„IfL entwickelt Tool für genauere Bevölkerungsprognosen“, meldete das Institut für Länderkunde am Montag, 4. Dezember, und machte damit wieder auf etwas aufmerksam, was derzeit die ganze deutsche Politik beschäftigen müsste. Denn das komplette Land scheint in Bewegung – die ländlichen Regionen werden einsam, die Städte sind auf den Zuwachs nicht eingestellt. Da könnte ein besseres Werkzeug helfen, finden die Geografen vom IfL.

Sie haben zumindest schon mal so was entwickelt: das Analyse- und Visualisierungswerkzeug „hin&weg“. In zehn Kommunen wird es schon ausprobiert und könnte den Städten helfen, gegenzusteuern, wenn sich Zuzugsbewegungen anders entwickeln als erwartet.

Gemeinsam mit Städtevertretern und dem Deutschen Institut für Urbanistik wird das Leibniz-Institut für Länderkunde sein „hin&weg“ in einem dreijährigen Transferprojekt überarbeiten und für neue Nutzergruppen öffnen. Das Vorhaben wird aus Mitteln des Leibniz-Wettbewerbs mit knapp einer Million Euro gefördert.

Mit der digitalen Anwendung „hin&weg“ lassen sich seit 2004 statistische Wanderungsdaten per Mausklick veranschaulichen. Derzeit verwenden zehn deutsche Städte die Alpha-Version des am IfL entwickelten Analysewerkzeugs, um sich über das Wanderungsgeschehen detailliert auf dem Laufenden zu halten, neu entstehende Raummuster frühzeitig zu erkennen und Fehlplanungen etwa in den Bereichen Schule, Pflege oder Transport zu vermeiden.

Was meist nicht viel hilft, wenn die Wanderungsbewegungen schneller ablaufen als die örtlichen Planungsprozesse. Da wissen dann die Bürgermeister gut Bescheid über Umzugsbewegungen – und können doch nicht reagieren, weil das Geld fehlt, das Grundstück oder das Förderprogramm.

Wie kann sich so ein Hilfsinstrument also weiterentwickeln?

Die nächste Generation des webbasierten Instruments soll neue Möglichkeiten der Analyse und Visualisierung städtischer und regionaler Bevölkerungsdaten bieten und zusätzliche Statistikformate verarbeiten können. Vor allem soll die Bedienung noch einfacher werden, um auch interessierten Bürgern den Zugang zu den Informationen zu erleichtern, meint das in Leipzig ansässige Institut für Länderkunde, das sich mit digitalaufbereiteten Karten zu allen möglichen Themen schon einen Namen gemacht hat.

Man reagiere damit auf die zunehmende Dynamik und Komplexität von sozialräumlichen Veränderungen, die Stadtverwaltungen vor große Herausforderungen stellen, heißt es denn auch aus dem IfL. Diese benötigten einerseits dringend verlässliche Informationen über die zugrunde liegenden demographischen Prozesse beispielsweise der Auf- und Abwertung von Wohnvierteln oder der alters- und geschlechtsspezifischen Zuwanderung aus dem Umland. Andererseits fehle es oft an Ressourcen, Kapazitäten und Erfahrungen, um die Masse der statistischen Daten zu analysieren und die richtigen Schlussfolgerungen für nachhaltiges politisches und planerisches Handeln aus ihnen zu ziehen.

Die Entwicklung des neuen Werkzeugs soll jetzt in Kooperation mit den Kommunen erfolgen und wird aus Mitteln des Leibniz-Wettbewerbs im Rahmen des Programms „Leibniz-Transfer“ mit 950.000 Euro gefördert.

„Wir haben lange Jahre Grundlagenforschung betrieben und mit unseren Partnern erste Anwendungen getestet. Dass wir jetzt die Förderung für den Transfer in einen großen Kreis von Kommunen bekommen, ist ein wunderbarer Erfolg“, freut sich IfL-Direktor Professor Sebastian Lentz.

Neben einer Expertenversion für die tägliche Arbeit kommunaler Planungsstellen wollen die Wissenschaftler eine webbasierte Version für Gemeinden bereitstellen, die interne Daten und Analyseergebnisse frei zugänglich und Entscheidungsprozesse transparent machen oder auch partizipativ gestalten wollen. Auch die Bürger könnten die interaktiven Werkzeuge und kartographischen Präsentationen von „hin&weg“ dann für eigene Auswertungen nutzen, etwa um Veränderungen im eigenen Wohnumfeld oder der Heimatregion besser zu verstehen.

Das Deutsche Institut für Urbanistik in Berlin wird den Entwicklungsprozess moderierend begleiten und Workshops für kommunale Entscheidungsträger anbieten. Vorgesehen ist zudem der Aufbau einer langfristigen Transfer-Partnerschaft zwischen Stadtverwaltungen und dem Leibniz-Institut für Länderkunde über den Projektzeitraum hinaus. Die Leipziger Wissenschaftler versprechen sich davon neue Impulse für ihre Forschungen zu soziodemographischen Veränderungen in Städten und Regionen, die sie mit dem Vorhaben auf eine solide deutschlandweite Basis stellen. In der Praxis können diese Erkenntnisse helfen, Migrations- sowie Mobilitätstrends in deutschen Stadtregionen präziser abzuschätzen.

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