Als Fahrer sitzt er in Leipzig ohnehin immer ganz vorne. Dass er weltweit auch der Mann auf dem ersten Platz ist, bewies er jetzt in Wien bei der „Tram World Championship“, der diesjährigen Tram-WM, ausgerichtet in der österreichischen Hauptstadt. Fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer traten bei diesem Wettbewerb gegeneinander an. Am Ende entschied Thomas Langkopf von den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) den Contest für sich.
Fahrerinnen und Fahrer aus sechs Kontinenten sind nach Wien gekommen. Nur die Antarktis hatte es nicht geschafft, pünktlich einen Kandidaten anzumelden. Sie kamen, um zu fahren, um zu bremsen, um Wasserkübel zu transportieren und um alle Pins beim Tram-Bowling zu treffen.

Die Welt fährt Bahn in Wien
Nordamerika entsandte ein Team aus San Diego, Südamerika eins aus Rio de Janeiro. Melbourne vertrat Australien. Erstmals dabei sind Fahrer aus Hongkong und Lettland.
Auch Europa stellt starke Teams: Paris, Stockholm, Florenz und Kyjiv werfen die Bügel an die Stromleitungen. Brüssel, Dublin und Rotterdam sind vertreten. Deutschland und Finnland gingen mit zwei Teams auf die Gleise: Berlin, Leipzig, Tampere und Helsinki. Dass es in Casablanca nicht nur „Rick’s Café Americain“ und Humphrey Bogart gibt, machte die Kandidatur aus Marokko deutlich.
Den Wettbewerb der Mannschaften entschied das österreichische Team als Heimsieg für sich. Deutschand rangierte sich auf Platz 7. Beim Ringen um den Weltmeistertitel “BESTER FAHRER” trat dann aber der Leipziger am genauesten auf die Bremse und sicherte sich den Pokal.

Bimmelfahrer als Präzisionskünstler
Viele Leipziger nennen ihre Straßenbahn noch immer liebevoll „de Bimml“. Eine Erinnerung an ihr unnachahmliches Abfahrtssignal. Dass sie aber eigentlich ein Schweizer Messer ist, mussten die Konkurrenten nun in Österreich unter Beweis stellen. Eine Auswahl dessen, was die Bahn hergeben muss:
1. Stop & Go
Sanftes Anfahren und Bremsen ist nicht nur bei den Fahrgästen beliebt: An der Front der Straßenbahn ist ein Wasserbehälter montiert. An drei definierten Haltepunkten wird überprüft, wie präzise beschleunigt und gestoppt wurde.
2. Geschwindigkeit
Der Tacho ist überklebt, die 25 km/h über eine Strecke von 20 Metern müssen intuitiv gehalten werden.
3. Bremsen
Anhalten auf einer Bodenplatte mit Zentimetermaß.
4. TRAM-Bowling
Der Publikumsliebling der Weltmeisterschaft. Eine große Kugel wird mit der Bahn angestoßen, es müssen Pins (mit Luft gefüllte Säulen) getroffen werden.
5. Curling
Eine Draisine wird von der Straßenbahn angeschoben und beschleunigt. Wenn die Bahn stoppt, rollt die Draisine weiter und muss in einem markierten Zielbereich zum Stehen kommen.

Straßenbahn und Toleranz
„Neben einem spannenden Tram-Wettbewerb bleibt auch Zeit für Austausch und Vernetzung über die Grenzen Europas hinaus.“ Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) legt Wert auf Internationalität und Miteinander.
Doch mit dem Miteinander klappt’s bekanntermaßen nicht immer so gut. Oft blockieren Autos die Weiterfahrt. Bei diesem Problem liegt Wien weiter vorn als Leipzig. Denn dort gibt es das Knöllchen für´s „Im Weg stehen“ direkt aus der Fahrerkabine der Straßenbahn. Die in Wien übrigens „Bim“ heißt. Und damit gar nicht so weit von der Leipziger „Bimml“ entfernt ist. Gebimmelt wird in beiden Städten allerdings auch nur noch in historischen Zügen. Oder vor einer Vollbremsung…

Jubel nach Rückkehr in Leipzig
Eigentlich wollte der 56-jährige Thomas Langkopf nach all der Aufregung entspannt in den Urlaub fahren. Daraus wurde aber erst einmal nichts. Denn vor der verdienten Auszeit gab es noch einen großen (Straßen)Bahnhof für den Champion. Blumen, Geschenke – und jede Menge Interviews und Fotos im Depot Angerbrücke.
Über zehn Jahre schon fährt Langkopf seine Straßenbahn durch Leipzig. Und das auch mit lokaler Beachtung. So würdigt die Personalgeschäftsführerin der LVB, Katrin Lukas, während der Pressekonferenz ausdrücklich die Leidenschaft und Kollegialität des Siegers.
Angst vor der plötzlichen Bekanntheit hat der Weltmeister nicht. Vielmehr glaubt er, dass es Fahrgäste freuen wird, wenn sie ihn beim Einsteigen erkennen und ihren Weg mit ihm zurücklegen.
Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag wurde am 15. und 17. September inhaltlich aktualisiert und durch eine Fotogalerie ergänzt.
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