Tanner traf die Echoes & Dust Bunnies bei einem Festival in der Heilandskirche und war begeistert. Ein großer Mann sang und spielte und zwei andere Männer machten ihm den Teppich. Seine Stimme variierte fulminant. Und die Texte bewegten in Tanners Innerem sein lyrisches Ich. Also brauchte es ein Interview. Logischerweise. Hier ist es …

Hallo Patrice Lipeb. Du bist der große Mann im Vorderfeld von Echoes & Dust Bunnies – und ich durfte euch letztens beim GEKO-Festival erleben. Das war schon echt der Hammer. Wo hast Du denn diese Stimmvariationen gelernt?

Hey, vielen Dank für das Kompliment. Ich habe das GEKO-Festival noch in guter Erinnerung. Es war wirklich eine große Ehre für uns, zu einer Benefiz-Veranstaltung für Syrische Flüchtlinge eingeladen zu werden und damit die Möglichkeit zu bekommen, klar politisch Stellung zu beziehen. Zum Glück war das Festival mit über 500 Leuten sehr gut besucht und es war sehr schön für uns zu sehen, dass sich in Leipzig dieser Tage noch ohne weiteres Großveranstaltungen abseits von LEGIDAHETZE organisieren lassen.

An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an Sebastian Hofmann und allen Beteiligten für die Organisation des GEKO-Festivals. Wir finden es toll, dass die Menschen ihre Stimme in diesem ganzen medialen Wahnsinn erheben und durch den Besuch einer Benefiz-Veranstaltung, einer Kundgebung oder einer Demonstration ein Zeichen setzen. Der tatsächliche Effekt sei einmal dahin gestellt – ich bin auch kein Idealist oder so.

Wie meinst Du das?

Ich bewundere einfach, wenn sich Menschen für Menschen in Not engagieren und kann nur jeden beglückwünschen, der dazu die Kraft findet. Mir ist es leider nur auf der Bühne möglich, meine Stimme zu erheben und zu zeigen, wie es in mir aussieht. Was dabei herauskommt, ist am Ende meistens ein lauter Verzweiflungsschrei.

Das Interessante ist für mich dabei, dass die Modulationen oder der Wahnsinn, der in meine Stimme fährt, nichts ist, was ich steuern könnte, sondern etwas ist, was mir geschieht. Nach einem Konzert bin ich meistens völlig erledigt, aber es ist dafür wahnsinnig befreiend für mich, mir vor dem geneigten Publikum die Seele aus dem Leib zu schreien. Ich wünschte nur, ich fände auch abseits der Bühne die Kraft dafür.

Für die, die euch sträflicherweise noch nicht kennen: Was macht ihr denn für Musik? Wer ist euer anvisiertes Publikum? Für wen spielt ihr drei?

Es ist immer ein wenig schwierig, Musik zu beschreiben – fast so schwierig wie einen Geruch. Meiner Erfahrung nach verhält es sich doch in der Regel so, dass uns für die Dinge, die uns wirklich wichtig sind, die Worte schal werden. Ich will versuchen, mich deshalb in der Beschreibung unserer Musik nicht in Wortschöpfungen zu ergehen, unter denen sich zum Schluss sowieso niemand mehr etwas vorstellen kann. Wir spielen Blues, aber mit einer gehörigen Portion Space Rock!

Allerdings finden wir uns bei manchen Songs in ganz anderen Genres wieder. Auch etwas, das uns mehr geschieht. Ich glaube, das ist das progressive Element unserer Musik.

Was hat es eigentlich mit den Texten auf sich ?

Meine Texte sind subjektive Reminiszenzen, kleine Fetzen Realität und manchmal auch nur Atmosphäre. Für mich ist das ein Prozess, der sich ständig weiterentwickelt. Ich habe zum Beispiel damit angefangen, Cuts von Ginsberg und Burroughs auf unsere Musik zu sprechen. Daraus ist so etwas wie eine Collage entstanden, wir wollen sie DARKROOM nennen. Das war der Beginn der Band Ende 2013. Heute schreibe ich unsere Texte überwiegend selbst, aber wir haben zum Beispiel erst kürzlich einen sehr psychedelischen Song aus einem Gedichtfragment von William Blake gemacht.

Was die Zielgruppe angeht: Wir spielen prinzipiell für jeden, außer für Nazis. Für uns ist jeder Gig anders, doch letztendlich geht es uns um das gemeinsame Moment auf der Bühne. Live spielen ist einfach unschlagbar! Deswegen müssten wir wohl ehrlicherweise zugeben, dass wir die ganze Nummer in erster Linie für uns abziehen. Aber cool, wenn es euch gefällt! Jeder, der uns buchen will, ist hiermit auch herzlich dazu eingeladen, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Die Kontaktadresse gibt es hier: http://www.echoesanddustbunnies.com

In der letzten Frage habe ich ja schon verraten dass ihr zu dritt die Bühnen bespielt. Kannst Du Dich und Deine Mannen mal kurz vorstellen, das interessiert ja die potenziellen Schwiegermütter doch auch.

Die Band hat sich in ihrer jetzigen Formation, der denkbar glücklichsten, wie ich finde, erst seit April 2015 zusammengefunden. Nachdem uns unser alter Schlagzeuger verließ, um seine übergenialen Skills künftig nur noch in seine Mittelalterband einzubringen und auf diesem Weg endlich reich und berühmt zu werden, war das zunächst nicht so witzig für uns, wie es im Nachhinein vielleicht klingt. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt ahnen können, dass wir mit Fuller einen Drummer bekommen würden, der vor Kreativität und Engagement für die Echoes & Dust Bunnies nur so überschäumt. Dabei spielt der ehemals AMPED Drummer noch leidenschaftlich für die Analog Drum & Base Formation FUSE, von der wir nächstes Jahr noch Einiges hören werden.

Am 18. Dezember gibt es einen kleinen Vorgeschmack im Neuen Schauspiel Leipzig. Tobsen ist schon seit Anfang an mit dabei und mein erklärter Lieblingsbassist. Der Bass ist bei unseren Arrangements neben der Gitarre ein zentrales und tragendes Element. Die Existenzberechtigung des Instruments speist sich bei den Echoes nicht daraus, ein bisschen die Grundtöne mitzuspielen, sondern aus seiner Sexiness.

Vielmehr genießt der junge Mann nahezu völlige Freiheit, sich am Vierseiter nach allen Regeln der Kunst auszutoben. Neben seinem heroischen Einsatz in der heimischen Großfamilie ist die Tagesmutti mit Bart und Leidenschaft noch für die Stoner-Rock-Kapelle The Stones of Arkham im Einsatz. Eine Band, deren in Leipzig raren Liveauftritte Mann/Frau auf keinen Fall verpassen sollte.

Nun gibt es auch ein Debüt-Album zu feiern: DARKROOM. Da hüpfen durch meinen Kopf ja Bilder. Was ist das denn für ein Rundling? Selber produziert? Vertrieb? Label? Erzähl mal bitte, Patrice.

Wir sind auf dem Leipziger Label Brokensilence und werden durch den Musikverlag KICKTHEFLAME vertrieben. Bei DARKRROM handelt sich um unser Debütalbum. Ich finde es interessant, in welchem Gegensatz dieses sehr stille Album zu unserer Bühnenshow steht. Konzeptuell ging es uns zu diesem Zeitpunkt um die Interpretation von Lyrik durch Musik. Entstanden ist eine Collage aus Fragmenten aus Ginsbergs Howl, Eliots The Waste Land und stark verfremdeten lyrischen Reminiszenzen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir auch zusammen mit dem Leipziger Filmemacher Daniel Schwarz unseren Bühnenfilm in Eisenhüttenstadt gedreht.

Eine dunkle, subtil bedrohliche Kamerafahrt durch störrisches Dickicht und tote Natur. Hier und dort bleibt das Auge an einer Erinnerung hängen. Die Bilder werden durch ihre Unmittelbarkeit verfremdet und wirken trotz ihrer Langsamkeit wie ein unaufhaltsamer Sog. Der Endpunkt dieser Fahrt, akustisch wie visuell, ist der DARKROOM. All das ergibt in gewisser Weise ein Ganzes. Wir haben uns seitdem natürlich weiterentwickelt.

Ich möchte nicht nur Gedichte lesen und nicht jede Location eignet sich für eine Videoprojektion. Wir waren erst kürzlich wieder im Studio und haben neue Songs aufgenommen. Es ist noch nicht ganz klar, wie wir sie raushauen, aber dass sie rausmüssen – das ist klar.

Live seid ihr echt beeindruckend. Euch schwebt auch ein positiver Ruf voraus. Wo gibt es euch denn in den nächsten Wochen zu erleben?

Wir haben in 2015 über 30 Konzerte gespielt und kommen gerade von einer Minitour aus Berlin zurück. Wenn es nach uns geht, könnten es ruhig dreimal so viele Konzerte sein, aber für dieses Jahr war es das erst einmal. Am 28.01.2016 sind wir jedoch im Dr. Seltsam (Merseburger Str. 25) zu sehen. Der Beginn ist um 22:00 Uhr. Wir freuen uns auf Euch!

Danke für die Musik – und für die Antworten, Patrice.

Vielen Dank für das Interview, Volly!

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