Die Zahl der deutschen Abonnementzeitungen und die verkauften Auflagen sind seit Jahren rückläufig. Viele Verlage versuchen mit redaktionellen Kooperationen, Kosten zu senken, um am Markt zu bestehen. Der Leipziger Medienforscher Dr. Tobias D. Höhn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, hat die jüngeren Entwicklungen in der Zeitungsbranche analysiert.

Zusammen mit aktuellen Karten und Grafiken des Leibniz-Instituts für Länderkunde sind die Ergebnisse jetzt im Online-Nationalatlas nachzulesen.

Die Abwärtsentwicklung der deutschen Tagespresse hält an: Von 1989 bis 2012 ist die Zahl der Abonnementzeitungen von 387 auf 322 gesunken. Viele von ihnen verfügen über keine eigene Vollredaktion, sondern übernehmen den überregionalen Teil von einer der insgesamt 120 Zeitungen mit einer sogenannten Mantelredaktion. Die Verkaufsauflage des Mantelteils weist ebenfalls großflächige Verluste von bis zu 50 Prozent aus. Nur wenige Regionalzeitungen wie der in Bamberg erscheinende Fränkische Tag, die Marburger Oberhessische Presse oder die Neue Osnabrücker Zeitung konnten ihre Auflage gegen den allgemeinen Trend steigern.

Die größten Auflagenverluste sind in Ostdeutschland zu verzeichnen. Dr. Tobias D. Höhn führt den Rückgang auf die hohe Abwanderung und ein geringeres Wirtschaftswachstum zurück. Wie seine Auswertungen ergaben, sind in Westdeutschland die Verkaufszahlen vor allem in den Ballungsräumen und Großstädten eingebrochen – “möglicherweise als Folge der wachsenden Zahl von prekären Einkommensverhältnissen”, so der Journalistikwissenschaftler. Zudem hätten sich die
Nutzungsgewohnheiten im Zeitalter der elektronischen Medien “gravierend zum Nachteil der gedruckten Zeitung” verändert.

Sprich: Jüngere Generationen verwenden deutlich weniger Zeit für das Lesen gedruckter Zeitungen. Nach der ARD/ZDF-Onlinestudie 2012 wendeten 14- bis 29-Jährige für das Lesen einer Zeitung im Jahr 2010 nur noch 10 Minuten täglich auf, bei den 30- bis 49-Jährigen waren es noch 18 Minuten, bei den über 50-Jährigen 34 Minuten. Sie steigen damit nicht aus der Tagesberichterstattung aus – sie holen sich ihre Informationen nur woanders: im Internet.

Die Dauer der Internetnutzung pro Tag staffelt sich nach den Altersgruppen so: 150 Minuten, 99 Minuten, 42 Minuten.Eine vergleichsweise enge Leser-Blatt-Bindung ist (noch) in den ländlichen Räumen zu beobachten. Viele Verleger und Zeitungsmacher splitten darum die bestehenden Ausgaben, um Inhalte aus dem nahen Umfeld der Nutzer zu präsentieren und örtliche Anzeigen einzuwerben. Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport werden meist von einer zentralen Redaktion produziert, um die Kosten zu senken.

Dr. Tobias D. Höhn beurteilt die wachsende Konzentration kritisch: “Mit der Zunahme der redaktionellen Kooperationen schwindet die publizistische Vielfalt.” Panikmache sei aber fehl am Platz. “Auch in früheren Jahrzehnten sind Zeitungen vom Markt verschwunden, und mit crossmedialen Strategien und journalistischer Qualität können starke Printtitel auch zukünftig ihre Attraktivität und Meinungsführerschaft erhalten”, so der Leipziger Medienforscher.

Das aber trifft eher auf die überregionalen Titel zu – auf Titel wie Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, die tageszeitung, Junge Welt, Neues Deutschland. 2012 galt es auch noch für die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland. Letztere ist mittlerweile vom Markt verschwunden. Höhn macht zwar den Käuferrückgang dafür verantwortlich. Aber das Hauptproblem, das er ausblendet, ist – bei der FTD auf jeden Fall – das Fehlen einer belastbaren Basis an Werbekunden. Denn Print finanziert sich zum größten Teil über die abgedruckte Werbung. Und auch bei der Frankfurter Rundschau hat es am Ende nicht gereicht. Und die Übernahme durch die FAZ wird ein radikales Abschmelzen der Redaktion mit sich bringen.So zeigt seine Aufarbeitung auch nicht, dass hinter dem Ausdünnen der deutschen Zeitungslandschaft auch ein seit 20 Jahren forcierter Preiskampf steckt. Gerade die in Ostdeutschland verbliebenen Regionalzeitungen haben sich ihr Territorium immer wieder “sauber” gehalten, indem sie mit Kampfpreisen Mitbewerber vom Markt fegten und hielten. So lange sie dabei das Monopol behielten, stimmte auch die Rechnung scheinbar. Aber selbst bei erwirtschafteten Überschüssen wurde dabei der redaktionelle Kern über die Jahre ausgedünnt. Die “Leser-Blatt-Bindung” ist zunehmend unter Druck gekommen, weil die redaktionelle Kompetenz ausgedünnt wurde.

Die Karten im Nationalatlas zeigen zwar viele “Kooperationen” unter einzelnen Titeln. Aber gerade die in Leipzig angesiedelte LVZ hat eben nicht nur betriebsinterne Verbindungen nach Torgau und Dresden. Sie gehört mittlerweile zu einem großen Verlagshaus, der Mediengruppe Madsack, die in Hannover ansässig ist und zu der im Osten neben der LVZ (und ihrem Ableger DNN) auch das Naumburger Tageblatt, die Märkische Allgemeine Zeitung und die Ostsee-Zeitung gehören. Der Osten, der auf der Karte sowieso schon mit Zeitungen sehr dünn besetzt aussieht, ist tatsächlich noch viel dünner besetzt.

Wer nachschauen will, findet Karten, Grafiken und Analyse hier: http://aktuell.nationalatlas.de

Das für den Nationalatlas verantwortliche Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig: www.ifl-leipzig.de

Der Autor Tobias D. Höhn: www.textoase.de

Die ARD-ZDF-ONlinestudie von 2012: www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=353

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