Am 30. September ging die neue Website der Stadt Leipzig online und erscheint seitdem nach eigenem Bekunden "in neuem Gewand" und "präsentiert sich deutlich moderner und nutzerfreundlicher." So einen Satz hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon im November formuliert. In der Hoffnung, die neue Website würde in den Folgewochen noch wichtige Verbesserungen erleben. Doch im Januar 2014 ist das Dilemma noch immer dasselbe. Also gibt's eine Anfrage in der Ratsversammlung am 22. Januar.

“Bestimmte Inhalte sind seither nicht mehr abrufbar und sollten nach Angaben der Stadtverwaltung nach und nach eingepflegt werden”, stellt die Grünen-Fraktion in ihrem Antrag fest. “Ein Beispiel stellt der Spielplatzführer dar, dessen Umsetzung auf einen Stadtratsbeschluss zurückgeht. Dieser ist zwar über eine Verlinkung aufrufbar, präsentiert sich jedoch seit nunmehr 3 Monaten ohne jegliche Inhalte. Von Familienfreundlichkeit ist hier wenig zu spüren.”

Auch im neuen Jahr sieht der Auftritt noch aus, als hätte da jemand schnell mal einen Blog zusammengebaut. Obwohl man gleich ganze Agenturen eingespannt hat, um der Stadt ein neues Kleid zu stricken: Lecos GmbH, EWERK (Leipzig), KOCMOC.NET (Leipzig), das MedienKombinat (Chemnitz).

“Für die Überarbeitung des städtischen Webauftritts wurden drei zusätzliche Stellen geschaffen, die nunmehr seit drei Jahren arbeiten”, stellt Grünen-Stadtrat Ingo Sasama im neuen “Ratschlag”, der Informationsschrift der Grünen-Fraktion, fest. Zu Website und E-Governementstrategie der Stadt fällt ihm nur das Wort “Hausmannskost” ein. Weltstadtflair kommt beim Besuch von leipzig.de wirklich nicht auf. Bestenfalls Verwaltungsflair. “Hätte die Stadt es privat machen lassen, wäre es schneller und besser und wahrscheinlich auch noch billiger geworden”, vermutet Sasama.

“So befindet sich die Webpräsenz, die insgesamt durch ein fades langweiliges Erscheinungsbild ‘Besticht’, auf dem Niveau von vor drei Jahren”, schreibt Sasama. Und weist – aus Stadtratsperspektive – zu recht darauf hin, dass die Arbeit des Stadtrates erst auf der dritten Ebene sichtbar wird. Nämlich ganz unten auf dem grauen Menü-Feld unter “Bürgerservice und Verwaltung”. Da kann man dann auf “Stadtrat” klicken und kommt dann auf die Seite mit den Links zu “Stadtrat Leipzig”, “Fraktionen”, zum “Ratsinformationssystem”, “Einwohneranfragen” und “Petitionen”.

Letzteres ein ganz heißes Eisen, denn hier wird man zwar aufgeklärt, was man mit Petitionen alles machen kann. Nur die Möglichkeit, eine Online-Petition aufzusetzen, gibt es nicht. Nur die E-Mail zum Petitionsausschuss. Und auch keine Übersicht über die aktuell laufenden Petitionen. Was den Grünen-Stadtbezirksbeirat Tim Elschner nun schon seit Jahren ärgert. Er erinnert daran, dass sich der Stadtrat im Februar 2012 mit großer Mehrheit, dem Antrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen folgend, für die Einrichtung einer öffentlichen Online-Plattform für ePetitionen aussprach (RBV-1129/12).”Mittlerweile hat die Stadt Leipzig ihren Internetauftritt von Grund auf erneuert. Auch das elektronische Ratsinformationssystem (eRIS) wird erneuert und soll im nächsten Jahr installiert werden”, stellt Elschner fest. “Obwohl seitens des Oberbürgermeisters immer wieder das Ziel formuliert wird, die Bürgerbeteiligung zu stärken, muss die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen feststellen, dass weder beim Relaunch des städtischen Internetauftritts noch bei der Erneuerung des eRIS der oben genannte Stadtratsbeschluss Berücksichtigung gefunden hat bzw. findet.”

Um das städtische Petitionsrecht weiter zu stärken, indem Petitionen eine größere Aufmerksamkeit erhalten, mitunterzeichnet und öffentlich diskutiert werden können, fragen die Grünen nun: “Weshalb wurde der Stadtratsbeschluss bislang nicht umgesetzt? Wann ist mit der Umsetzung zu rechnen? Auf welchem Wege soll der Stadtratsbeschluss umgesetzt werden?”

Sasama ergänzt die Erwartung an die E-Petitionen um die notwendige Möglichkeit der Mitunterzeichnung und der kontrollierten Kommentierung. Bislang erfahren von den anhängigen Petitionen im Stadtrat meist nur die Petenten selbst – wenn sie nicht gleich den Weg zur Presse suchen und dort eine größere Leserschaft auf ihr Problem aufmerksam machen. Viele wichtige Themen beenden ihr Leben so völlig unbemerkt im Petitionsausschuss – die Petenten bekommen eine Stellungnahme. Das war’s. Aber das ist keine städtische Debatte über Themen, die die Bürger interessieren.

Man vermisst Vieles, was man auf der neuen Homepage der Stadt erwartet hätte. Ganz selbstverständlich erwartet hätte. Das betrifft nicht nur reihenweise Inhalte, die auch beim Nutzen der Suchfunktion nicht wieder auftauchen. Es betrifft auch alle Informationsmaterialien zu den aktuellen Diskussionen der Stadtgesellschaft. Nur mal als kleines Beispiel: das von der Stadt eingerichtete Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle. Die Seite dazu ist (unterm Thema Lärmschutz) leicht zu finden. Man erfährt auch, was das Dialogforum ist. Aber man erfährt nichts darüber, was dieses Forum seit seiner Konstituierung 2009 getan und veranlasst hat.

Die Spielplätze, nach denen die Grünen nun am 22. Januar in der Ratsversammlung fragen wollen – “Wann werden die Inhalte des Spielplatzführers auf www.leipzig.de/freizeit-kultur-und-tourismus/spielplaetze wieder abrufbar sein?” – scheinen mittlerweile wieder da zu sein. Vieles, was beim Relaunch am 30. September verloren ging, muss seitdem aufwändig per Hand wieder verlinkt werden. Erst die Verluste zeigen ja, dass sich auch auf der alten Website schon so einiges an Inhalten angesammelt hatte.

Was wollen die Grünen am 22. Januar noch wissen? – “Welche Inhalte fehlen neben dem Spielplatzführer noch auf der Website der Stadt Leipzig und bis wann werden diese eingepflegt? Warum erfolgte der Relaunch der Website zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht alle bürgerrelevanten Inhalte integriert wurden? Wie werden die Nutzerinnen und Nutzer der Website www.leipzig.de über die noch unvollständigen Inhalte informiert?”

Das ist eine sehr hübsche Frage, die sich anders noch viel schöner liest: Warum gibt es auf der Startseite keine eigene Rubrik, die die Leser über gerade neu eingepflegte Inhalte informiert? Was sicher manche Leser auch in Verästelungen der Stadt-Seite führen würde, wo sie ihr Lebtag noch nie waren.

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