Am Sonnabend, 26. April, lädt das Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig um 19:30 Uhr in den Großen Saal des Theaters der Jungen Welt (Lindenauer Markt 21) ein zur Podiumsdiskussion "Der Fall der Theaterwissenschaft. Geisteswissenschaften zwischen Ökonomisierung und kritischem Korrektiv". Denn dass Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer den Hochschulen ihre Kürzungspläne aufgedrückt hat, hat seine Ursache ja in einem simplen, fast erschreckend simplen ökonomisierten Denken.

An der Diskussion am 26. April beteiligen sich Kultur- und Bildungspolitiker fast aller im Sächsischen Landtag vertretenen Parteien: Reik Hesselbarth (FDP), Dr. Skadi Jennicke (Die Linke), Holger Mann (SPD), Prof. Dr. Günther Schneider (CDU), Norman Volger (Bündnis 90/Die Grünen).

Es moderiert Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider (Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig, Professor für Philosophie an der Universität Leipzig).

Der öffentliche Einspruch gegen die katastrophalen Auswirkungen der Spar- und Streichpolitik der Landesregierung des Freistaates Sachsen, welche diese den Hochschulen aufzwingt, hat noch nicht zu Korrekturen geführt. Nicht einmal zu Überlegungen zu solchen Korrekturen. Dazu müsste die zuständige Ministerin samt ihrem vorgesetzten Ministerpräsidenten überhaupt bereit sein zum Eingeständnis, dass die Kürzungsaktion überhaupt korrigiert werden müsste. Aber die Tillich-Regierung ist keine, die das Format zur Selbst-Korrektur hat.

Bleibt eigentlich nur das Beharren auf einer Korrektur von außen.

“Es sind alle gefragt, die ein Interesse daran haben mitzureden über die Gestaltung der Gesellschaft, in der sie leben möchten. Die Sparvorgaben treffen die Universitäten in ihrer Substanz und wirken nachhaltig in die Gesellschaft hinein”, stellt Dr. Micha Braun vom Institut für Theaterwissenschaften fest. Und benennt dabei einen Prozess, der sich auf gleiche Weise mittlerweile auch in den Nachbarbundesländern austobt. Statt die Hochschullandschaft nachhaltig auf eine sichere finanzielle Basis zu stellen und auch strategische Entscheidungen zu treffen, wird drauflosgekürzt, wo die Strukturen den ökonomisierten Vorstellungen eines renditebringenden Hochschulsystems nicht genügen.

Dass es die Zukunftsfähigkeit der ostdeutschen Bundesländer ins Mark trifft, scheint zumindest die verantwortliche Politik nicht zu sehen.
Dr. Micha Braun: “Sollte es wahr sein, dass die ostdeutschen Bundesländer mit weniger Lebensqualität und Zukunftsaussichten auskommen können? Wohin gehen die angeblich reicher fließenden Steuergelder? Was wird großzügig gefördert, was wird für Luxus oder für verzichtbar gehalten? Wissen wir genug über den Prozess, in dem wir uns derzeit befinden? Wohin soll die Reise gehen? Und wie viel wissen die Politiker? Denken Entscheidungsträger über die langfristigen Auswirkungen der Vorgaben nach, die sie mit formelhaften Hinweisen auf Bevölkerungsschwund und angebliche Sparzwänge vertreten? Warum haben aufklärende Worte keinerlei Wirkung?”

In Sachsen hat die Regierung den Kürzungsberg einfach weitergereicht an die Rektorate der Hochschule. Und mit dem sogenannten “Hochschulfreiheitsgesetz” hat man sie gleich noch an die Kandare genommen: Wer die Kürzungsvorgaben nicht umsetzt, dem werden Gelder gestrichen.

Das Rektorat der Universität Leipzig arbeitet – nachdem es jetzt schon zwei Kürzungsrunden verkünden musste – inzwischen weiter an der Umsetzung der Sparvorgaben.

“Auch hier wird eine inhaltliche Debatte durch das Ausweichen auf flexibel gehandhabte Leerformeln vermieden”, stellt Dr. Micha Braun fest. “Sogar die Konsequenz der Schließung ganzer Institute wird für unausweichlich ausgegeben. Das Bekenntnis zur ‘Volluniversität’ wird aber unglaubwürdig, wenn Fächer wie Theaterwissenschaft, Archäologie und vielleicht auch bald Philosophie einfach nicht mehr dazu gehören sollen. Auch viele weitere Studiengänge sind akut in ihrer Substanz bedroht.”

Mit der Abschaffung der Leipziger Theaterwissenschaft droht der unwiederbringliche Verlust des einzigen Instituts in den neuen Bundesländern. Der Studiengang ist begehrt, die Forschung ist sowohl national als auch international anerkannt und wertgeschätzt.

“Die Forschungsthemen, die hier ihren Eingang in die Lehre finden, sind im Fach und darüber hinaus maßstabsetzend”, stellt Dr. Micha Braun fest. Gründe für die Streichungen waren in keinem Fall mangelnde Studienbewerberzahlen oder fehlende wissenschaftliche Reputation. Auch das Rektorat der Universität Leipzig versucht nur, der Ministerin die “am wenigsten schädlichen Streichungen” vorzuschlagen. Aber da ist kein Kriterium für den Bedarf an solchen Fächern. Es ist nur das Einverständnis in eine von reinen Zahlenkolonnen und Bringe-Soll erfüllten Politik, die selbst nicht mehr gestaltet, sondern nur noch verwaltet.

“Auf destruktive Weise ist nun die massive Gefährdung des Leipziger Instituts für Theaterwissenschaft ein beispielhafter Fall für eine der universitären und kulturellen Bildung insgesamt drohende Entwicklung”, sagt Dr. Micha Braun. “Werden die Geistes- oder andernorts Humanwissenschaften genannten Fächer bloß noch nach Kriterien der Quantifizierung und der unmittelbaren Verwertbarkeit beurteilt? Ist das nicht sogar ökonomisch unklug? Wird ihr Wert für die Fragen des sozialen und kulturellen Lebens und Zusammenlebens der Menschen überhaupt verstanden? Soll der vielberufene Faktor Bildung endgültig reduziert werden auf messbare Bereiche? Müssen nicht gerade umgekehrt das Messbare und das ökonomisch Rentable immer wieder nach ihrem Nutzen für die gesamte Gesellschaft befragt werden? Und müssten demnach Bildung und Kultur nicht stärker gegen ihre strikte Ökonomisierung verteidigt werden?”

Sichtbar wird zumindest eines: Einen politischen Dialog über die sächsische Hochschullandschaft gibt es nicht. So wie CDU und FDP in der sächsischen Regierung das Thema angepackt haben, zeigt es die ganze Inhaltsleere eines von Ökonomisierung dominierten Denkens. Es kennt nur Zahlen. Visionen hat es keine.

“Wir hoffen sehr auf eine rege Teilnahme und Beteiligung aller, denen an der Gestaltung unseres Lebens in der Stadt und in einem Land liegt, das in Zukunft mehr denn je auf Studierende aus aller Welt angewiesen sein wird”, wünscht sich Dr. Micha Braun.

Podiumsdiskussion am Samstag, 26. April, um 19:30 Uhr im Theater der Jungen Welt (Großer Saal, Lindenauer Markt 21). Eintritt frei.

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