Der Computer ist zum modernen Radio geworden. Das jedenfalls kann man sagen zur Art, Musik zu hören, wie sie Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren heute pflegen. Das ist das Ergebnis der Studie des Medienkonvergenz Monitorings "Klangraum Internet - Auf neuen Wegen Musik entdecken".

Mit dem Internet bietet sich heutigen Jugendlichen ein Raum, in dem sie Musik entsprechend ihrer musikalischen Interessen und Präferenzen auf individuellen Wegen erkunden, erfahren und gestalten können. Bei ihrer Reise treffen sie auf Gleichgesinnte, auf ausgefallene Musik fernab des Mainstreams, auf Videoplattformen und Podcasts.

“Musik höre ich auf YouTube”, antworten heute 93 Prozent der Jugendlichen auf die Frage, wie sie Musik konsumieren. Diese und weitere aufschlussreiche Ergebnisse liefert die aktuelle Studie, die die Leipziger Medienforscher um Prof. Dr. Bernd Schorb, Professor für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig, jetzt vorgelegt haben.

Kein überraschendes Ergebnis: Musik spielt immer noch eine tragende Rolle im Prozess des Heranwachsens, doch die Zeiten, in denen Radio und eigene CDs den musikalischen Horizont begrenzt haben, sind vorbei.

Was und wie Jugendliche Musik hören, liegt längst nicht mehr nur in der Hand einzelner Anbieter. Vorbei die Zeiten, in denen allein das Radioprogramm und die eigene CD-Sammlung den musikalischen Horizont begrenzt haben. Prof. Dr. Bernd Schorb, Leiter des Forschungsprojektes Medienkonvergenz Monitoring, erklärt: “Musik ist und bleibt das Medium, das den Prozess des Heranwachsens und der Identitätsbildung begleitet. Der Klangraum Internet bietet vorher nie dagewesene Perspektiven musikalischer Selbstbestimmung.”

Doch was bringt diese neue Freiheit? Verschwindet das traditionelle Radio im Netz? Werden Jugendliche durch die neuen Möglichkeiten des Web 2.0 doch noch vom passiven Konsumenten zum aktiven Produzenten? Welche Grenzen setzen Urheberrechtsbestimmungen der Kreativität junger Musiker?
Die aktuelle Studie des Medienkonvergenz Monitorings liefert umfassende Ergebnisse zur Aneignung auditiver Angebote durch Jugendliche. Diese basieren auf Daten einer quantitativen Online-Befragung von 3.806 Internet-NutzerInnen zwischen 12 und 19 Jahren sowie auf vertiefenden Interviews mit 40 Jugendlichen.

Eindeutig ist schon die Frage nach dem Gerät, mit dem die jungen Leute heute Musik hören: Computer (92 Prozent) und mp3-Player (76 Prozent) führen eindeutig die Liste an, gefolgt vom Handy und dem CD-Player.

Weit dahinter – und tatsächlich nur noch von 33 Prozent der Jugendlichen regelmäßig genutzt – folgt das Radio.

Die Online-Nutzung des Computers als Musikquelle hat sich dabei von 61 Prozent regelmäßiger Nutzung im Jahr 2007 auf 92 Prozent erhöht. Und dabei spielen die klassischen Radio- und Musiksender, die in der Vergangenheit das Geschäft dominierten, längst nicht mehr die Hauptrolle.

93 Prozent der jungen Leute holen sich ihre Musik auf einschlägigen Video-Plattformen wie Youtube, nur 27 Prozent auf den Seiten der Radiosender, 23 Prozent auf den Homepages von Musiksendern, 25 Prozent über Netzwerke wie MySpace. Nicht zu vergessen: 20 Prozent finden ihre Musik direkt auf den Seiten der Musiker und der Labels. Was auf jeden Fall darauf hindeutet, dass die jungen Leute sich im Lauf ihrer Musikerfahrung von den klassischen Sendern emanzipieren und die Suche nach ihrer eigenen Lieblingsmusik und der Original-Quelle selbst in die Hand nehmen.

Während die Nutzung von Seiten von Musiksendern mit jeder Altersstufe sinkt (von 25 auf 19 Prozent), steigt die Nutzung der Seiten von Bands und Labels von 13 auf 31 Prozent.

Als Community besonders hervorgehoben wird in dieser Studie MySpace, das den jungen Leuten nicht nur den Direktzugang zu ihrer Lieblingsmusik ermöglicht, sondern auch den direkten Austausch mit Gleichgesinnten. Und das, obwohl gerade MySpace in letzter Zeit von diversen Medien schon als Auslaufmodell beschrieben wurde, was wohl – wenn man diese Studie betrachtet, eine falsche Botschaft ist – möglicherweise gekoppelt mit einer Strategie, nun ausgerechnet den Community-Konkurrenten Facebook börsentauglich zu schreiben.

Das wäre eine eigene Untersuchung wert.

Aber auch schon die hier sichtbar werdende Art des Musikfindens zeigt, dass in der medialen Öffentlichkeit viele falsche Geschichten erzählt werden. Auch über die Rolle der Radiosender, die nun ganz direkt in den Verantwortungsbereich der SLM fallen, die sich hingegen um die medialen Angebote im Internet nicht die Bohne schert.

Doch Folgen hat das, was da allein beim Musikgenuss der jungen Leute sichtbar wird. Nicht nur für die Quelle, woher sie ihre Musik und ihre Informationen dazu beziehen, sondern für das Verständnis davon, was die jungen Leute eigentlich an Musik hören wollen.

Und tatsächlich ist diese Studie auch ein Beleg dafür, wie sehr daneben die meisten Radiosender mittlerweile mit ihrer Musikauswahl liegen, die sie immer mehr nur noch aus den Hitlisten kompilieren. Die Vielfalt, die selbst heutige Jugendliche hören, die ja nun wirklich mit Schwachsinn-Angeboten auf vielen Kanälen konfrontiert sind, ist schon verblüffend.

Das zeigt sich auch bei produzieren eigener Musik. Denn die Elektronik gibt den jungen Leute ja auch neue Möglichkeiten, sich als Musik-Macher zu entfalten: So widmen sich 47 Prozent der produzierenden Jugendlichen der Rockmusik, Popmusik machen 37 Prozent. 23 Prozent sagen, dass sie auch Klassische Musik einspielen, 20 Prozent sind mit House, Techno und Rave glücklich, 19 Prozent mit Hiphop und Rap, 16 Prozent mit Punk und 15 Prozent mit Soul und R’n’B.

59 Prozent der Befragten suchen gezielt nach Informationen zu ihrer Musik, die sie bei den Rauf-und-Runter-Dudelsendern schon lange nicht mehr bekommen, Mädchen (61 Prozent) sogar noch häufiger als Jungen (57 Prozent).

Und wer dachte, die jungen Leute hätten nur noch Musik im Kopf, der wird ebenfalls eines Besseren belehrt. Auch wenn Musik unter den rezipierten Medien mit 96 Prozent “Wichtig” natürlich an der Spitze rangiert, wenn eben nach dieser Wichtigkeit gefragt wird. Man könnte ja auch sagen: Jugend ist Musik. Danach kommen Filme (86 Prozent), Fernsehsendungen (70 Prozent) und – na hoppla: Bücher, die immerhin für 59 Prozent der Jugendlichen wichtig bis sehr wichtig sind. Wichtiger als Computerspiele (55 Prozent) oder eben Radio (40 Prozent).

Ein großer Teil der Studie befasst sich konzentriert mit der Nutzung von Internetradio-Angeboten und mit der Radio-Nutzung via Handy. Man ahnt, das die SLM hier ihr ganz spezielles Interesse angemeldet hat. Denn wenn man die jungen Leute mit dem gewöhnlichen Offline-Radio nicht mehr erreicht, braucht man ja irgendeine Strategie, um sie online einzufangen. Oder die Online-Auftritte der eigenen Dudelsender so zu formatieren, dass man wieder in Kontakt mit der jungen Zielgruppe kommt. Ein Thema, mit dem der MDR seit einigen Jahren so seine Probleme hat.

Und da die internetfähigen Handys mittlerweile zum Hype der Werbestrategien geworden sind, will man auch in Sachsens Rundfunk gern wissen, ob man die jungen Leute so erreicht. 49 Prozent der jungen Nutzer gehen mittlerweile per Handy ins Internet. Aber Musik rangiert da (noch) nicht auf Platz 1. 48 Prozent suchen – wenn sie mit Handy online gehen – im Netz Informationen, 30 Prozent sehen sich Videos an. Mit 28 Prozent kommt Musik auf Rang 3. Noch vor dem twittern mit 16 Prozent.

Und das Spannende für alle, die glauben, junge Leute hätten kein Interesse an der Welt: Die Suche nach Informationen mit dem Handy steigt mit dem Alter – auf 75 Prozent bei den 18- bis 19-Jährigen.

Die Studie ist also ein recht komplexer Blick in das Medien-Leben der jüngeren Generation, das ein erstaunlich vielfältiges und selbstbestimmtes ist.

Man findet die Studie hier:

www.medienkonvergenz-monitoring.de

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