Der 12. April 2011 war ein rabenschwarzer Tag für Sachsens linke Szene - und für Abel I. (22). Der Leipziger hatte das Pech, zur falschen Zeit in der falschen WG zu wohnen. Als das Landeskriminalamt auf der Suche nach einer kriminellen Vereinigung im Rahmen einer Großrazzia die Räumlichkeiten seines Mitbewohners erstürmen ließ, warfen die Beamten zur Eigensicherung auch einen Blick in I.s Zimmer.

Sie staunten nicht schlecht, als sie dort über 542 Gramm Marihuana, einen Elektro-Schocker und zwei Macheten stolperten. Das Leipziger Landgericht verurteilte I. am Mittwoch zu einem Jahr und 11 Monaten Haft auf Bewährung.

Bei der Urteilsfindung drückten die Richter beide Augen zu. Sie wollten dem Angeklagten, der ein Geständnis ablegte und nicht einschlägig vorbestraft war, nicht seine Zukunft verbauen. Die Beweislast war erdrückend. Neben den Drogen und den Waffen fanden die Ermittler auch ein Notizbuch, in dem die Namen seiner “Kunden” aufgeführt waren. Außerdem beschlagnahmten sie 2.810 Euro Bargeld.

Abel I. stand zum damaligen Zeitpunkt vor einer ungewissen Zukunft. Eine Ausbildung zum Physiotherapeuten hatte er abgebrochen, weil er mit dem Lernpensum nicht Schritt halten konnte. “Ich glaube, das was er getan hat, war seiner damaligen Lebenssituation geschuldet”, resümierte Verteidiger Christian Avenarius. Mittlerweile absolviert sein Mandant ein Freiwilliges Soziales Jahr und sucht einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger. Zum Verhängnis wurde ihm der Elektro-Schocker, der in seinem Regal lag. Das Gerät gilt als verbotene Waffe, was sich strafverschärfend auswirkt. “Aus meiner Sicht stellt sich der Sachverhalt dar als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge”, so Staatsanwältin Carina Langnese. Sie beantragte 2 Jahre und 4 Monate Haft.

Die Kammer blieb deutlich darunter, auch um eine Bewährungsstrafe aussprechen zu können. “Man könnte auch sagen, Herr I. hat Pech gehabt”, spielte Richter Jens Kaden in seiner Urteilsbegründung auf die dubiosen Umstände an, die zu dem Drogenfund führten. An der juristischen Verwertbarkeit des Zufallsfundes ließ die Kammer jedoch keinen Zweifel. “Wenn man meint, man muss von Zuhause aus mit Marihuana handeln, dann begibt man sich in eine Gefahr, in der man auch umkommen kann”, so Kaden. Und ergänzte in Anspielung auf seine vermeintliche politische Haltung süffisant: “Wer das System stürzen will, schafft das nicht als Bekiffter.”

Dem Angeklagten haben die Richter mit ihrem milden Urteil nur einen kleinen Gefallen getan. Er muss sich demnächst in anderer Sache vor dem Amtsgericht verantworten. So er dort nicht freigesprochen wird, droht eine Gesamtstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Entscheidung über I.’s weiteren Lebensweg haben sie damit nur vertagt. Nicht zur Freude des Angeklagten, der im Angesicht der weiteren Ungewissheit seine Tränen kaum unterdrücken konnte.

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