"Dreier steht Kopf" hieß der diesjährige Berliner Boxenstopp-Beitrag. Ein "Stück über die Ordnung (der Welt), die mit Mut, Sprache und spielerischer Phantasie immer wieder auf den Kopf gestellt werden kann - und muss", findet Autor Carsten Brandau. Nach dem Stück stellten sich Autor und Schauspieler im Theater der Jungen Welt dem Publikum.

Besonders lustig sei gewesen, als Zweier dem Einer einen Regenwurm zum Verspeisen gab. So jedenfalls sahen es Schüler der Klassenstufen 1 bis 3 der Lindenauer Nachbarschaftsschule im Werkstattgespräch mit dem Team, das “Dreier steht Kopf” auf die Bühne des Theaters der Jungen Welt brachte.

Werkstatttage des Kinder- und Jugendtheaters verdienen ihren Namen eben erst dann, wenn die Kernzielgruppe ein Theaterstück im Entstehen sieht und dann mit den Machern über die Stärken und Schwächen der Präsentation diskutiert. Genau darum geht es bei “Boxenstopp”, dem diesjährigen, mittlerweile dritten Werkstatttreff in dem Theaterhaus in Lindenau.
“Ich finde es lustig, dass die Drei die Zahlen auf den Kopf stellen wollte”, fügte eines der Kinder an. Das ist die Botschaft des Stückes – ausgehend von der Lebenswelt dieser Altersgruppe. Gemeinsam mit Franziska Ritter, Katja Schmidt, Eva-Maria Reimer, Caroline Erdmann, Franziska Krol, Thomas Pasieka brachte Brandau seine Parabel von der normierten Abfolge der Zahlen und dem Sinn und Unsinn von Ordnung und Hierarchien in eine theaterkompatible Form. Mit dem (Zwischen-)Ergebnis stellte sich das Berliner Team vom Theater an der Parkaue dem jungen Leipziger Publikum.

So viel vorweg: Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es lebt von der Dynamik auf der Bühne, die gerade Kindern viel eher die Geschichte erklären kann als lange Dialoge. Einer will immer Erster sein, und Zweier immer Zweiter. Und dies eben dadurch, dass Zweiter genau das als Zweiter tut, was Einer soeben getan hat.

Zu dieser Art der Interaktion gehören in der Tat immer zwei: Einer, der die Nase immer vorn haben und vorgeben will, was geschieht. Und ein Zweier, der sich in dieser Rolle des tendenziell subalternen Nachahmers kommod einrichtet.

Ein wenig hingegen hinterfragen Einer und Zweier diese hierarchische Ordnung dann doch. Aber eben nur ein wenig. “Nasenlöcher riechen gemeinsam”, so werden vorsichtige Zweifel formuliert.Einer möchte zudem auch mal als “Mein lieber Einer” angesprochen werden, denn vorn und oben ist es zumeist allein und einsam. Zweiter kommt die Idee mit dem Regenwurm. Wenn Einer schon alles als Erster tun müsse, dann müsse er – igitt, igitt – auch einen Regenwurm zuerst verspeisen.

In der Regenwurm-Sequenz haben Einer und Zweier jedoch schon die Perspektive von Vögeln eingenommen, die ohnehin auf die unveränderliche Ordnung der Zahlen pfeifen.

Dieser Schritt gelang Einer und Zweier aber nur, weil Dreier die normierte Zweisamkeit aus den Angeln hebt. “Ich will, dass Unordnung kommt unter die Zahlen”, sagte der subversive Zeitgenosse in knallrot und wirbt für den Verzicht auf Hierarchien, wechselnde Rollen, ein Miteinander auf Augenhöhe.

Bei den Zahlen selbst hielten die Nasch-Schüler überwiegend an der hergebrachten Reihenfolge fest. Doch das “Einer will immer der Erste sein”-Prinzip im zwischenmenschlichen Alltag beginnt auch ihnen aufzustoßen. “Wie bei meiner Schwester”, warf einer der Schüler in die Runde.

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