2024 jährte sich Kafkas Todestag zum 100. Mal. Aber damit ist sein Wirken nicht abgehakt. Im Gegenteil: Er hat uns noch eine Menge über unsere eigene Gegenwart zu sagen. Am Donnerstag, dem 6. Februar, gibt es gleich die nächste Kafka-Veranstaltung im Grünen Salon der Schaubühne Lindenfels. Kafka-Spezialist Peter-André Alt referiert über verschiedene Formen von Kafkas kinematografischem Erzählen. Im Anschluss an seinem Vortrag ist der Film „Der Andere“ von 1913 in einer viragierten Fassung zu erleben, den schon Franz Kafka im Kino gesehen hatte.
Das Werk, als erster deutscher Autorenfilm bezeichnet, stammt aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung.
Franz Kafkas (1883–1924) Geschichten leben aus den grotesken Bildfolgen und Übertreibungen des frühen Kinos, die hier literarisch verdichtet wiederkehren: im Rhythmus des großstädtischen Verkehrs, in Verfolgungsjagden und Doppelgänger-Szenen, in Verbrechen und Pathos, in den Gebärden der Angst und den Schattenspielen des Schreckens. Peter-André Alts Vortrag bietet eine Vielzahl überraschender Entdeckungen, die Kafkas Texte als Muster filmischen Erzählens in völlig neues Licht rücken.
Dass Kafka ein passionierter Kinogänger war, dokumentieren seine Briefe und Tagebücher. Bisher hat man jedoch übersehen, wie stark auch seine literarische Arbeit durch die Wahrnehmungs- und Darstellungsformen des Films bestimmt wurde. Der Vortrag zeigt verschiedene Formen von Kafkas kinematografischem Erzählen, die in den Techniken der Bildverknüpfung, der Verwendung konkreter Motive, den Sehperspektiven, der Körpersprache der Figuren und den dramaturgischen Mustern seiner Geschichten zutage treten.
So erschließt sich ein verblüffendes Panorama literarischer Muster, in denen Kafka die Bewegungsfolgen und Kameraeinstellungen, die Stoffe und die Mythen des frühen Kinos adaptiert. Die Studie präsentiert zahlreiche Funde und Beobachtungen, die den großen Klassiker der Moderne besser als zuvor verständlich machen.
„Der Andere“ (Deutschland 1913 von Max Mack, 77 min, dt. Zwischentitel, viragiert)
Der Rechtsanwalt Dr. Hallers vertritt Straftäter mit Persönlichkeitsstörungen. Doch nach einem Sturz leidet er selbst unter einer Bewusstseinsveränderung und verwandelt sich in den Anderen. Sein Alter Ego durchstreift nun die Berliner Halbwelt …
„Der Andere“ von Max Mack wurde als erster deutscher Autorenfilm bezeichnet. Auch verhalf Mack mit seinem Werk dem jungen Medium zu mehr Ansehen in der kulturell anspruchsvollen Mittelschicht. Neben dem Theaterdramaturgen Paul Lindau konnte Mack den renommierten Bühnendarsteller Albert Bassermann für die Hauptrolle gewinnen.
Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts sowie der klassische Moderne (1890-1930). Über Franz Kafka hat er eine viel beachtete Biografie (Franz Kafka, Der ewige Sohn) veröffentlicht, die 2024 ihre vierte Auflage erlebte (Verlag C.H.Beck München). 2009 erschien: Kafka und der Film. Über kinematografisches Erzählen (Verlag C.H.Beck München).
„Franz Kafka und der Film“: Donnerstag, 6. Februar, 19.30 Uhr im Grünen Salon der Schaubühne. Tickets in der Schaubühne, online über www.schaubuehne.com und an allen Reservix-VVK-Stellen: 9/7 (erm.) Euro.
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