Im Dezember feiert Leipzigs Bildermuseum, der Glaswürfel auf dem einstigen Sachsenplatz wird zehn Jahre alt. Dazu gibt es ein Fest. Aber in seinen Archiven arbeitet es schon vorher. Gleich mehrfach in großen Ausstellungen, die das Jahr 2014 prägen. Gleich die erste zeigt einen Schatz, dem was fehlt: "Es drängt sich alles zur Landschaft ...".

So schrieb der Maler Philipp Otto Runge im Jahr 1802 und gab damit der starken Anziehungskraft der Landschaft auf viele Künstler um 1800 Ausdruck.

Die Ausstellung präsentiert ein zentrales Thema der Kunst des 19. Jahrhunderts mit Werken aus den eigenen Sammlungen des Leipziger Museums. Die Besucher erwarten spannende Fundstücke aus dem Gemäldemagazin, von denen einige für die Ausstellung restauriert wurden, sowie Glanzstücke der Graphischen Sammlung. Über 40 Zeichnungen und 80 Gemälde machen die unterschiedlichen Landschaftsauffassungen des 19. Jahrhunderts in Deutschland – vom Klassizismus und der Romantik über den Realismus bis hin zur Freilichtmalerei – anschaulich.

Die Schau wird aber auch zeigen, wie stark der Kunstgeschmack des Leipziger Bürgertums die Sammlung prägt. Denn die Bilder sind zwar alle aus der Sammlung des Museums und stammen fast alle aus privaten Spenden. Aber die modernen Kunstentwicklungen des 19. Jahrhunderts fehlen. “Der ganze Impressionismus taucht in den Sammlungen des Museums erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts auf”, erzählt Direktor Hans-Werner Schmidt. Und damit ein halbes Jahrhundert, nachdem der neue Malstil den Westen Europas schon in Faszination versetzt hatte.Nicht der einzige Punkt, an dem Leipzigs stiftungsfreudiges Bürgertum sich modernen Entwicklungen konsequent verweigerte. Das Ergebnis ist natürlich eine Sammlung von Landschaftskunst, die auf ihre Weise wieder geschlossen und mustergültig ist und eine Menge über das Verhältnis der Sammler zur Kunst, zur Landschaft und zur Natur verrät. Da wirkt eine Menge Romantik und Verklärung. Was auf seine Art natürlich auch wieder sehr modern wirkt.

Der Leipziger Kunstverein, aus dessen Mitte das Museum der bildenden Künste Leipzig gegründet wurde, erwarb im Laufe des 19. Jahrhunderts zahlreiche zeitgenössische Landschaftsdarstellungen. Auch bei privaten Sammlern, die durch Stiftungen und Schenkungen den Bestand des Museums erweiterten, war die Landschaftsmalerei in dieser Zeit sehr beliebt.

Die Ausstellung gibt eben auch Einblick in die Geschmackswelt des Leipziger Bürgertums des 19. Jahrhunderts, betont Kurator Dr. Frédéric Bußman. Und umreißt den durchaus diffizilen Zugang zu diesem Sammlungsgut: In der Landschaftsmalerei wurde der humanistische Bildungskanon ebenso verhandelt wie ein neues wissenschaftliches Weltbild. Sie war Sehnsuchtsort, in dem Seelenzustände Ausdruck finden, oder Abbild eines vermeintlich ungetrübten Blickes auf die Wirklichkeit. Sie war für die Feldversuche der künstlerischen Selbstbehauptung auf dem Weg zur Moderne am besten geeignet, da sie nicht im gleichen Maße wie etwa die Historienmalerei den Konventionen einer göttlichen Weltordnung verbunden war und eine größere Freiheit erlaubte.

Andererseits schuf sie neue Konventionen. Und sie bediente den spürbaren Hang des deutschen Bürgertums zur Welt-Flucht. Einer zunehmend als dissonant empfundenen Lebens- und Arbeitswelt wurde die idealisierte Landschaft als Ganzheits-Ersatz entgegen gesetzt. Bei manchen dieser Maler fast märchenhaft idyllisierend, wenn man etwa an Adrian Ludwig Richter, Julius Schnorr von Carolsfeld, Carl Spitzweg oder Carl Gustav Carus denkt, die in der Ausstellung genauso zu sehen sein werden wie jene Vertreter der mythologisierten Landschaft wie Arnold Böcklin.

Diese Bilderflut der verklärten Landschaften wird zumindest eine kleine Präsentation ausgewählter zeitgenössischer Arbeiten aus dem eigenen Bestand des Bildermuseums gegenüber gestellt, in denen sich Künstlerinnen und Künstler mit dem Thema “Landschaft” auch in unterschiedlichen Medien auseinandersetzen.

Die Ausstellung ist gleichzeitig Auftakt für die restauratorischen und wissenschaftlichen Arbeiten an einem Bestandskatalog “Gemälde des 19. Jahrhunderts” unter der Herausgeberschaft der Maximilian Speck von Sternburg Stiftung.

Gezeigt wird diese große Leipziger Landschaftsausstellung im Leipziger Bildermuseum vom 9. März bis zum 22. Juni.

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