Früher gab es in Geografie-Büchern schöne faszinierende Karten in Waldgrün, Wüstengelb und Wasserblau. Da waren Wälder als Wälder eingemalt. Ganz so, als wären alle Wälder dasselbe. Aber jeder Wald hat eine andere Artenzusammensetzung. Und manche Wälder sind viel artenreicher als andere. Aber wie macht man so etwas sichtbar? Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) versucht es jetzt mal mit einem neuen Modell der Darstellung.

Die biologische Vielfalt (Biodiversität) unseres Planeten ist eine unserer wichtigsten Ressourcen. Allerdings kennen wir von den meisten Orten der Erde nur einen kleinen Ausschnitt dieser Vielfalt.

Forscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben nun erstmals versucht, aus versprengten Daten eine Weltkarte der Biodiversität zu erstellen. Auf dieser ist die Anzahl von Baumarten vor Ort dargestellt.

Und das führt zu weiteren Erkenntnissen. Mithilfe der neuen Karte konnten die Forscher nun untersuchen, welche Einflussfaktoren die globale Baumartenvielfalt bestimmen. Das Klima spielt eine zentrale Rolle; zudem hängt die Vielfalt der Arten, die man in einem bestimmten Gebiet feststellt, aber auch von der räumlichen Skala der Betrachtung ab. Dies berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution. Die neue Methode könnte unter anderem helfen, den weltweiten Artenschutz zu verbessern.

Die biologische Vielfalt in Gefahr

Rund um die Erde verändert sich die biologische Vielfalt dramatisch. Der Schutz der Biodiversität ist zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit geworden. Gleichzeitig wissen wir noch wenig darüber, warum manche Gegenden eine sehr hohe und andere eine vergleichsweise niedrige Artenvielfalt aufweisen, und wo die artenreichsten Gebiete unserer Erde liegen. Auch sind die Gründe oft unklar, warum manche Gegenden artenreicher sind als andere: Welche Rolle spielen Umweltfaktoren wie das Klima und wie bedeutsam sind vergangene Ereignisse wie zum Beispiel Eiszeiten für die Biodiversität von heute?

Ein Beispiel für ein Gebiet mit besonders hoher Variation an Waldtypen – und entsprechend hoher regionaler Artenvielfalt – ist das bergige Waldgebiet Harenna in Äthiopien. Foto: Laica ac from UK, CC BY-SA 0.2
Ein Beispiel für ein Gebiet mit besonders hoher Variation an Waldtypen – und entsprechend hoher regionaler Artenvielfalt – ist das bergige Waldgebiet Harenna in Äthiopien. Foto: Laica ac from UK, CC BY-SA 0.2

Unser Wissen beruht auf einzelnen Bestandsaufnahmen und ist sehr lückenhaft – gerade in den tropischen Regionen, wo die Artenvielfalt besonders hoch sein kann. Die gesamte Erde flächendeckend zu untersuchen, um alle Lücken zu schließen, ist jedoch schlichtweg unmöglich, so die Forscher.

Satellitenbilder können manche Datenlücke schließen, zum Beispiel bei der Erfassung von Baumbeständen. Doch haben diese Techniken ihre Grenzen.

„Wir müssen die Bäume nicht nur zählen, sondern auch bestimmen, welche Arten es sind“, erklärt der Erstautor der neuen Studie, Dr. Petr Keil. „In den Tropen finden wir hunderte verschiedene Baumarten auf einem einzigen Hektar. Diese können wir nur vor Ort bestimmen. Deshalb wurden die meisten Gegenden auch noch nicht auf ihre biologische Vielfalt untersucht – und werden es wahrscheinlich auch nie.“

Keil und Co-Autor Prof. Jonathan Chase sind Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Eine Weltkarte der Baumartenvielfalt

Keil und Chase wollten trotz lückenhafter Daten eine Weltkarte der Baumartenvielfalt erstellen. Dazu sammelten sie in einem ersten Schritt weit über 1.000 Baumartenlisten. Diese kamen einerseits von kleinen Untersuchungsflächen, die in vorangegangen Studien erforscht wurden, andererseits von ganzen Staaten. Für die meisten Staaten der Welt ist bekannt, welche Baumarten dort vorkommen, allerdings nicht, wo diese genau wachsen und ob eine bestimmte Art selten oder häufig ist.

Um für die ausgedehnten weißen Flächen auf der Weltkarte die Baumartenvielfalt berechnen zu können, entwickelten die Forscher ein statistisches Modell. Der Clou daran: Das Modell kombiniert die versprengten Daten aus einzelnen Untersuchungsflächen mit den Informationen auf Staatenebene. Es integriert außerdem bekannte Daten zu Umweltfaktoren wie dem Klima. Das Ergebnis ist eine lückenlose Karte aller bewaldeten Gebiete der Erde.

Betrachtet man die Baumarten-Vielfalt auf der Skala größerer Regionen, ergibt sich ein anderes Bild. Eine besonders hohe Anzahl an Arten (orange bis gelb) wird nun in Bergregionen beobachtet, etwa in Süd-China, Mexiko oder dem äthiopischen Hochland – alles Regionen mit hoher Beta-Diversität. Foto: Petr Keil und Jonathan Chase
Betrachtet man die Baumarten-Vielfalt auf der Skala größerer Regionen, ergibt sich ein anderes Bild. Eine besonders hohe Anzahl an Arten (orange bis gelb) wird nun in Bergregionen beobachtet, etwa in Süd-China, Mexiko oder dem äthiopischen Hochland – alles Regionen mit hoher Beta-Diversität. Foto: Petr Keil und Jonathan Chase

„Es ist wie ein 1.000-Teile-Puzzle, von dem wir nur wenige Puzzleteile hatten, und von dem wir auch das Gesamtbild nicht kannten“, sagt Jonathan Chase. „Mit unserem Ansatz konnten wir die fehlenden Teile berechnen und das Puzzle zusammensetzen.“

Die neue Methode ermöglicht es den Forschern, die Baumartenvielfalt für unterschiedlich große Flächen zu berechnen, zum Beispiel für ein Naturschutzgebiet, für einen Staat oder für einen ganzen Kontinent. Dadurch konnten sie untersuchen, welche Einflussfaktoren die Variation der Baumartenvielfalt auf unserem Planeten bestimmen. Die Analyse hat zum Beispiel gezeigt, dass das Klima der wichtigste Faktor ist: Die höchste Baumartenvielfalt findet sich in den feuchtwarmen Tropen. Dennoch unterscheidet sich die Baumartenvielfalt zwischen verschiedenen Orten gleichen Klimas zum Teil erheblich. Im südlichen China zum Beispiel finden die Forscher eine Vielfalt, die deutlich größer ist als in klimatisch ähnlichen Regionen.

Dabei ist jedoch wichtig: Wie viel „Extra-Vielfalt“ an Orten wie China zu finden ist, hängt von der Sicht des Betrachters ab.

Die Rolle der Bergtäler

„Wenn man in einem Wald steht und die Anzahl der Arten um einen herum zählt, wird einem der Unterschied zwischen China und einer klimatisch ähnlichen Region wahrscheinlich gar nicht auffallen. Erst wenn man von einem Standort zum nächsten wechselt und die Arten zusammenzählt, die man an mehreren Standorten gesichtet hat, wird deutlich, wie artenreich China ist“, sagt Jonathan Chase.

Die Unterschiedlichkeit solcher benachbarter Standorte wird Beta-Diversität genannt. Über eine größere Region gesehen bedingt sie eine hohe Gesamtvielfalt. Keil und Chase konnten mit ihrer Analyse zeigen, dass dieses Maß der Biodiversität in den trockenen (nicht den feuchten) Tropen besonders hoch ist, vor allem dort, wo es gebirgig ist – neben Süd-China zum Beispiel in Mexiko oder im äthiopischen Hochland. Ein Grund für diese hohe Beta-Diversität könnten Ereignisse in der geologischen Vergangenheit wie Eiszeiten sein.

Wenn man direkt im Wald um Yading (Nyidên), China steht, mag einem die Anzahl an Arten in der näheren Umgebung nicht besonders hoch erscheinen. Der Charakter des Waldes ändert sich jedoch schlagartig wenn man sich bergauf, bergab oder ins nächste Tal bewegt. Foto: Adrien Favre/Senckenberg
Wenn man direkt im Wald um Yading (Nyidên), China steht, mag einem die Anzahl an Arten in der näheren Umgebung nicht besonders hoch erscheinen. Der Charakter des Waldes ändert sich jedoch schlagartig wenn man sich bergauf, bergab oder ins nächste Tal bewegt. Foto: Adrien Favre/Senckenberg

„Während der letzten Vereisung konnten die Bäume nur in Bergtälern überleben und wurden dadurch voneinander isoliert“, erklärt Petr Keil. „Wenn man heute in einem dieser Täler steht, so sieht man eine mittelhohe Anzahl von Baumarten. Aber wenn man über den Kamm klettert und ins Nachbartal hinabsteigt, findet man andere Baumarten und im nächsten Tal wieder andere.“

Keil und Chase geht es in erster Linie darum zu verstehen, wie Biodiversität auf dem Planeten verteilt ist und welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Aber ihr Modell kann auch dazu genutzt werden, Strategien für den Naturschutz zu entwickeln, vor allem für Wälder, deren Baumartenvielfalt noch nicht stark vom Menschen verändert wurde. In den Bergen Chinas zum Beispiel reicht es nicht, nur ein Tal zu schützen. Erst die Vielzahl der unterschiedlichen Täler macht den hohen biologischen Wert dieser Gegend aus.

„Um Biodiversität wirklich zu verstehen und schützen zu können, müssen wir sie gleichzeitig auf der lokalen und auf der regionalen Skala betrachten“, sagt Keil. „Wir brauchen also sowohl die Perspektive des Naturforschers, der im Wald steht, als auch das große Bild, das sich bei der Betrachtung eines ganzes Staates ergibt. Unser Ansatz macht dies nun möglich.“

Originalpublikation: Keil, P., & Chase, J. M. (2019). Global patterns and drivers of tree diversity integrated across a continuum of spatial grains. Nature Ecology & Evolution. doi:10.1038/s41559-019-0799-0

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar