Es ist die nächste gute Premiere im Schauspielhaus. Georg Schmiedleitners Inszenierung von Schillers "Kabale und Liebe" erntete am Samstagabend nach knapp zwei Stunden Spielzeit reichlich Applaus. Auf der Bühne war wenig davon zu merken, dass unter der Woche der Wurm drin war. Auffällig war eher, dass am Schauspiel wieder mehr gewagt wird.

Sie verziehen keine Miene, nur wenige lächeln und das trotz eines gelungenen Theaterabends. Weder Sebastian Tessenow, der einen starken Ferdinand gab, noch Pina Bergemann, die eine nicht minder anspruchsvolle Luise glänzen ließ, gaben sich äußerlich berührt vom Applaus der versammelten Theatergemeinde. Dabei wäre sichtbare Erleichterung angemessen gewesen. Intendant Enrico Lübbe hatte noch vor Beginn des Stückes Worte an das ausverkaufte Haus richten müssen, sah sich nach der Lungenentzündung von Julia Berke, die die Lady Milford spielen sollte und glänzend ersetzt wurde und der Viruserkrankung Sebastian Tessenows, der “dank der deutschen Pharmaindustrie” mit Fieber spielen konnte, gezwungen, das Publikum vorzuwarnen. “In dieser Inszenierung war die letzte Woche der Wurm drin.” Merkte man an keiner Stelle.

Schmiedleitners Deutung von Schillers “Kabale und Liebe” ermöglichte es ohne Anlauf, fast zwei Stunden, alte Denkmuster zu übernehmen. Wieso kann ein Mann adeliger Herkunft, Ferdinand von Walter, kein bürgerliches Mädchen, Luise Millerin, heiraten? Wieso würde sein Vater dann Macht verlieren? Ein Meisterstück des Sturm und Drang in dem Luise und Ferdinand bis zum tragischen Ende mit ihrem Schicksal hadern, überkommene gesellschaftliche Ressentiments, das Ständedenken, verdammen und eigentlich nur ihre Liebe offen leben wollen. Ferdinands Vater, der Präsident von Walter, eindrucksvoll gespielt von Andreas Keller, will dies jedoch um jeden Preis verhindern.Dass ein bürgerliches Mädchen in seine Familie von adeligem Stand einheiraten würde, war Ende des 18. Jahrhunderts unvorstellbar. Was sollen denn die Leute denken? Es kommt zum Streit, Ferdinand droht, den Hof einzuweihen “wie man Präsident wird”. Um das zu verhindern und das Liebespaar zu trennen, fädelt von Walter zusammen mit seinem Sekretär Wurm eine Kabale, also eine niederträchtige Intrige, ein. Luise soll einen Liebesbrief an den Hofmarschall schreiben und unter Eid versprechen, dass sie das freiwillig getan hat. Selbst amüsiert darüber, dass man sich im Bürgertum noch an seinen Eid hält, ziehen Wurm und von Walter den Plan durch. Die Intrige erfüllt ihren Zweck, Luise schreibt und braucht lange, ehe sie Ferdinand erzählt, dass sie dazu gezwungen wurde. Da hat der verzweifelte Verliebte beide allerdings schon vergiftet.

Die Inszenierung kommt über die zwei Stunden mit wenigen Requisiten aus. Die Bühne besteht aus drei unterschiedlich großen schwarzen Scheiben, die sich immer wieder, wie die Figuren, in anderen Konstellationen annähern und abstoßen, oder den Eindruck eines die liberalen Gedanken zermalmenden Räderwerks erwecken. Über der Bühne sorgt ein Schlagzeuger für den passenden musikalischen Krawall, den Luise und Ferdinand durch ihr Überzeugungen erregen.

Schmiedleitners Deutung ist stimmig, mitreißend, zuweilen wagt sie mit (zu) exzentrischen Ausbrüchen Wurms und Luises und nackter Haut von Lady Milford mehr als beispielsweise die Inszenierung von Emilia Galotti. Aber die deutliche Charakterzeichnung der Hauptfiguren und die erheiternden Auftritte der Millerin helfen über die wenigen Längen, die Fahrt und Spannung herausnehmen, hinweg und sind nur einer der wenigen Makel an einer erneut gelungen Premiere im Schauspielhaus.

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