Es ist schon erstaunlich, wie viel Arbeit sich Menschen machen, um schöne Dinge herzustellen. Nicht zu kaufen, sondern selbst anzufertigen. Aus schönen Stoffen, mit faszinierenden Ideen. Vielleicht ändert sich ja tatsächlich so langsam etwas in unserer Kaufen-und-Wegschmeißen-Gesellschaft. Vielleicht lernen wir mit solchen Büchern wieder, die selbst gemachten Dinge zu achten. Es ist ja nicht das erste Buch von Constanze Derham.

„Was man sich sehr wünscht, muss man selber machen“, schreibt die gebürtige Hamburgerin, die heute in Berlin lebt, in ihrem Blog. Und sie spricht damit indirekt auch etwas aus, was uns heute so oft fehlt: Die innige Beziehung zu den Dingen, die uns umgeben. Wir achten sie meist nicht, weil wir nicht mehr wissen, wie viel Mühe darin steckt.

Sie werden oft irgendwo am Ende der Welt hergestellt – von Menschen, deren Lebensbedingungen wir nicht kennen, in Fabriken, in die wir keinen Einblick haben, in riesigen Mengen, die über die Weltmeere verfrachtet werden – und oft mit Umweltfolgen, die wir nicht sehen. Oder erst sehen, wenn sie uns über Umwege einholen.

Und da wir all das nicht sehen, erkennen wir in schönen Dingen auch nicht, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit in sie investiert wurden. Genau das aber wird mit den Büchern von Constanze Derham erlebbar, die sich auf vielfältige Art dem widmet, was man mit Stoffen alles selbst anstellen kann. Auch mit Stoffen aus getragenen Kleidungsstücken.

Sie hat einen Aspekt der Handarbeit wieder mit Leben erfüllt, der fast vergessen war, weil es heute im Laden scheinbar alles zu kaufen gibt. Da schmeißt man auch Hosen, Blusen, Mäntel, Kissenbezüge und Gardinen weg, wenn sie scheinbar „aus der Mode“ gekommen sind.

Ein Wort, mit dem unsere Vorfahren nichts hätten anfangen können. Warum werden schöne Kleidungsstücke zum Abfall, nur weil „die Mode“ wechselt?

Und dann schlägt man dieses Buch auf und merkt schnell, dass beide Techniken, die Constanze Derham erläutert, traditionelle Techniken von Frauen (ja, wirklich zumeist Frauen) aus aller Welt sind, die mit Quilten und Patchworken wertvolle Stoffreste einer neuen Nutzung zugeführt haben. Und die dabei auch noch Schönes und seinerseits Bewahrenswertes schufen.

Bei Quilt denkt der eine vielleicht an den schottischen Kilt, andere denken an amerikanische Siedlerromantik. Mit letzterem hat es auch indirekt zu tun. Nicht so sehr über das sentimentale Bild des amerikanischen Siedlerlebens, sondern über die wichtige Rolle, die Frauen dabei spielten, die Besiedlung der amerikanischen Räume erst zu ermöglichen. Sie waren es, die den Haushalt in den oft genug sehr rudimentären Blockhütten schmeißen mussten, die mit dem Vorhandenen haushalten und aus dem Verfügbaren all das machen mussten, was in den oft schnell wachsenden Familien gebraucht wurde.

Und dazu gehören auch die Steppdecken, die man im „Wilden Westen“ eben nicht einfach im Drugstore kaufen konnte. Da mussten Stoffe wiederverwendet und in mühsamer Handarbeit zu gesteppten Decken verarbeitet werden. Und weil es Frauen waren, die das machten, achteten sie auch auf Schönheit, nicht nur auf Nützlichkeit.

Deswegen denkt man bei Quilt eben auch nicht zuerst daran, dass man hier eine professionell gesteppte Decke vor sich hat, sondern an die eindrucksvollen Muster, die damals entstanden und heute oft sogar im Museum zu sehen sind. Und die immer wieder nachgestaltet werden, weil die Technik immer neue Frauengenerationen anregt. Nun auch in Europa. Spätestens, wenn man sich die Bilder der fertigen Decken anschaut, staunt man über das, was hier aus einfachen farbigen oder bunten Stoffquadraten entstanden ist.

Vorher gibt es natürlich eine sehr ausführliche Einleitung. Denn die Herstellung von Quilts ist tatsächlich eine Puzzle-Arbeit, bei der man genau und geduldig arbeiten muss. Aber es ist ein Hobby mit System. Wenn man erst einmal weiß, was man alles braucht, wie man es zuschneidet und anordnet und wie man es dann vernäht, dann dürfte das Ergebnis zwingend eindrucksvoll werden.

Auch wenn man sich so als Mann sagt: So viel Geduld hab ich nicht. Aber dann stellt man sich all die emsigen Näherinnen vor und weiß: Frauen haben diese Geduld. Frauen springen eher selten auf und fluchen wie die Rohrspatzen, weil ihnen etwas nicht schnell genug geht. Und Frauen umgeben sich gern mit schönen und selbst gefertigten Dingen.

Man lernt also beim Lesen auch ein Stück weit Hochachtung vor dieser Geduld und diesem systematischen Sinn für Schönheit. Und was zuerst wie ein großer Haufen kleiner, ungebändigter Quadrate aussieht, mausert sich auf wenigen Seiten erst zu einem beeindruckenden Muster und dann zu einem Kunstobjekt, das man einfach aus dem Foto reißen und mitnehmen möchte in seine Leseecke, so freundlich und schön sieht es aus.

Man lernt was über Log-Cabin-Muster und den orange leuchtenden Fleck in der Mitte, über traditionelle Blockmuster und Irish Chain und Zickzack-Muster – und immer sind kleine Quadrate aus unterschiedlich gemusterten Stoffen der Ausgangspunkt. Man kann auch zuschauen, wie dieselbe Technik sich auch für Kissen, Weihnachts- und Babydeckchen eignet.

Und man erfährt auch noch, dass nicht nur die amerikanischen Siedlerfrauen so phantasievoll mit Stoff-Resten umgegangen sind, sondern auch die Frauen in Irland, England, Korea und Japan – nicht als Stepp-Arbeit, sondern als Patchwork. Da in diesem Fall die Füllung wegbleibt, eignet sich diese Technik natürlich auch für Kimonos, Mönchsgewänder, Tischläufer und Wandbehänge.

Und wenn das Gefühl dabei nicht trügt, dann wird man künftig deutlich mehr Menschen mit selbst gemachten Kleidungsstücken herumlaufen sehen, die gequiltet oder gepatcht sind. Und man wird die Augen aufsperren und merken, dass das auch von sehr viel Persönlichkeit und Eigensinn erzählt. Vielleicht brauchen wir einfach nur wieder Mut dazu, auf die Mode zu pfeifen und alle ihre oft genug potthässlichen Bevormundungen.

Und solche Bücher aus dem Buchverlag für die Frau helfen dabei, zeigen, wie es geht, und machen Lust darauf, es selbst mal auszuprobieren.

Es kann sogar passieren, dass man dabei ganz in aller Ruhe runterkommt von der sinnlosen Hektik einer Gesellschaft, die ihren Sinn verloren hat und verzweifelt danach sucht und immer panischer wird.

Obwohl alles augenscheinlich in der Ruhe liegt. Und in der Konzentration auf die wirklich wichtigen und nützlichen Dinge.

Constanze Derham „Zauberhafte Quilt- und Patchworkideen“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2018, 14,95 Euro.

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