Der Streit um das Urheberrecht ist gegenwärtig in vollem Gange. Stichwort: ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, dt.: Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen). Genau mit dieser Problematik setzt sich der Leipziger Jurist Christian Berger auseinander und warnt vor einer "gravierenden Änderung unserer Kulturlandschaft".

Auf der Buchmesse-Akademie der Universität Leipzig wird sich Berger am Donnerstag, 15. März, um 13.00 Uhr dem “E-Book aus urheberrechtlicher Sicht” widmen.

Eindringlich warnt der Jurist vor einer Abschaffung des Urheberrechtsgesetzes. “Es existieren Illusionen darüber, welche Folgen es hätte, wenn es das Urheberrecht nicht mehr gäbe”, sagt Berger, der seit 1997 an der Universität Leipzig Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht,
Zivilprozessrecht und Urheberrecht ist. “Es würde zu einer gravierenden Änderung unserer Kulturlandschaft führen.”

Dabei will Berger unter anderem erläutern, dass Verlage ihre Verträge mit den Autoren an die neuen Nutzungsmöglichkeiten anpassen sollten. “Heute schließen Verleger sogleich Verträge mit den Schriftstellern ab, in denen die Nutzungsmöglichkeit für E-Books vorgesehen ist”, sagt Berger. “Bei alten Verlagsverträgen müssen sich die Verlage nachträglich bei den Autoren das Nutzungsrecht einholen, das Buch als E-Book verbreiten zu dürfen, und zahlen dafür eine zusätzliche Vergütung.”Für ungeklärt hält Berger die Frage des Datenschutzes bei E-Books. “Die Verkäufer von elektronischen Büchern dürfen nicht speichern, wer welche Bücher kauft”, fordert er. Für Berger, der Dekan der Juristenfakultät ist, erfüllt das Urheberrechtsgesetz eine wichtige Schutzfunktion. “Wir wollen damit den kreativen Menschen am Anfang der Wertschöpfungskette schützen.”

Wenn jemand Bücher oder andere Werke kostenlos anbieten wolle, könne er das jetzt auch schon machen. “Das ist niemandem verboten, dazu muss das Urheberrechtsgesetz nicht geändert werden.”

Berger erwartet, dass der Vertrieb von elektronischen Büchern den gewachsenen Büchermarkt spürbar verändern wird. “Im Massenmarkt wird der Verkauf von gedruckten Büchern deutlich zurückgehen”, ist sich Berger sicher. “Buchhandlungen, aber auch Verlage stehen vor einem großen Umbruch.” Sie könnten nur dann weiterhin bestehen, wenn sie Profile schärften, Serviceangebote erweiterten und eine gute Kundenbindung betrieben.”Die Zukunft von Bibliotheken ist ebenfalls ungewiss, weil das klassische Ausleihen von gedruckten Monographien an Bedeutung verlieren wird”, schätzt der Jurist ein. “Ich vermute, dass die Vermittlungsfunktion von Bibliotheken stark zunehmen wird.”

Die Veränderungen, ist sich Berger sicher, werden “eher schneller als langsam” auf Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken zukommen. Den Buchhändlern werde gar nichts anderes übrig bleiben, als sich am Handel mit elektronischen Büchern zu beteiligen. “Ihnen muss es
gelingen, im Markt der E-Books mitzuspielen”, sagt Berger.

Im Jahr 2015 dürfte der Umsatz mit digitalen Titeln allein im Bereich Belletristik über 350 Millionen Euro erreichen. Dies entspräche einem Marktanteil von 6,3 Prozent. Noch ist der Markt aber vergleichsweise klein: Bis Ende 2010 wurden bei Belletristik nur rund 20 Millionen Euro mit digitalen Büchern erzielt. Es wird erwartet, dass bis 2015 in Deutschland rund 2,5 Millionen spezialisierte E-Reader verkauft werden. Voraussetzung ist aber, dass die Reader um wichtige Funktionen wie Internetzugang und direkte Shop-Anbindung ergänzt und vor allem billiger werden.

Bislang fanden Geräte wie Sonys “Touch Edition” oder Amazons “Kindle” hierzulande erst schätzungsweise 50.000 bis 80.000 Kunden. Das liegt hauptsächlich auch daran, dass die Technik sich seit der Einführung der Tablet-PCs quasi selbst überholt hat und E-Books unter echten PC-Freaks quasi als antiquiert gelten angesichts der Tablet-Multitalente. Auf 13 Millionen Euro belief sich der Umsatz im ersten Halbjahr 2011 – bei 1,4 Millionen verkauften E-Books – und dürfte damit nicht wesentlich höher sein als im Vorjahr.

Auch in den USA ist der E-Book-Markt nach wie vor eine Nische, so sehr gar, dass sich die großen Anbieter noch nicht einmal auf eine einheitliche Schreibweise von E-Book einigen konnten. Und bis zur endgültigen Herrschaft des E-Books werden wir uns den großen Roman sicher noch ins Regal stellen, ihn ab und zu mal rausholen, die Seiten durchblättern und den Duft gebundener Bücher genießen. Oder hat schon mal jemand versucht, an einem E-Book zu riechen …

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