Für FreikäuferWas Frauen so alles anstellen. Man traut es ihnen gar nicht zu. Selbst in Domänen tauchen sie auf, wo man eigentlich nur lauter knallharte Typen wie James Bond erwartet hätte. Aber es ist ja wie immer: Frauen können viele Männer-Dinge mindestens genauso gut. Deswegen war der eigentliche Aufhänger dieses Büchleins auch nicht die legendäre Mata Hari.

Die wohl eher zu den gescheiterten Agentinnen gehört. Dafür zu den berühmten, weil es von ihr so bezaubernde Kostümbilder mit eher weniger Kostüm gibt und dazu die ganzen Mediengeschichten über ihre Karriere als Nackttänzerin. Dazu dann noch eine Staubtüte voller Gemunkel und Geraune, was die Holländerin dann schon gleich nach ihrem Tod vor einem französischen Exekutionskommando zur berühmtesten aller Spioninnen machte.

Obwohl ihre Geschichte eigentlich genauso eine tragische Geschichte wie die um Alfred Dreyfus ist. Überforderte Männer in Führungspositionen suchen nach einem Sündenbock, dem sie die Schuld für die von ihnen verantwortete Katastrophe in die Schuhe schieben können. Es darf auch mal ein Sündenlamm sein. Wenn dann auch noch mediale und politische Hysterie dazukommt, dann kennen auch Ankläger und Richter oft kein Halten mehr. Dann wird nicht nach Gesetz geurteilt, sondern nach Erregtheit und Panikstatus. Und wenn Länder sich in Kriegszeiten (heißen und kalten) befinden, dann regiert die Panik.

Was auch Unschuldige auf den Elektrischen Stuhl bringen kann – so wie Ethel Rosenberg, die eigentlich in der Reihe der zwölf von Hagen Kunze ausgewählten „Spioninnen“ völlig fehl am Platz ist. Aber ihre Geschichte ist beispielhaft dafür, wie hysterisch Männer werden können, wenn sie Verrat wittern. Gar den größtmöglichen Verrat, den GAV: den Verrat von Geheimnissen um den Bau der Atombombe.

Was die Geschichte von Ethel Rosenberg tatsächlich mit dem Netz von Spionen verbindet, die für den sowjetischen Geheimdienst auskundschaften sollten, wie die Amerikaner und Briten ihre Atombomben konstruierten. Einige dieser Spione, die oft genug aus fester Überzeugung, manchmal auch aus Menschlichkeit handelten, tauchen in diversen Geschichten immer wieder auf. Denn die Geschichten sind verwoben miteinander. Frauen waren im Agentenwesen des 20. Jahrhunderts keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Auch weil der Feind in der Regel männlich war und bei Frauen natürlich auf etwas anderes schaut als auf ihre Fähigkeit, Geheimnisse herauszubekommen und zu bewahren. Männer sind nun mal so.

Was auch eine berühmte Künstlerin wie Josephine Baker ins Buch bringt, die sich wie selbstverständlich der französischen Resistance anschloss. Weniger bekannt ist Ilse Stöbe, die auf eigene Faust die deutschen Vorbereitungen für den Überfall auf die Sowjetunion ausspioniert hatte und – nach dilettantischen Kontaktversuchen der Russen – von den Nazis verhaftet und hingerichtet wurde.

Hingerichtet wurde auch Helene Barczatis, die aus Liebe den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl ausspionierte – und dann vom BND, der davon profitierte, fallengelassen wurde. Mit dem Leben kamen hingegen Ruth Kühn und Hilde Krüger davon, die eine hatte Pearl Harbour für die Japaner ausspioniert, die andere für die Deutschen in Mexiko die Strippen gezogen.

Man merkt schnell, wie stark Hagen Kunzes Fokus auf der Mitte des 20. Jahrhunderts liegt. Und dass etliche seiner Geschichten mit einer Frau zu tun haben, die DDR-Leser vor allem als die erfolgreiche Schriftstellerin Ruth Werner kannten, nicht ahnend, dass die geborene Ursula Kuczynski im 2. Weltkrieg eine der erfolgreichsten Agentinnen der Sowjetunion war. Nicht einmal die Leser ihres Erfolgsromans „Sonjas Rapport“ konnten die ganze Geschichte auch nur ahnen, die sich auch mit der Lebensgeschichte von Melita Norwood verknüpft und damit dem britischen Atombombenprojekt.

Die ganze Geschichte gab es dann erst nach der „Wende“ in einer aktualisierten Auflage von Sonjas Rapport zu lesen.

Dass Frauen in Geheimdiensten auch in leitender Position Eindrucksvolles geleistet haben, zeigt die Geschichte von Elisabeth Schragmüller.

Im Vorwort geht Kunze kurz auch auf die Ausnutzung von Frauen für geheimdienstliche Arbeit (Stichworte: „Romeo“ und „Honigfalle“) ein. Da weiß man eigentlich schon, dass seine Auswahl nur ein ganz kleines Blitzlicht wirft in eine Welt, in der Frauen oft genug die Opfer sind, ausgenutzt für politische Ziele, die meist eher fragwürdig und von Männern definiert sind. Denn Geheimdienste und das ganze dunkle Spiel mit AgentInnen und SpionInnen macht ja nur Sinn, wenn Geheimpolitik dominiert und nicht mit offenen Karten gespielt wird. Wir leben noch immer in dieser Welt. Was auch dazu führt, dass wir über die meisten Agentinnen und ihre Erfolge nichts erfahren. Und auch nie etwas erfahren werden.

Nicht mal dann, wenn ein Großer aus diesem Business wie John le Carré dann mal aus dem Nähkästchen plaudert.

Hagen Kunze Spioninnen, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2017, 9,95 Euro.

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