Noch ist es ein paar Monate hin bis zum 250. Jubiläum des Hubertusburger Friedens, der den Siebenjährigen Krieg beendete. Aber Kriege enden nicht mit Friedensverträgen, auch wenn einem das die Historiker immer gern so erklären möchten. Sie beginnen auch nicht mit Kriegserklärungen. Sie beginnen mit Wirtschaftsaufträgen. Und sie enden mit Schuldenbergen. Für die Leipziger war das 1762 eng mit dem Namen Gotzkowsky verbunden. Otto Werner Förster hat den Mann trotzdem in seine "Leipziger Kulturköpfe" mit aufgenommen.

Auch wenn er kein Sachse und kein Leipziger war. Und auch wenn ihn die Leipziger 1762 als “geldgierig” beschimpften. Er eignete sich so gut dazu. Ohne ihn hätte Friedrich II. seinen Krieg gegen Österreich und Russland nicht führen können. Er wäre schon frühzeitig zahlungsunfähig gewesen. Kriege sind nur aus Sicht eines Militärs “eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln”. Es ist eines der vielen berühmten Zitate, die gern aus dem Zusammenhang gerissen werden und dann meist einen falschen Sinn ergeben. Auch Carl von Clausewitz hat das in seiner Schrift “Vom Kriege” ein bisschen anders gemeint. Er erklärt das dort sogar sehr schön. Denn Krieg ist das Ergebnis einer Politik, die den (politischen) Gegner zur Erfüllung des eigenen Willens zwingen will. Aus dem scheinbar friedlichen Austausch von Protestnoten und Ultimaten wird auf einmal ein Zustand, in dem beide Seiten nur noch den Knüppel rausholen wollen und ihre Armee mobilisieren.

Im sozialen Leben nennt man das “schwarze Pädagogik”. Wenn alles “gute Zureden” nicht hilft, wird zum Stock gegriffen, zur blanken Gewalt, die so lange eingesetzt wird, bis der Gegner um Gnade winselt oder wirklich halb tot am Boden liegt. So begriff auch Friedrich II. den Krieg. Und bereitete sich lange darauf vor. Unter anderem mit Hilfe des 1710 geborenen Kaufmanns Johann Ernst Gotzkowsky, den er schon 1740 aufforderte, “Künstler und Ouvriers” ins Land zu holen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dazu reiste Gotzkowsky übrigens auch gern zur Messe nach Leipzig, wo er in Auerbachs Hof abstieg.

Friedrich hatte ja das Vorbild seines Vorfahren Friedrich Wilhelm, des “Großen Kurfürsten”, der die Hugenotten nach Berlin brachte, und das seines Vater Friedrich Wilhelm I., der die Holländer nach Potsdam holte. Nur wer Geld in der Kasse hat, weil die Wirtschaft blüht, kann sich eine große Armee leisten und Kriege führen. Krieg ist seit Alters her ein Teil des Wirtschaftslebens, sozusagen die Fortführung der Wirtschaft mit anderen Mitteln.

Gotzkowsky, Hoflieferant mit Juwelen- und Galanteriewaren, half auch mit eigenen Unternehmensinitiativen: 1744 übernahm er eine Samtfabrik, 1753 eine Seidenfabrik, er beschäftigte – für damalige Verhältnisse erstaunlich – 1.500 Personen. 1760 ließ er sich von Friedrich II. bewegen, die 1751 von Wilhelm Caspar Wegely gegründete Berliner Porzellanmanufaktur wieder aufzunehmen. 1762 beschäftigte er dort auch schon 150 Arbeiter. Aber 1762 war sein schwarzes Jahr. Friedrich II. kaufte ihm, als Gotwzkowsky tief in Schwierigkeiten steckte, die Manufaktur ab und machte daraus die Königlich-Preußische Porzellanmanufaktur.Natürlich war Gotzkowsky nicht in Schwierigkeiten geraten, weil er die Bürgschaft für die von Friedrich II. als Geiseln in der Pleißenburg eingesperrten Leipziger Ratsherren und Kaufleute stellte. Nicht nur. Im Winter 1761 / 1762 hatte der preußische König, der sich in Sachsen tummelte, als gehöre ihm das Land, die Ratsherren und Kaufleute eingesperrt, um weitere zwei Kontribitionsforderungen an die Stadt durchzusetzen. Eine hatte er schon 1761 durchgedrückt – anfangs auf 1 Million Taler beziffert, von Gotzkowsky auf 800.000 heruntergehandelt. Dafür bedankte sich der Rat der Stadt Leipzig am 26. Januar 1761 sogar mit einem Dankschreiben.

Aber schon im Winter waren Friedrichs Kassen wieder so leer wie zuvor, der Krieg war nicht entschieden, er brauchte Geld. Kriege überforderten auch im 18. Jahrhundert die Staatshaushalte. Im Fall Preußens um ein Vielfaches. Der Historiker Olaf Groehler beziffert die preußischen Staatseinkünfte von 1763 mit 21,7 Millionen Taler. Der Siebenjährige Krieg kostete allein Preußen aber 139 Millionen Taler. Einen Teil davon halfen die Engländer zu bezahlen mit einer Unterstützung von 27 Millionen Talern. Aber den größten Einzelposten besorgte sich Friedrich in Sachsen: 48 Millionen Taler presste er aus dem Land, allein aus Leipzig insgesamt über 10 Millionen Taler.

Als Sachsen 1764 Kassensturz machte, beliefen sich die Staatsschulden auf 42 Millionen Taler. Darunter waren auch Forderungen von Gotzkowsky in Höhe von 2 Millionen Taler. Er hatte auch für die beiden 1762 von Leipzig erpressten Kontributionen gebürgt.

1762 rief der sächsische König August III. eine “Restaurierungskommission” ins Leben, die das völlig ruinierte und ausgeplünderte Land finanziell wieder konsolidieren sollte. Die Zeit ist als Rétablissement in die Geschichte eingegangen – zumindest in die Wirtschaftsgeschichte. Die meisten Historiker finden große Schlachten und Schlachtereien viel interessanter. Das Kunststück, das die Kommission fertig brachte, war, den Staatshaushalt binnen zehn Jahren wieder gesunden zu lassen und zehn Jahre nach Kriegsende wieder Überschüsse zu erzielen.

Nur zum Vergleich: Die Bundesrepublik Deutschland hat das auch 22 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung nicht geschafft und hatte dazu ungleich bessere Ausgangsbedingungen.Dass sie es nicht geschafft hat, hat logischerweise auch mit falschen Wirtschaftstheorien zu tun. Dass Wirtschaft durchaus theoretisch und praktisch begreifbar war, das wussten die Leipziger nach dem Siebenjährigen Krieg sehr gut. Und es war eine direkte Folge dieses Krieges, dass 1764 – als Sachsen und Leipzig noch tief in den Schulden steckten – an der Universität Leipzig der erste Wirtschaftslehrstuhl eingerichtet wurde: noch ganz nüchtern benannt “Oeconomie und Cameralwissenschaften”. Erster Professor auf dem Lehrstuhl war Daniel Gottfried Schreber. Er war auch Vorsitzender der im gleichen Jahr in Leipzig gegründeten Ökonomischen Gesellschaft (“Oeconomische Societät”). Aber auch die Mitglieder der sächsischen Restaurierungskommission hatten fast alle an der Uni Leipzig studiert.

Gotzkowsky kam 1762 in finanzielle Schwierigkeiten. Auch, weil sein Amsterdamer Geldgeber, das Bankhaus de Neufville, zahlungsunfähig geworden war. Auch das 18. Jahrhundert kannte seine Finanzkrisen. Die von 1762 aber war wohl von keinem anderen ausgelöst worden als von Friedrich II. selbst, der Münzen in großem Stil einschmelzen und unter Zugabe von Nichtedelmetallen neu prägen ließ. Und das tat er nicht nur mit preußischen Talern, sondern auch mit englischem, polnischem, französischem, russischem und niederländischem Münzgeld. Die Gewinne aus den Münzverschlechterungen brachten ihm selbst noch einmal 29 Millionen Taler.

Die Last der Schuldentilgungen und Bürgschaften, die Gotzkowsky übernommen hatte, brachten diesem 1766 den Bankrott ein. 1775 starb er völlig verarmt in Berlin. Die Berliner haben ihn trotzdem nicht vergessen. Und die Leipziger sollten ihn zumindest in besserer Erinnerung behalten als seinen König, an den eine Tafel am Aufgang im Königshaus am Markt erinnert. Denn da stiegen die Potentaten ja alle ab, wenn sie in Leipzig weilten. Neben Friedrich auch diverse sächsische Auguste. Und irgendwie gedenken die Leipziger auch lieber der gekrönten Landverwüster als der Leute, die Handel und Wandel in Gang gebracht haben. Die Friedriche besetzen die Geschichtsbücher – aber die Gotzkowskys sorgen dafür, dass ihnen ihre Armee nicht unterm Hintern weggepfändet wird.

Wikipedia zu Gotzkowsky: http://de.wikipedia.org/wiki/Gotzkowsky

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