Am 6. Juni veröffentlichte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V (BITKOM) mal wieder ein Ranking. L-IZ-Leser wissen ja, was wir von Rankings halten. Erst recht von solchen, die von Branchenverbänden in eigener Sache veröffentlicht werden. Dieses war nun ein "Bundesländer-Ranking" unter dem Titel "Wo Spitzenpolitiker Social Media am häufigsten nutzen".

Mal abgesehen davon, dass die meisten der 620 Bundestagsabgeordneten keine Spitzenpolitiker sind – auch wenn das ihre Wähler daheim in den Wahlkreisen gern glauben möchten. Die meisten sind auch nicht wirklich Spezialisten für irgendein Themengebiet. Schon gar nicht für Neue Medien.

“Nach einer Forsa-Studie im Auftrag des BITKOM sind 37 Prozent der Bundesbürger der Meinung, der Einsatz des Internets durch die politischen Parteien werde entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Bundestagswahl 2013 haben. Unter den 18- bis 29-Jährigen ist sogar fast die Hälfte (48 Prozent) dieser Ansicht. Fast drei Viertel der Befragten sagen, Politiker sollten das Internet nutzen, um sich im direkten Dialog mit den Bürgern auszutauschen. Dazu ist besonders das Social Web mit seinen verschiedenen Diensten und Plattformen geeignet”, erklärte der BITKOM dazu. Ganz in eigenem Interesse.

Am 26. Juni griffen Sachsens Piraten die BITKOM-Verlautbarung auf. Florian Bokor, Bundestagskandidat der sächsischen Piraten, erklärte zum Beispiel: “Diese Zahlen
sind symptomatisch und zeigen, wieso viele Abgeordnete kein Verständnis für die veränderten Ansprüche ihrer Wähler haben. Es informieren sich immer mehr Menschen online und wünschen dort ihre Abgeordneten auch erreichen zu können. Für mich persönlich wäre politisches Arbeiten ohne soziale Netzwerke kaum möglich.”

Kann nicht sein, dachte sich die L-IZ. Man kann doch sehr gut auch ohne Facebook, Twitter, Youtube, Google+, flickr und XING leben. Zumindest privat. Hinter den Erstgenannten steckt jeweils ein großer US-amerikanischer Konzern, der mit den Daten seiner Nutzer durchaus Dinge anstellt, die mit “privat” und “geschützt” nichts mehr zu tun haben. Also haben wir gleich mal zurückgefragt.

Die Antworten gibt’s jetzt in zwei Paketen.Zum ersten Teil nahm Florian Unterburger, der Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Piraten, Stellung, zum zweiten Florian Bokor, Beisitzer im Landesvorstand und Bundestagsdirektkandidat aus Leipzig.

Florian Unterburger fragten wir natürlich gleich entsprechend forsch:

Machen Sie öfter solche Werbung für Unternehmensverbände?

Nein.

Wir sehen in unserer Pressemitteilung auch keine solche.

Wir nehmen lediglich Bezug auf eine Studie, die von einem Unternehmensverband herausgegeben wurde. Wenn Sie hierin bereits eine zu kritisierende Werbung für einen Unternehmerverband sehen, sehen Sie dann in der Bezugnahme auf eine in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlichte Studie Verlagswerbung?

Ist diese Unternehmenswerbung mit den Grundsätzen der Piratenpartei vereinbar?

Nein. Wäre es nicht. Ebenso wenig wie Verlagswerbung mit den Grundsätzen der Piratenpartei vereinbar wäre. Wir hätten aber auch – wie sonst in der Politik üblich – einfach mal Zahlen in den Raum stellen können und uns “auf eine Studie renommierter Wissenschaftler” beziehen können. Wäre Ihnen das lieber gewesen? Oder finden Sie es nicht besser, dass wir unsere Quelle offengelegt haben und es Ihnen so ermöglicht haben, die von uns behaupteten Zahlen zu überprüfen?

Glauben Sie nicht, dass zwei unternehmernahe Parteien im sächsischen Parteienspektrum durchaus genug sind?

Eine kurze Nachzählung hat bei uns ergeben, dass mit den Grünen mindestens drei derzeit in Sachsen tätige Parteien als “unternehmernah” bezeichnet werden können.

Aber mal im Ernst: Die Piraten Sachsen haben nichts gegen Unternehmer. Wir sehen in vielen unserer arbeitsmarkts- und sozialpolitischen Forderungen vielmehr Maßnahmen, Unternehmertum zu fördern. So gehen angesehene Wissenschaftler (*1) davon aus, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu einer für die Gesellschaft sehr vorteilhaften Gründungswelle im Kreativ- und Sozialsektor führen würde.

(*1) Bitte beachten Sie, dass an dieser Stelle auch Universitätswerbung stehen könnte. Diese haben wir zur Wahrung unserer politischen Unabhängigkeit weggelassen.

Das Ranking des BITKOM e.V. kann man hier nachlesen: www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Presseinfo_MdB_Social_Media_nach_Laendern_5_6_2013.pdf

Hier kann man auch nachlesen, dass die sächsischen Bundestagsabgeordneten sehr zurückhaltend sind, was die Nutzung einiger der Social-Media-Plattformen betrifft.

Mit 35 Abgeordneten ist Sachsen freilich recht stark vertreten im Bundestag. Aber die meisten sind nicht wirklich Pioniere in der Politik. Auch nicht in der modernen Kommunikation. Aber darf man deshalb so vorbehaltlos die Präsenz in Social Media als positiv werten?

Die zweite Fragerunde zu diesem Thema geht direkt an Florian Bokor, der selbst auf Twitter, Facebook, formspring und anderen sozialen Netzwerken unter dem Alias “d1etpunk” unterwegs ist. Diese Fragerunde gibt es gleich auf L-IZ.de.

www.piraten-sachsen.de

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.: www.bitkom.org

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