Andreas S. ist ein Meister des Mimikry. Der 22-Jährige und sein Zwillingsbruder sind wegen ihrer Aggressivität seit Jahren polizeibekannt. Häufig konnten die Twins nur deshalb nicht von der Justiz belangt werden, weil ihre Opfer sie nicht voneinander unterscheiden konnten. Der Fußballhooligan erschien am Dienstag im mausgrauen Anzug bei Gericht.

Die Farben seines Lieblingsvereins konnten dem cremegrünen Saal ein Stück mehr Leben einhauchen. Doch anders als man vermuten könnte, drehte sich um das runde Leder am Dienstag, 28. Februar, rein gar nichts. Auch nicht um Fan-Rivalitäten oder das Zelebrieren vergangener Triumphe. Vielleicht blickte der Angeklagte deshalb so grimmig durch den Raum, als Staatsanwältin Antje Butenschön die Anklage verlas. Während der Verhandlung starrte er dann mit bohrenden Blicken auf die Prozessbeobachter. Den Prozess selbst verfolgte er anteilslos. Als ginge ihn das, was sich im Amtsgericht abspielte, nichts an.Dabei warf die engagierte Anklägerin ihm und seinen drei Mitangeklagten vor, am 14. November 2010 in Eilenburg Thomas H. (41) zusammengeschlagen und ausgeraubt zu haben. Der Kfz-Mechaniker war am Volkstrauertag gegen 1.30 Uhr mit seinen Eltern, seiner Gattin und seinem Sohn zu Fuß auf dem Heimweg. Sein Abend verlief feuchtfröhlich, Mutter Dagmar hatte mit 40 Gästen ihren Geburtstag gefeiert. Als die Familie an der Total-Tankstelle in der Roedgener Straße vorbeikam, hörte er Lärm. Zwei Autobesatzungen machten die Nacht zum Tag. Thomas H. zeigte Zivilcourage. “Grölt nicht so rum um die Zeit”, rief er ihnen zu.Mit fatalen Folgen. Die Männer vermummten sich. Erst warfen sie eine Bierflasche über eine Hecke. Als der Eilenburger daraufhin die Halbstarken mutig zur Rede stellen wollte, flogen die Fäuste. Zu viert schlugen sie H. und seine Eltern zu Boden, traten auf ihn ein und raubten seinen Laptop. Ihre Opfer erlitten Prellungen und Schürfwunden. Die Verletzungen mussten in der Klinik versorgt werden. Schlimmer als die Blessuren wiegen die psychischen Folgen.

“Die Mutter hat immer noch seelische Probleme damit”, berichtet der bullige Mann, dem so schnell nichts umzuhauen scheint. Während die Angreifer in einem Auto flüchteten, blieb der andere Wagen zunächst am Tatort. Zwei Insassen bekamen noch vor Ort erste Gewissensbisse. Sie versuchten, den Opfern ihrer Freunde zu helfen. Als die Männer aber die Sirenen des Krankenwagens hörten, suchten auch sie ihr Heil in der Flucht. Weit kamen sie alle nicht. Zivilfahnder konnten beide Fahrzeuge in der Nähe aufhalten.

Was trieb sie zu dieser rohen Gewalt? Die Tat geschah offensichtlich im Affekt. Täter und Opfer kannten sich nicht. Anscheinend zählt in dem gewaltaffinen Milieu, dem die jungen Männer angehören, nur das Gesetz der Faust.

Vor Gericht schwiegen sie zu den Vorwürfen. Ihre Verteidiger nahmen in einer mehrstündigen Vernehmung Thomas H. auseinander. Der erinnerte sich nicht mehr an alle Details. “Einer hat mich umgehauen, die anderen haben mich weiter bearbeitet”, war er sich sicher. Auf Nachfrage von Andreas S.’ Verteidiger Curt-Matthias Engel musste er allerdings eingestehen, dass er dieses wichtige Detail von seiner Frau erfahren habe. Sicher war er sich nur, dass er von vier Angreifern umstellt worden war.

“Ein Täter trug ‘nen Ziegenbart.” Möglicherweise hatte er Tommy H. gemeint. Der 27-Jährige, heute fast kahlgeschoren, trug 2010 noch eine auffällige Kinnbehaarung. “Warum sind Sie auf die Leute zugegangen?”, wollte Richterin Schulz wissen. “Ich bin zurückgegangen, weil’s nicht sein kann, dass die mit einer Flasche werfen. Die hätte meinen Sohn treffen können.” Der Prozess wird fortgesetzt.

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