Bis zum 11. November war die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig noch wegen Umbauarbeiten geschlossen. Aber am 12. November öffnete sie wieder – diesmal mit einer Interims-Ausstellung mit dem Titel „Im Provisorium. NS-Zwangsarbeit in Leipzig und beim Rüstungskonzern HASAG“.

Anlässlich ihres 15-jährigen Bestehens eröffnete die Gedenkstätte eine Interims-Ausstellung mit dem Titel „Im Provisorium. NS-Zwangsarbeit in Leipzig und beim Rüstungskonzern HASAG“. Sie präsentiert markante Sammlungsgegenstände und Fotografien im Kontext des mittlerweile gewachsenen Forschungsstandes. Viele der gezeigten Dokumente und Objekte werden damit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Interims-Ausstellung soll bis zu einer grundlegenden Neukonzeption der Dauerausstellung in der Gedenkstätte zu sehen sein.

Die Leipziger Gedenkstätte auf dem ehemaligen Hauptsitz des Rüstungskonzerns Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft (HASAG) war deutschlandweit die erste Institution, die sich dem Schicksal der Zwangsarbeiter_innen im NS-Deutschland widmete. Vor 15 Jahren stellte der Aufbau und die Gründung eines solchen Erinnerungsortes ein Novum dar.

Zur Ausstellungseröffnung ließ Hannes Schneider, Vorsitzender des Fördervereins Dr.-Margarete-Blank e.V.,  die Geschichte der Gedenkstätte Revue passieren. Er hob dabei die Verdienste der im Jahr 2011 verstorbenen Gründerin und langjährigen Vorsitzenden des Fördervereins, Charlotte Zeitschel, hervor. Ohne ihre Energie wäre der Aufbau eines so einmaligen Begegnungsortes für ehemalige Zwangsarbeiter_innen und deren Angehörige nicht möglich gewesen. Dass sich die Gedenkstätte darüber hinaus zu einer festen Institution in der Leipziger Kultur- und Erinnerungslandschaft entwickelt hat, sei dem großen Engagement von Mitarbeiter_innen und Ehrenamtlichen zu verdanken sowie den drei größten Förderern der Gedenkstätte: dem Leipziger Kulturamt, der Stiftung sächsische Gedenkstätten sowie dem UfZ. Abschließend betonte Hannes Schneider: „Das rassistische Klima in Sachsen macht Orte wie die Gedenkstätte für Zwangsarbeit notwendig“.

Zwangsarbeiter_innen der HASAG bei der Fertigung der „Panzerfaust“, 1943/44. Foto: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig / Maria Caroli
Zwangsarbeiter_innen der HASAG bei der Fertigung der „Panzerfaust“, 1943/44. Foto: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig / Maria Caroli

Auch Professor Heike Grassmann, administrative Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UfZ), ging in ihrer Ansprache auf die Bedeutung des aktiven Erinnerns an den Nationalsozialismus ein. Dieser Aspekt der Vergangenheit müsse, so Grassmann, auch zukünftigen Generationen vermittelt werden. Dass sich immer wieder Menschen um das Bewahren der Erinnerung an den Nationalsozialismus bemühen, zeige das Beispiel des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Dr. Christian Jonas. Er rief Anfang der 2000er Mitarbeiter_innen des UfZ zu Spenden auf und trug so maßgeblich zum Aufbau der Gedenkstätte bei.

Einführende Worte zur Ausstellungskonzeption sprach Martin Clemens Winter, der für Planung und Konzeption der neuen Ausstellung verantwortlich war. Er erläuterte den Titel „Im Provisorium“: demnach soll die Interimsausstellung bis zur grundlegenden Neukonzeption der Dauerausstellung zu sehen sein. Ihr provisorischer Charakter reflektiert die häufig improvisierten und notdürftigen Strukturen des Einsatzes von Zwangsarbeiter_innen. Dieser Zugang stehe zugleich für die Offenheit und Unabgeschlossenheit des Themas aus heutiger Perspektive.

Zur Eröffnung sprach auch Stef Beumkes, Sohn eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Er war extra aus den Niederlanden angereist und überreichte der Gedenkstätte ein deutsch-niederländisches Wörterbuch, das seinem Vater gehört hatte.

Öffnungszeiten der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig: Dienstag bis Donnerstag 10 Uhr -18 Uhr (oder nach Vereinbarung)

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