Mit einem zumindest erstaunlichen Thema beschäftigt sich das aktuelle Heft von "Themen + Frequenzen" der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM): Werbung. Ist das ein Medienthema? - Natürlich ist es das. Wenn Medien funktionieren sollen, brauchen sie eine Finanzierung. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. 1. Der Leser zahlt. 2. Unternehmen geben Geld aus für Werbung. 3. Nicht zu vergessen: Der Staat bittet die Bürger mit einer Mediensteuer zur Kasse, fälschlicherweise auch Rundfunkgebühr genannt.

Die ist mittlerweile so üppig, dass die so genannten öffentlich-rechtlichen Sender eigentlich auf Werbung verzichten könnten. Tun sie aber nicht. Denn tatsächlich verdienen sie hier dicke mit. Denn nichts ist so lukrativ in Deutschland wie der Fernsehwerbemarkt. Von den 26,7 Milliarden Euro, die 2013 für Werbung ausgegeben wurden, flossen allein 12 Milliarden ins TV. Zum Vergleich: Online-Werbung erreichte 3 Milliarden Euro Werbeumsatz. 6 Milliarden Euro flossen in gedruckte Werbung, 1,5 Milliarden ins Radio.

Wobei an dieser Stelle der kleine Begriff brutto eingeführt werden muss. Die A. C. Nielsen GmbH erfasst die Bruttoumsätze bei diesen Zahlen. Wieviel von den 27 Milliarden tatsächlich bei den Medienhäusern ankamen, steht da nicht. Ein gut Teil der Gelder bleibt auch schon in den Agenturen hängen, die seit ein paar Jahren regelrecht aufblühen, seit Unternehmen dazu übergegangen sind, ihr eigenes Marketing auszulagern. An schicke Agenturen, die dann “Strategien erarbeiten” und “Kampagnen entwickeln”. Tausende tummeln sich mittlerweile auf diesem Feld. Und verwässern es immer mehr. Deutliche Worte findet Dr. Jochen Kalka, Chefredakteur von “Werben & Verkaufen” (W&V) für das, was da derzeit passiert: “Vorläufig wird Werbung an Bedeutung verlieren. Das liegt daran, dass momentan immer mehr orientierungslose Marketingmanager, billigst von Unternehmen eingekauft, durch die Lande hüpfen und nicht wissen, welche Medien gut sind und welche böse. Und weil sie einfach nicht gut ausgebildet sind.”

Das Ergebnis ist allerorten zu bestaunen: Eine Flut von peinlichster Werbung ohne Ideen, ohne greifbaren Sinn. Hauptsache, der Kunde wird nass. Oder eben der, den man gerade damit erwischt.

Das Kurzinterview mit Jochen Kalka ist im Heft gegenübergestellt mit den Statements zweier Kombattanten, die die Werbung auf “social media” anpreisen. “Soziale Werbung wirkt” hat die Redaktion drüber geschrieben. Dass die Marketingfachfrau wieder das übliche Seminarblabla von sich gibt, fällt erst auf, wenn man ihr Statement liest: “Sobald es jedoch um Endkunden geht, ist Facebook-Werbung auf jeden Fall eine Option, die in Betracht gezogen werden sollte!” So schnell wird ein Statement zur Werbung zur versteckten Werbung.

Und was sagt der benachbarte Marketing-Professor dazu? – Der “return of investment” ist auf Facebook kaum messbar. Sagt er. Da kauft der Kunde, wie er glaubt, billig eine riesige Reichweite ein. Und es nutzt trotzdem nix. Denn das tun die anderen auch. Wer auffallen will, muss auch bei Facebook ganze Kampagnen inszenieren.Im Beitrag “Unendliche Weiten” wird zumindest angedeutet, warum die Werbepreise in diesem Kosmos derart verfallen. Die Kunden bekommen zwar “Zielgruppengenauigkeit”, können “Alter, Geschlecht, Wohnort und Interessen einer Zielgruppe genau festlegen” – Geld zahlen sie dann per Klick. Ein Spiel, bei dem Giganten wie Facebook und Google natürlich die Menge abräumen. Mittlerweile spielen auch andere Anbieter und Medien in diesem Bereich “personalisierter Werbung” mit. Da darf dann auch der Leipziger staunen, warum sein kleines Leipziger Unternehmen um die Ecke plötzlich auf Online-Kanälen diverser Privatfernsehsender oder den Websites von Hamburger oder Berliner Zeitungen auftaucht.

Warum Werbung mittlerweile so völlig sinnfrei passiert, liegt dann wieder an den von Kalka kritisierten “orientierungslosen Marketingmanagern”. Wer nicht wirklich weiß, was und wen er mit einer Werbekampagne tatsächlich erreichen will, der bucht nur noch “Volumen” und “Kontakte”, Masse und Reichweite. Das erzeugt dann auf einigen Medien eine wahre Werbeflut, die den Nutzer nur noch dazu animiert, sich einen guten Werbeblocker zu besorgen. Umfeld und Inhalt passen kaum noch zueinander. Und die Werbeformen werden immer aufdringlicher – es flackert, zappelt, pulsiert, es öffnen sich Fenster – vorne, hinten, oben, unten, … Und aktuell – so stellt der Beitrag “Unendliche Weiten” fest – gilt der Faustspruch. “Die größten Erfolge hinsichtlich der Wirkung erzielen dabei bewegte Bilder.”

Klingt wie etwas Positives. Man zitiert natürlich auch gleich mal eine Werbeagentur namens MediaMind: “Video ist überall – denn Konsumenten mögen Bewegtbild.”

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Aber: Ist denn der Mediennutzer in erster Linie ein Konsument? – Die zunehmende Verwendung von Werbeblockern erzählt das Gegenteil. Und das Video ist nichts anderes als die auf die Spitze getriebene Suche nach der kostbaren Aufmerksamkeit des Nutzers. Mittlerweile flippen Bewegtbilder ja überall auf, wo man die Aufmerksamkeit des Nutzers irgendwie haschen kann. Die Branche hat sich in einen wahren Rüstungswettlauf gestürzt. Und da die Werbekunden bei all dem Geflacker selbst nicht mehr wissen, woran sie sind, zahlen sie bereitwillig ihre 2.500 Euro für einen kitschigen Werbeclip. Und loben dann noch 3.000 Euro dafür aus, dass er in den “Unendlichen Weiten” irgendwo aufmerksamkeitsheischend aufploppt.

Das wird so nicht bleiben, ist sich Jochen Kalka sicher. Was wird künftig eine Rolle spielen? – “Einfache Werbung, die unkompliziert an die Kunden kommt. Der Mensch wird wichtiger. Wer den Menschen sieht und keine hinter Targeting oder Affinitätsindizes versteckten Pappfiguren, der wird gewinnen”, sagt Kalka.

Aber bis dahin wird der Mediennutzer noch viel Müll zu verdauen haben. Nicht nur das immer mehr ausufernde Bewegtbild, sondern auch eine immer massiver betriebene Schleichwerbung. Die spielt derzeit die klassischen Medien so richtig kaputt. Aber dazu kommen wir bei Gelegenheit wieder.

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