Am Montag, 9. Januar, gab's im Sächsischen Landtag die öffentliche Sachverständigenanhörung zur Hochschulentwicklungsplanung in Sachsen. Und die geriet aus Sicht der Opposition für die Staatsregierung und speziell die Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer zu einem Desaster. Unübersehbar wurde, dass die Kürzungen weder den Bildungszielen des Freistaates entsprechen noch den tatsächlichen Zahlen des Jahres 2012.

Zwölf Sachverständige kamen zu Wort. Und für Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion, war das Fazit deutlich: “Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag fordert nach der heutigen Anhörung der zwölf Sachverständigen vom SMWK erneut, noch vor den Doppelhaushaltsverhandlungen die Prognosen der Studierendenzahlentwicklung auf Basis der aktuellen Immatrikulationszahlen offenzulegen und um die positiven Wanderungsbewegungen nach Sachsen zu aktualisieren!”

So ein kleiner Verdacht scheint ihn umzutreiben: Kann die Wissenschaftsministerin vielleicht mit Zahlen und Statistiken nicht umgehen? Oder kann es der zuständige Staatssekretär nicht, der zwar mal Chef des Statistischen Landesamtes war, die Ministerin aber irgendwie nicht darauf hinweisen mag, dass die tatsächlichen Studierendenzahlen 2012 nichts mit den Prognosen von 2007 übereinstimmen?

Holger Mann: “Seit Anfang des Prozesses 2010 hinterfragen wir die Planungen kritisch. Nun haben auch alle Hochschulvertreter in der Anhörung einen Abgleich zwischen Entwicklung der Studierendenzahlen und der Mittelausstattung angemahnt. Die Notwendigkeit unserer Forderung nach Aussetzung der Stellenkürzungen mindestens bis zum Jahr 2015 wurde ebenfalls von den Sachverständigen bestätigt, da die sächsischen Universitäten auch nach 2015 mit einer Studierendenzahl deutlich über 100.000 zu rechnen haben. Von den Sachverständigen wurde wiederholt der Umgang mit dem Mittelbau an sächsischen Universitäten durch das SMWK kritisiert.”Denn die Kürzungen, die Sabine von Schorlemer verordnet hat, sind ja nicht die ersten an Sachsens Hochschulen. Genau wie das Kultusministerium bei den Lehrern hat das Wissenschaftsministerium in der Vergangenheit auch schon beim wissenschaftlichen Personal gespart.

“Bei den seit Jahren bekannten Problemen des Mittelbaus, wie mangelnde Zukunftsperspektiven oder geringe Familienfreundlichkeit, schafft die Hochschulentwicklungsplanung keine Abhilfe”, stellt Mann fest. “Es fehlt noch immer ein Personalentwicklungskonzept. Die vom HEP erhobene Forderung nach stärkerer Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Stärkung der Gleichstellung an den Hochschulen, finden angesichts der dramatischen Zahlen keine Berücksichtigung. Nach Informationen des Hauptpersonalrates des SMWK, Dr. Thomas Raschke, haben nur noch acht Prozent des wissenschaftlichen Mittelbaus in Sachsen unbefristete Arbeitsverträge und damit nur etwa die Hälfte des derzeitigen bundesdeutschen Durchschnitts.”

Keine Frage, dass es Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ganz genauso sieht. “Nahezu sämtliche Vertreter von Hochschulleitungen, Studierenden und Forschung stellten den Stellenabbauplänen der Staatsregierung ein vernichtendes Zeugnis aus”, resümiert er den Tag. “Schon jetzt gibt Sachsen 60 Millionen Euro zu wenig für die Hochschulen aus. Die Studierendenzahlen liegen derzeit 15 Prozent über den Prognosen. Ein weiterer Stellenabbau droht die Bedingungen an den Hochschulen drastisch zu verschlechtern. Die Schlussfolgerung kann nur lauten: Kürzungen stoppen, Prognosen sofort überprüfen.”Prof. Dr. Karl Lenz, Prorektor für Planung der TU Dresden, hat – wie andere Sachverständige auch – die Prognosen, mit denen die Wissenschaftsministerin unbeeindruckt hausieren geht – nicht nur kritisiert, er hat auch die Folgen dieser Scheuklappenpolitik benannt: “Der prophezeite Rückgang ist bis jetzt nicht eingetreten. Alles deutet darauf hin, dass die Prognosen korrigiert werden müssen.” Doch weil die Prognosen nicht stimmen, habe sich die Personalrelation in den letzten Jahren schon massiv verschlechtert. Würden die Personalkürzungen umgesetzt, müssten ihm zufolge weniger Studierende aufgenommen werden. Das sei kontraproduktiv. Lenz: “Hochschulen sind einzige Institution, die es schaffen kann, junge leistungsfähige Menschen nach Sachsen zu holen und dem demographischen Wandel entgegenzuwirken.”

“Die gesamte Anhörung war ein bemerkenswerter Appell an die Koalition, die sächsischen Hochschulen als Zukunftsinvestitionen zu betrachten”, meint Karl-Heinz Gerstenberg. “Staatsministerin Sabine von Schorlemer und die Wissenschaftspolitiker der CDU-FDP-Koalition sollten das Expertenurteil als Stärkung gegenüber Finanzminister Georg Unland (CDU) nutzen.”

Und auch die Linke sieht durch das Sachverständigenforum ihre Befürchtungen bestätigt. “Die Planungen der Staatsregierung gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Hochschulen”, sagt der hochschulpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Prof. Dr. Gerhard Besier. “Insbesondere die Prorektoren der Universität Leipzig und der TU Dresden widersprachen den finanziellen und personellen Grundannahmen des Hochschulentwicklungsplans. Angesichts ihrer schon bestehenden Unterausstattung könnten vor allem die Universitäten keine weiteren Einsparungen im finanziellen und personellen Bereich verkraften. Das würde die Diskrepanz zwischen den wachsenden Aufgaben der Hochschulen und den mangelnden Ressourcen nur vergrößern. Sie forderten die Staatsregierung zu einem Umsteuern in der Hochschulpolitik auf. “

Und er fordert im Namen seiner Fraktion “eine seriöse Ausfinanzierung der Hochschulen – eine Grundfinanzierung, die unabhängig von Exzellenzinitiativen und dem Engagement der Wirtschaft die Hochschulen dauerhaft handlungsfähig erhält.”

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