Am 4. September entfachte die LVZ einen Streit erneut, der 2016 mühsam befriedet worden war. Damals ging es um die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal und den auch im Stadtrat ausgetragenen Streit um diesen Saal zwischen Schulmuseum und „Runder Ecke“. Da wurde auch die Ausstellung „STASI – Macht und Banalität“ im Museum in der Runden Ecke thematisiert.

Ein Streit, der nicht mit dem Beschluss endete, die ja tatsächlich etwas in die Jahre gekommene Ausstellung nach heutigen wissenschaftlichen Standards zu überarbeiten. Die LVZ nutzte die Gelegenheit für einen persönlichen Angriff auf Tobias Hollitzer, den Leiter des Museums. Einen Angriff, auf den das Bürgerkomitee Leipzig e. V. mit einer fünfseitigen Richtigstellung reagierte.

Die Richtigstellung wurde deshalb so lang, weil sich die Mitglieder des Bürgerkomitees, das offiziell Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ ist, detailliert mit den Behauptungen aus dem LVZ-Artikel „Schwerwiegende Probleme“ beschäftigten. Denn die Antworten, die der LVZ-Redakteur für seinen Artikel bekommen hatte, stammten teilweise direkt aus dem Bürgerkomitee. Und das sieht jetzt etliche Aussagen deutlich verdreht. Bis hin zu den finanziellen Angaben, die suggerieren, Tobias Hollitzer als Leiter des Museums sei unverantwortlich mit den Fördergeldern umgegangen.

„Da diese Unterstellung eines angeblichen Missverhältnisses zwischen der Höhe der Förderung auf der einen und den Ergebnissen der Gedenkstättenarbeit auf der anderen Seite dem LVZ-Redakteur offenbar noch nicht groß genug waren, schreibt Mark Daniel von weiteren Millionen, die dem Verein angeblich zugeflossen wären und die Herr Hollitzer unterschlagen hätte, wenn er feststellt, dass die ,Gedenkstätte für ihre vielfältigen Aufgaben und die umfangreichen Arbeitsergebnisse deutlich zu wenig Förderung erhält‘“, heißt es in der Richtigstellung.

„Auch wenn Herr Daniel schreibt, ,entsprechende Dokumente liegen der Redaktion vor‘, solche Dokumente kann es nicht geben, denn weder der behauptete Betrag von angeblich 5 Millionen aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR für ,Umbau, Neugestaltung und Restaurierung musealer Räumlichkeiten‘ im Jahr 2018 noch der von 1,75 Millionen Euro für ,Sanierung und Restaurierung des Gebäudes sowie Erarbeitung einer Dauerausstellung‘ im Zeitraum von 2013 bis 2016 sind jemals bewilligt worden und erst recht nicht geflossen. Einzig ein Betrag von 1,042 Mill. Euro sind dem Bürgerkomitee für den Zeitraum 2018 bis 2021 für das zusätzliche Projekt ,Umbau, Neugestaltung und Restaurierung musealer Räumlichkeiten‘ in Aussicht gestellt worden.“

Aber gerade dieses Projekt hängt direkt mit dem Planungsfortschritt beim „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ zusammen, das nach Willen der Stadt auf dem Matthäikirchhof entstehen soll.

Auch der alte Streit um die Ausstellung im Stasi-Kinosaal wurde noch einmal aufgewärmt. Stadt und Bürgerkomitee haben tatsächlich nach einem Ausweichstandort für die Ausstellung gesucht – aber bis zum vereinbarten Zeitpunkt im März 2019 nicht wirklich einen gefunden, weshalb die Vereinbarung mit OBM Burkhard Jung griff, dass die Ausstellung vorerst im alten Kinosaal verbleiben soll. Wofür das Bürgerkomitee sogar 20.000 Euro Miete zahle. Von einer Okkupation könne keine Rede sein.

Der OBM selbst hatte das ehemalige Stadtbüro an der Katharinenstraße 2 als Ausweichstandort vorgeschlagen – aber die Variante aus Kostengründen dann wieder zurückgenommen.

Und wie ist es mit der Ausstellung „STASI – Macht und Banalität“, die gerade das Gutachten von Rainer Eckert, des vormaligen Direktors des Zeitgeschichtlichen Forums, so gründlich verriss? Das scheinen andere Experten auf dem Gebiet durchaus anders zu sehen – und selbst die Besucher der Ausstellung, die dazu befragt wurden. Sie honorierten sogar, dass das alte und beklemmende Stasi-Flair in der Ausstellung sehr gut herüberkäme. Im LVZ-Artikel wird – mit Berufung auf Rainer Eckerts Gutachten – behauptet, das Museum in der „Runden Ecke“ habe „schwerwiegende restauratorische Probleme“.

Aber so steht es nicht mal in Eckerts Gutachten, aus dem die die Richtigstellung direkt zitiert: „Die Dauerausstellung in der ,Runden Ecke‘ wird seit 26 Jahren in authentischer Umgebung präsentiert, der Linoleumfußboden, die Scherengitter an den Fenstern, Überwachungskameras und der charakteristische Muff der Arbeitszimmer sind erhalten. Das macht zum einen den besonderen Reiz der Ausstellung aus, bringt aber mit voranschreitender Zeit erhebliche restauratorische Defizite mit sich. An einer Lösung arbeitet das Bürgerkomitee bereits seit einigen Jahren und sammelt auch Objekte für diese Überarbeitung. Hier ist zum einen der authentische Ort zu erhalten, zum anderen sind die schwerwiegenden restauratorischen Probleme zu lösen.“

War aber nicht 2016 beschlossen worden, ein „Mittelfristiges Entwicklungskonzept“ für das Museum vorzulegen? Das existiere sogar, bestätigt der Leserbrief, dem Kulturamt wurde es schon 2016 vorgestellt. „In Absprache mit dem Kulturamt wurde dieses Konzept auch durch die Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten geprüft und der Stiftungsrat hat auf seiner 54. Sitzung am 5. 11. 2018 ,die grundsätzliche Umsetzung‘ empfohlen.“ Die Stadt Leipzig hat das Konzept sogar ausdrücklich ins „Integrierte Stadtentwicklungskonzept“ (INSEK) übernommen.

„Es gibt also sehr wohl ein mit den Zuwendungsgebern abgestimmtes Entwicklungskonzept der Gedenkstätte Museum in der ,Runden Ecke‘, das auch eine Grundlage der jährlichen institutionellen Förderung ist. Zusätzlich müssen jedes Jahr neben den Wirtschaftsplänen auch umfangreiche Konzepte zu den im jeweiligen Jahr geplanten Arbeiten eingereicht werden, die dann die Grundlage für die Bewilligung der Förderung werden. Anders fließt kein Geld.“

Verständlich, dass sich das Bürgerkomitee selbst angegriffen fühlt. Denn Tobias Hollitzer mag im Umgang ein schwieriger Mensch sein. Aber er kann nicht wirklich alle Entscheidungen in der „Runden Ecke“ allein treffen – und schon gar nicht am Träger des Museums, dem Bürgerkomitee vorbei. Und auch nicht gegen die Geldgeber von Stadt Leipzig und Freistaat.

Und zu Recht fragen die Autoren der Richtigstellung Jürgen Wenge, Reinhard Bohse, Siegfried Mühlmann und Hermann Göthel auch, welche konkrete Kritik es an der Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ gibt. „Es erschöpfte sich bisher immer nur in allgemeinen, nicht näher begründeten, Forderungen nach Überarbeitung.“

Die Sache ist also deutlich vielschichtiger, als in der LVZ dargestellt. Und vieles, was im frohlockenden Zeitungston immer ganz schnell schon als „morgen gleich fertig“ verkauft wird, dauert meist Jahre – allein schon in den Beratungen der unterschiedlichen Gremien und den Entscheidungen der Geldgeber. Und nicht immer ist es nur ein einzelner Museumsleiter, der alles allein verantwortet, sondern – wie auch hier – meist ein ganzes System unterschiedlicher Gremien, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

Kuddelmuddel um die „Runde Ecke“

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Es gibt 4 Kommentare

“Denn Tobias Hollitzer mag im Umgang ein schwieriger Mensch sein.” Da kommen einem ja fast die Tränen. Hat denn niemand in Ihrer Redaktion den offenen Brief seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelesen? Seit Jahren führt der Bürgerkomitee e.V. die Stadt am Nasenring durch die Manege. Immer neue Forderungen, Erpressungen und Ausflüchte. Es ist doch bezeichnend: Auf einen nüchternen LVZ-Artikel reagiert der Verein mit 5 Seiten Gegendarstellung. Da hat die LVZ offenbar ausnahmsweise genau ins Schwarze getroffen. Dass ihr – liebe L-IZ-Redaktion – diese endlose Auflistung von Rechtfertigungen und Ausflüchten, peinlichem Selbstlob einfach so abdruckt, finde ich wirklich schwach.

Was hat es mit journalistischer Arbeit zu tun, die Erklärung des Bürgerkomitees hier völlig unkritisch und offensichtlich ohne zusätzliche Recherchen einfach abzudrucken? Ich finde das sehr enttäuschend! Da mutet die Aussage “Die Sache ist also deutlich vielschichtiger, als in der LVZ dargestellt” makaber an! Während die LVZ einen breit und faktenreich recherchierten Artikel präsentiert hat, wird Ihr Artikel “der Sache” nun überhaupt nicht gerecht. Mit journalistischer Arbeit hat das nichts zu tun!
Wie können Sie allen erstes behaupten Herr Hollitzer “kann nicht wirklich alle Entscheidungen in der Runden Ecke allein treffen – und schon gar nicht am Träger des Museums, dem Bürgerkomitee vorbei”?? Wissen Sie nicht, dass Herr Hollitzer sowohl Leiter des Museums als auch Mitglied im Vorstand des Bürgerkomitees ist? Er ist damit Angestellter des Vereins, den er selbst mit leitet. Das allein ist doch ein Ding der Unmöglichkeit.
Übrigens behauptet die LVZ an keiner Stelle, dass das Bürgerkomitee irgendwelche Fördermittel veruntreut. Die Zeitung wirft nur völlig zurecht die Frage auf, warum sich seit Jahren dort nichts bewegt, obwohl so viel öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Wie für viele, die 1989 in Leipzig auf der Straße waren, ist es sehr wichtig, dass die Verhältnisse in dem aktuell nur als gruselig zu bezeichnenden „Museum in der Runden Ecke“, um das Bürgerkomitee und den Museumsleiter Hollitzer an die Öffentlichkeit kommen.
Es wird immer klarer, dass der Verein mit der dringend notwendigen Weiterentwicklung völlig überfordert ist. Es wird nur nach Geld gerufen, obwohl ja die öffentliche Finanzierung immens ist. Als Steuerzahler würde ich gern wissen, was mit diesem Geld geschieht. Hier sollten Sie kritisch nachfragen.

Salopp formuliert: Die Ausstellung entspricht nicht dem, was man von einer Ausstellung erwartet. Die Ausstellung müsste eigentlich so wie sie ist eingemottet werden um mal irgendwann zeigen zu können, wie man mit der Problematik Anfang der 1990er Jahre umging.
Eine Ausstellung bedarf einer pädagogischen und wissenschaftlichen Bearbeitung – beides fehlt. Als ich da vor mehr als 10 Jahren drin war, war ich weniger vom Inhalt als mehr von der Ausstellung selbst schockiert. So was kann man heute niemandem mehr anbieten und das hat auch der Stadtrat und die Stadtverwaltung vor langem schon erkannt.
Fragt sich, wann die alten Männer des Komitees das erkennen oder ob man erst warten muss, bis die Zeitzeugen verstorben sind, bis man eine Ausstellung für das Publikum und nicht für die Zeitzeugen bekommt.

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