Für FreikäuferMehrfach schon hat sich Carola Ruff mit gesundem Essen beschäftigt. Gern auch ohne Fleisch, denn meistens kann man sich ohne geschlachtetes Tier in verarbeiteter Form vollkommen ausreichend ernähren. Nur: Die meisten sind mit Fleisch und Wurst aufgewachsen. Wie lernt man, seinen Speiseplan mit viel mehr vegetarischer Kost anzureichern? Der einzige Weg ist: Man lernt, wie’s einfach geht.

Der Rest geht durch den Kopf. Denn zu Recht lesen immer mehr Menschen aufmerksam, welche negativen gesundheitlichen Folgen übermäßiger Fleischverzehr hat. Andererseits schrecken sie vor den gern propagierten Extremen zurück. Vielen Medien reicht es ja nicht mehr, den Vegetarismus zu loben, nach dem Diätenwahn preisen sie gar noch den lukullischen Radikalismus.

Was ist das für ein Leben! Möglich, dass es Menschen mit sehr viel Selbstdisziplin toll finden, ganz vegan zu werden. Aber muss man nun selbst radikal werden?

Nicht unbedingt. Der größte Reiz an der Veränderung der Essgewohnheiten ist immer die Neugier. Auch auf die Vielfalt der Gemüse, die man in seinen Speiseplan aufnehmen kann. Deswegen bietet Carola Ruff auch eine kleine Übersicht, welche Früchte besonders gesund sind und sich deshalb lohnen, einfach wie selbstverständlich im Küchenplan aufzutauchen. Die meisten sind längst intensiv wissenschaftlich untersucht, so dass man inzwischen auch weiß, welche Inhaltsstoffe drin sind und wie sie auf unseren Organismus wirken.

Und dass Vitamine, Eisen, Proteine, Kalzium, Zink, Ballaststoffe usw. für das gute Funktionieren unseres Stoffwechsels unersetzlich sind, hat sich auch herumgesprochen. Und weil verschiedene Kräuter und Früchte unterschiedliche Mischungen davon enthalten, wirken sie auch unterschiedlich wohltuend auf Magen, Herz, Nieren, Haut, Knochen und Immunsystem. Wer vielfältig isst, tut auch viel für seinen Körper.

Und 800 Gramm vegetarische Nährstoffe am Tag klingen auch schon anders, wenn man dafür auf ein halbes Kilogramm Fleisch verzichtet. Carola Ruffs Buch liest sich zwar so, als wolle sie gleich mal den komplett vegetarischen Ernährungsplan für den Tag aufstellen – vom Frühstücks-Smoothie übers herzhafte Mittagessen bis zum abendlichen Ingwertee. Aber vielleicht sollte man es wirklich gelassen angehen. So, wie es die wirklich modernen Ernährungsberater inzwischen auch öffentlich empfehlen: Unser Körper weiß, was er braucht. Und er bestellt es sich auch.

Unser Hauptproblem ist, dass wir von Werbung, Verpackung und Lautsprechergedudel im Supermarkt regelmäßig ins Bockshorn gejagt werden. Die Industrie der künstlichen Ersatzbefriedigung ernährt uns nicht, sondern redet uns ein Ernährungsverhalten ein, das zwar für den Profit gut ist, aber nicht fürs Leben. Man denke nur an die Berge von Grillsets, die zu jedem irgendwie gearteten Fußball-Ereignis am Eingang der Discounter aufgestapelt werden: Bratet Wurst! Schmort Fleisch Leute! Die Tiere müssen alle werden!

Von Süßigkeiten- und Brause-Werbung muss man da gar nicht erst reden, all den Cremes und chemisch aufgepeppten Joghurts.

Bevor ich zu weit aushole …

Es ist wie bei so vielen Kochbüchern. Der Appetit meldet sich an der richtigen Stelle, wenn man das Buch durchblättert. Beim Exotischen Möhrengrün-Smoothie freilich noch nicht, auch wenn Carola Ruff versichert, dass das Möhrengrün viel gesünder ist als die Möhre. Da ist auch das Kind in mir entsetzt: Bitte kein Möhrengrün. Lieber Kartoffelbrei mit Mohrrüben. Sie werden sehen, wie schnell Sie am anderen Ende des Buches landen, nämlich beim Grundrezept für Kartoffelpüree. Ist natürlich komplett vegetarisch. Und lecker, nicht nur mit Mohrrüben. Auch mit Oliven oder Fenchel. Man merkt schon: Auch ein vegetarischer Speiseplan kann aus lauter vertrauten Grundbestandteilen bestehen – die man dann je nach Appetit und Jahreszeit abwandelt.

Natürlich tauchen auch längst vertraute Freunde auf wie Rosenkohl, gebratener Chicorée, Rotkohl mit Pilzen oder Kohlrabi-Sahnegemüse.

Wer braucht da noch Fleisch, wenn er lecker Frühkartoffeln oder Risotto dazu machen kann?

Aber wie gesagt: Wir sind hier regelrecht hineingesprungen ins Buch, da, wo es wirklich ums Schlemmen geht, um gefüllte Zucchini, Schwäbischen Zwiebelkuchen, Flammkuchen nach Elsässer Art, Veggie-Lasagne, Käsespätzle oder Tagliatelle. Gerade hier merkt man: Eigentlich besteht ein großer Teil unserer Küche ja sowieso aus lecker zubereiteter Vegetation. Egal, ob das eine köstliche Kartoffelsuppe ist, Zwiebelsuppe oder ein schnelles Erbsensüppchen.

Das andere ist dann wirklich eine Geschmacksfrage. Mit Eiweiß-Superbrot und Avocado-Kräutercreme wird nicht jeder seinen Tag beginnen wollen. Manches, was als „gesunder Tageseinstieg“ dasteht, würde für mich eher auf den gesunden Abendbrottisch gehören. Aber man hat die Wahl. Und wie gesagt: Wenn man auf seinen Bauch hört beim Einkaufen, dann werden sich bestimmt nach und nach einige der hier versammelten Rezepte als Bild im Kopf festsetzen und melden, wenn man an lecker Möhren, Auberginen oder Paprika vorbeikommt. Dann haut man sich den Wagen eben schon mal mit Kartoffeln, Reis und Brunnenkresse voll und muss den nervigen Abstecher zur Wursttheke nicht machen.

Butter muss mit, Eier dürfen, Milch sowieso (wir sind hier tatsächlich nicht in der veganen Abteilung), Zwiebeln und Knoblauch natürlich. Und natürlich Käse zum Überbacken, gutes Öl für den Salat. Und Nüsse – für den Kuchen. Auch wenn es kein Kuchenbuch ist und nur ein paar kleine Tipps für Kuchen und Desserts drin sind: Kuchen sind vegetarisch. Und können ruhig auch herzhaft sein.

Aber das ist, wie gesagt, ein anderes Buch. Dieses hier empfinde ich als einen netten Einsteiger ins Leben als Viertel-, Halb- oder Dreiviertel-Vegetatierer. Jeder fängt mal klein an. Und je mehr leckere Veggie-Rezepte man hat, umso leichter fällt einem, die Einladung vom Nachbarn ausschlagen, an seinem XXL-Grill-Vergnügen teilzunehmen. „Gibt richtig leckere Bratwürste …“ – Haben die dann noch eine Chance gegen Scharfe Gemüsespieße oder Gegrillte Avocado? Eigentlich nicht …

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Es gibt 5 Kommentare

Seh ich ähnlich, ich definier nur den Begriff “radikal” anders. Je nach Situation mal positiv, mal negativ. Aber das mit dem “vegetarisch, ok”, das kenn ich auch. Ging mir aber doch vorher nicht anders, ich war mir sicher, dass ich vegan niemals schaffen würde. Ich denke, da fehlt einfach nur mehr Aufklärung, das ist alles noch zu “exotisch”. Da ist ein langsamer Einstieg nicht falsch.

Ich lebe seit 15 Jahren vegan und habe mir in all diesen Jahren viel, vielleicht zu viel, anhören müssen, wie “vegetarisch, ja, das is in Ordnung, aber vegan? Nee, das is nix, das is zu extrem.”. Warum ist das (vegan) zu extrem? Als ob es da ein Koordinatensytem gäbe auf dem man die verschiedenen Ernährungsweisen auf einer X-Achse aufreihen könnte. Von der extremen Linken bis zur extremen Rechten. Aber das gibts in Wirklichkeit gar nicht. Vegan ist einfach nur vegan und damit Punkt.

Naja, da “radikal” eigentlich nur (laut Wörterbuch) “vollständig, gründlich” bedeutet, passt das schon ganz gut. Dass dieser Begriff umgangssprachlich meist negativ in Bezug auf Gewalt gebraucht wird, dafür kann er ja nichts. Ich sehe meine Entscheidung, vegan zu leben, selbst auch als “radikalen Schritt”. Für mich hat der Begriff nichts negatives.

Warum wird hier wieder einmal der negativ konotierte Begriff “radikal” in Verbindung mit dem Veganismus gebraucht? Als radikal empfinde ich den ausufernden Konsum von Tierbestandteilen, der für unfassbares Leid, Klimawandel und Umweltzerstörung verantwortlich ist. Weniger voreingenommene Menschen bezeichnen Veganer als konsequente Vegetarier. Dieses Adjektiv hätte dem im Ansatz tendenziösen Artikel sicher besser zu Gesicht gestanden.

“Aber vielleicht sollte man es wirklich gelassen angehen.”
Das ist eh am Besten, wenn man sich selbst unter Druck setzt, bewirkt man nur das Gegenteil und hat das Gefühl, verzichten zu müssen. Ich hatte mir eigentlich auch vorgenommen, erst mal nur zu Hause vegan zu leben und draußen “normal” weiter zu essen. Aber allein der Gedanke, dass ich ja könnte wenn ich wollte, hat anscheinend schon geholfen, ich hab seitdem nie wieder (bewusst) etwas unveganes gegessen. Ohne je das Gefühl gehabt zu haben, auf etwas verzichten zu müssen, bis heute nicht. Immerhin schon fast 5 Jahre.

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