Hollywood beschäftigt sich mit dem Ausbruch von Aids im konservativen Amerika der 80er Jahre. Die Diagnose bedeutete den sicheren Tod binnen kürzester Zeit. Wirksame Medikamente waren nicht verfügbar. Betroffene erfuhren nicht selten soziale Diskriminierung. Das exzellent inszenierte Drama "Dallas Buyers Club" trägt einen Teil zur Aufarbeitung dieser dunklen Jahre bei.

Dallas, Juli 1985: Rodeo-Reiter Ron Woodroof (Matthew McConaughey) hält sich für unverwüstlich. Bis er nach einer Schlägerei im Krankenhaus landet. Dort stellen die Ärzte fest, dass der 36-Jährige an Aids erkrankt ist. Medikamente, die den Krankheitsverlauf beeinflussen könnten, sind in den Vereinigten Staaten noch nicht auf dem Markt. Die Ärzte schicken den Todkranken nach Hause. Ihm würden 30 Tage bleiben, um seine Angelegenheiten zu regeln.

Der konservative Texaner gibt nicht klein bei. Erst blendet er die Diagnose aus. Er sei schließlich nicht schwul. Also könne er doch gar nicht an Aids leiden. Oder etwa doch? Woodroof kämpft. Erst gegen seinen homophoben Freundeskreis. Er verliert Job, Heim und soziale Kontakte. Dann gegen die Pharma-Industrie. Er reist nach Mexiko, wo Medikamente erhältlich sind, die in den USA nicht verkauft werden dürfen.

Der Cowboy, nur noch Schatten seiner selbst, beginnt die Arzneien illegal ins Land zu schmuggeln. Unterstützt wird er von dem Transvestiten Rayon (Jared Leto) und – nach anfänglichen Zweifeln – von Ärztin Eve Saks (Jennifer Garner).

Woodroof und Rayon gründen den “Dallas Buyers Club”. Einen “Verein”, der seinen Mitgliedern gegen hohe Gebühren Zugang zu den symptomlindernden Substanzen verschafft. Die Erlöse fließen in Woodroofs Portemonnaie.
Die Praxis verstößt nicht nur gegen amerikanisches Recht, sondern auch gegen die Interessen der Pharma-Unternehmen, die für klinische Studien und wirkungslose Medikamenten horrende Summen kassieren.

Der Kanadier Jean-Marc Vallée erschafft mit “Dallas Buyers Club” ganz großes Kino. Der Film ist aufwühlend, berührend, sozialkritisch und hochgradig politisch. Der Regisseur transportiert dem Zuschauer die Verzweiflung, Trauer und Perspektivlosigkeit, die der positive HIV-Test in den Achtzigern bedeutete.

Vallée beschönigt nichts. Hauptdarsteller Matthew McConaghey musste 30 Pfund abspecken, um plausibel einen abgemagerten Aids-Kranken zu verkörpern, der kurz vor dem Exitus steht. Mager, zerbrechlich, verletzbar, aber mit viel texanischem Stolz, Maskulinität und Selbstbewusstsein. Für den 44-Jährigen mithin die bislang beste Performance seiner Karriere. Oscarreif auch Jared Leto als transsexueller Infizierter.

Beide Figuren treibt einerseits die Sehnsucht nach einem längeren Leben, andererseits aber auch der schnöde Mammon an. Warum aus dem eigenen Schicksal, dass auch das Schicksal tausender Anderer ist, nicht ein wenig Kapital schlagen?
Jennifer Garner ist deshalb anfangs nur im Weg. Reichlich unbeholfen spielt sie Woodroofs schlechtes Gewissen, dass nach und nach vor den medizinischen Erfolgen der Zockerei mit unerforschten Substanzen, Gesundheitsbehörde und Gerichten kapituliert.

Vallée charakterisiert Woodroofs Handeln filmisch als einen (zunächst) nicht enden wollenden Exzess aus hemmungsloser Drogensucht, Rauscherfahrungen und purer Geldgier. Ärztin Saks kritisiert in einer frühen Szene, dass der Vertreter der Pharmazie-Firma mit der Rolex am Handgelenk in die Klinik spaziert ist. Später stört sie nicht, dass der Elektriker Woodroof, eingangs bettelarm, seinen hochwertigen Goldschmuck unverblümt zur Schau trägt. “So ist das Geschäft”, sagt ihr Vorgesetzter.

Am Ende widersetzt sich die Medizinerin zwar ihren konventionellen Kollegen, beugt sich aber den Gesetzen des Pharma-Marktes, die von Anbeginn in Woodroofs “Verein” gegolten haben. Als die Behörden den “Dallas Buyers Club” letzten Endes zerschlagen, führt der Geschäftsmann den Laden längst wie ein eigenes kleines kapitalistisches Unternehmen.

Sein anfänglicher Idealismus bleibt flugs auf der Strecke, als er das kommerzielle Potenzial der mexikanischen Wundermittel erkennt. So gesehen zeichnet Vallée ein höchst differenziertes Bild von Woodroof, ohne zu bewerten. Der Zuschauer soll sich seine eigene Meinung bilden. Das ist großartiges Kino. Nebenher dekonstruiert der Regisseur das Bild des heroischen Texaners, den das Publikum aus zig Western-Streifen kennt.

Der fiktionale Ron Woodroow überlebt die Film-Handlung. Der Echte wird das Werk nie zu Gesicht bekommen. Er verstarb am 12. September 1992 an den Folgen von Aids. Sechs Jahre nach der Diagnose.

USA 2013, R: Matthew McConaughey, Jennifer Garner, Jared Leto, 117 min, FSK 12.

Filmstart ist der 6. Februar, zu sehen in den Passage Kinos und in der Schauburg.

Die Seite zum Film:
www.dallasbuyersclub.de

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