeitlichen Fleischfresser auf die Palme bringt. Es geht um unser Wissen darüber, wie sehr unsere Ernährung auch unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unser psychisches Befinden beeinflusst. Und wie sehr wir es durch eine ausgewogenere Ernährung in der Hand haben, genau das wieder ins Lot zu bringen.

Und dazu gehört auch das Wissen über die fatalen Folgen von FODMAPs, die einen Großteil unserer industriell erzeugten Lebensmittel im Supermarkt ausmachen, und die eigentlich keine Lebensmittel sind, sondern Ursache für alle möglichen Probleme mit Bauch und Darm, während sie zu unserer körperlichen Fitness gar nichts beitragen.

Nur für den kurzen Rausch, wenn wir das geschmacklich aufgepeppte Zeug in uns hineinstopfen – meist in riesigen Mengen, weil der Magen einfach kein Sättigungssignal sendet. Denn das, was der Darm braucht, kam nicht unten an. Und das Zeug, das unten ankam, kann nur möglichst schnell wieder rausgeschwemmt werden, weil es teils nutzlos, teils sogar giftig ist.

Falsches Essen zerstört auch Umwelt und Klima

Logisch, dass es dann auch eine fette Karte mit dem weltweiten Fleischverbrauch gibt, der ja nicht nur unsere Nahrungsaufnahme völlig verzerrt, sondern eben auch unsere Umwelt zerstört, weil für diese gewaltige Massentierhaltung Urwälder gefällt werden, Trinkwasser verbraucht wird, Flüsse verseucht werden, riesige Felder zur Futterproduktion gebraucht usw. Und das alles, um etwas zu erzeugen, was klassischerweise eigentlich nur einen kleinen Teil unserer Nahrung ausmachen sollte. Nicht jede Grafik ist so ernst, andere beschäftigen sich fröhlich mit kackenden Tieren, den Bestandteilen von Kacke oder dem Zugang von Menschen weltweit zur sanitären Grundversorgung, mit verbrauchten Toilettenpapiermengen und öffentlich zugänglichen Toiletten.

Und ganz hinten erfährt man dann tatsächlich, wie das, was hinten rauskommt, eigentlich aussehen sollte, wenn wir uns wirklich gesund und ausgewogen ernähren.

Ein lehrreiches Buch. Das eben auch augenzwinkernd zeigt, dass eine zur Hauptsache pflanzliche Ernährung ganz und gar kein Tummelfeld für ein paar ausgetickte Spinner ist, sondern letztlich das, was uns sogar glücklicher macht, gesünder am Ende auch. Und dass die Vorstellung, Fleisch sei ein Stück Lebenskraft, nur ein dummer Werbespruch aus dem letzten Jahrhundert ist, mit dem den Deutschen ein Essverhalten suggeriert wurde, das zwar mit dem modernen Wohlstandsdenken zusammenpasst, aber nicht mit der uralten Geschichte unseres menschlichen Körpers.

Und so ist es auch ein schönes – und schön klares – Aufklärungsbuch, das zeigt, wie das, was wir zu uns nehmen, mitbestimmt darüber, ob wir uns tatsächlich (wieder) wohlfühlen und ein gutes Stück unserer Gesundheit durch unsere Speisenauswahl selbst wieder in der Hand haben.

Goldeimer „Kochen für den Arsch“, Katapult Verlag, Greifswald 2023, 20 Euro.

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