Die sächsische SPD lud in letzter Zeit zu einer Reihe von Informationsveranstaltungen ein, um die Bürger über die Modalitäten der Veränderungen von der alten GEZ zum neuen Rundfunkbeitrag seit 1. Januar 2013 zu informieren und dabei auch die Schwachstellen des neuen Modus zu diskutieren. Aber trifft diese Diskussion tatsächlich den Kern? Die L-IZ fragte einfach mal etwas forscher nach. Dirk Panter, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, antwortete.

Warum glauben Sie, dass eine “haushaltsbasierte Beitragspflicht vom Grundsatz her richtig ist”?

Die Art und Weise, wie wir heute Medien nutzen, hat sich durch Internet, Digitalisierung und die entsprechende Technik entscheidend verändert. Bislang knüpfte die Rundfunkgebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an den Gerätebegriff an. Heute funktioniert das nicht mehr. Ich kann heute mit einem einzigen Gerät – z.B. meinem Handy – all das machen, wofür ich vor noch nicht mal 10 Jahren mindestens 4 Geräte brauchte: Radio, Computer, Telefon, Fernseher. Um dieser technischen Realität als auch der tatsächlichen Mediennutzung gerecht zu werden, haben sich die Länder für ein Modell des wohnungs- und betriebsstättenbezogenen Beitrages entschieden. Es ist davon auszugehen, dass in jeder Wohnung mindestens ein technisches Gerät – welcher Art auch immer – zum Medienempfang vorhanden ist. Daher fällt pro Wohnung ein Rundfunkbeitrag an. Für die Mehrzahl der Menschen ändert sich eigentlich nichts.

Es zeigt sich allerdings, dass die Länder bei der Gesetzgebung einige Fälle nicht im Blick hatten oder nicht soweit gedacht haben, zum Beispiel bei Hostels oder auch bei Vereinen. Hier sind die neuen Regelungen unstimmig und führen zu Ungerechtigkeiten. Das muss geändert werden. Aber dafür brauchen wir konkrete Fakten. Daher haben wir in der SPD-Landtagsfraktion eine Veranstaltungsreihe gestartet. Alle meine Kollegen haben und werden in ihren Wahlkreisen zu Bürgersprechstunden einladen. Wir wollen diese Fälle sammeln und uns gegenüber den Ländergremien für eine Nachbesserung einsetzen. Dazu sind qualitative und quantitative Fallbeispiele notwendig.

Von welchen Grundsatz her verstehen Sie das? Mit dem simplen kaufmännischen Grundsatz “Wer bestellt, der auch bezahlt”, hat es sichtlich nichts zu tun.

“Wer bestellt, der auch bezahlt” – das ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz. Eine Demokratie lebt davon, dass Informations- und Meinungsfreiheit herrscht und dass Meinungsvielfalt garantiert wird. Wir haben in Deutschland das sehr gute System des privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das Duale Rundfunksystem. Also warum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn es doch genügend Private Quellen gibt, aus denen man sich informieren kann oder von denen man sich unterhalten lassen kann? Private Veranstalter wollen und müssen mit Informationen selbstverständlich auch einen wirtschaftlichen Gewinn erzielen. Zudem gibt es viele Eigentümer-Verflechtungen zwischen den verschieden Märkten (Zeitung, Radio, Internet). Insofern sind private Veranstalter, trotz der scheinbaren Vielfalt der Angebote, nicht wirklich unabhängig.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist hinsichtlich der Programmgestaltung unabhängig von wirtschaftlichen oder staatlichen Einflüssen organisiert. Die Kontrolle erfolgt durch die Gesellschaft, in Form der Konstruktion des Rundfunkrates. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Programme in Unabhängigkeit von staatlichen und wirtschaftlichen Einflüssen gestaltet kann, wird er über die Gesellschaft, also über die Rundfunkgebühren bzw. nun Rundfunkbeiträge, finanziert. Und er wird über die Gesellschaft kontrolliert – über die Rundfunkräte. Und aufgrund dieser Bedeutung für die Demokratie brauchen wir einen starken öffentlich-rechtlich Rundfunk, der solidarisch durch die Gesellschaft finanziert wird.

Ich weiß, dass dies etwas theoretisch klingt. Aber wenn wir uns in der Welt umschauen, z.B. nach China, nach Russland oder nach Italien blicken, dann wird uns allen sehr schnell klar, was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn Medien ausschließlich wirtschaftlich privaten Interessen oder machtpolitischen Interessen unterworfen sind.

Glauben Sie wirklich, dass die Öffentlich-Rechtlichen, indem sie ihr Angebot einfach auch auf andere Verbreitungskanäle, die im Rundfunkvertrag nicht vorgesehen sind, ausweiten, auch ein Anrecht darauf haben, dort Gebühren zu kassieren? Wofür eigentlich?

Das gibt es nicht! Und wenn Ihnen ein Fall bekannt ist, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Verbreitungskanälen Angebote unterbreitet, die ihm nicht per Gesetz erlaubt sind, dann teilen Sie mir dies bitte unbedingt mit. Als Mitglied des Rundfunkrates würde ich umgehend aktiv werden. Alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, vom ZDF über MDR und Deutschlandradio haben Rundfunkräte. Die setzen sich aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Vereinen zusammen. Die Rundfunkräte kontrollieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Werden die Finanzen angemessen eingesetzt? Wie ist das Programm? Werden die Gesetze eingehalten usw.?

Ich vermute aber, Sie meinen mit Verbreitungskanal die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten? Das ist gesetzlich erlaubt – Telemedien, heißt das im Rundfunkstaatsvertrag. Und es ist auch richtig: Denn wie schon gesagt, das Nutzungsverhalten hat sich geändert. In der juristischen Formulierung heißt das “verfassungsrechtliche garantierte Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks”. Dahinter verbirgt sich, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund seiner Bedeutung für die Demokratie auch neue Verbreitungswege offen stehen.

Aber eigentlich geht es bei dieser Frage gar nicht wirklich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es geht hier um die Suche nach neuen Geschäftsmodellen, nach Finanzierungsformen in einer digitalen Welt, dies betrifft insbesondere die Zeitungslandschaft. Davon können die Internetzeitungen, die ich sehr schätze, sicher ein Lied singen. Wir haben als Gesellschaft eine Mentalität entwickelt, dass wir es als selbstverständlich ansehen, dass Netzinhalte kostenlos sind. Warum? Wo bleibt der Autor? Der Urheber? Ich glaube, die Wirtschaft befindet sich hier immer noch auf der Suche, genauso wie die Politik die Stellschrauben noch finden muss. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist hier nicht der Feind. Im Gegenteil: Er könnte sogar – wenn man ihm gesetzlich die Chance geben würde, auch mal neue Sachen im Netz auszuprobieren – Ideengeber sein.
Sind Sie wirklich der Meinung, die Gebührenerhebung nach Haushalt sei keine verkappte Steuer?

Ja! Es ist ein Beitrag für unsere Demokratie. – Und dieser Rundfunkbeitrag ist klar zweckgebunden – er steht nur für den Zweck zur Verfügung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren. Anders als Steuern, die nicht zweckgebunden sind.

Wie, glauben Sie, können sich Bürger schützen, die die nicht wirklich niveauvollen Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gar nicht empfangen möchten? Wie können sie sich gegen die nun irgendwie hingebogene Gebührenerhebung wehren?

Ich habe zwei kleine Kinder, die stehen auf “Logo” und das Sandmännchen. Als Vater bin ich froh, dass es mit dem Ki.Ka einen Kindersender gibt – ohne Werbung. Als Abgeordneter und Generalsekretär der Sächsischen SPD bin ich viel im Auto unterwegs – da geht nur Radio. Bei mir ist das meistens MDR Info oder Deutschlandradio, um über Sachsen, die Region bzw. Deutschland und die Welt Bescheid zu wissen. Bekannte sehen für ihr Leben gern im MDR “Die Krone der Volksmusik”, für mich ist das zwar unerträglich, aber ich habe dafür dann eben die Tagesschau im Fernsehen und auch im Netz.

Was ich damit sagen will: Sie sind nicht gezwungen, Ihre Kinder Ki.Ka schauen zu lassen oder ein anderes Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass von unserem dualen System eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des privaten Rundfunks alle Menschen profitieren. Und zwar im Sinne unserer Demokratie. Und deshalb gibt es die solidarische Finanzierung.

Haben Sie schon einmal italienisches Fernsehen geschaut oder amerikanisches? Ich glaube, viele Programme des privaten Rundfunks sähen ohne die Konkurrenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anders aus. Genauso wie leider der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich in der Vergangenheit manchmal zu sehr an den Programmformaten und Sehgewohnheiten des Privaten Rundfunks orientiert hat. Diese Diskussion führen wir in den Rundfunkräten und auch in der Gesellschaft. Und das ist gut so.

Warum denken Sie, dass es eine irgendwie geartete Pflicht gibt, dass sich alle Bürger des Landes an der Finanzierung der Bundesliga, von Wett- und Talkshows beteiligen?

Gegenfrage: Glauben Sie, dass der Volkssport “Fußball” nur verschlüsselt empfangen werden sollte? Fußball gehört zur Unterhaltung. Er gehört zur Information und Fußball hat auch einen integrativen und kulturellen Charakter. Es geht nicht darum, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk alle Spiele überträgt. Aber die Ergebnisse, Ausschnitte und auch die freie Übertragung einzelner Spiele, das gehört schon zur Pflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Frage, wie viel dafür geboten werden darf, ist eine berechtigte und wichtige Frage, die in den Rundfunkräten immer wieder auf der Tagesordnung steht.

Glauben Sie wirklich, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender, so wie sie derzeit sind, dem eigentlichen Versorgungsgrundsatz entsprechen? Wäre es nicht an der Zeit, die Öffentlich-Rechtlichen inhaltlich in die Pflicht zu nehmen und ein Mindestangebot journalistisch qualifizierter Inhalte abzuverlangen, bevor man einen “Versorgungsauftrag” beschwört, der sichtlich nicht erfüllt ist?

“Tagesschau”; “Tagesthemen”; “Frontal21”; “Monitor”; “Panorama”; “Fakt”; Dokumentationen auf Phönix und die Übertragung der Bundestagsdebatten; “WISO”; Maybrit Illner”; “Report aus Mainz”; “Tatort”; “ttt – titel, tesen, temperamente”; Ki.Ka und “Die Sendung mit der Maus”; auch “Wetten dass…” als Familienunterhaltungsprogramm; TerraX; Deutschlandradio…. Ich glaube diese Beispiele zeigen deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag in qualitativ hochwertiger Weise erfüllt.

Auftrag beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk heißt: Bildung, Kultur, Information, Beratung und auch Unterhaltung. Meist ist es in der öffentlichen Diskussion der Punkt der Unterhaltung, über den gestritten wird. Aber hier sind die Geschmäcker verschieden. Was in der Diskussion manchmal unter den Tisch fällt, ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in all den Punkten – also Bildung, Kultur, Information, Beratung und Unterhaltung – alle wesentlichen Lebensbereiche abdecken und die Gesellschaft in ihrer Vielfalt ansprechen sollte. Wie schon in Frage 5 gesagt, es gibt Menschen, die lieben “Die Krone der Volksmusik”. Auch diese Form der Unterhaltung ist Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Denn die Liebhaber solcher Sendungen gehören genauso zu dieser Gesellschaft wie andere, die auf 3sat immer die “Sternstunde der Philosophie” schauen.

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