Fiel Farhard S. einem heimtückischen Mordkomplott zum Opfer? Davon jedenfalls ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Demnach soll der 30-Jährige Dolmetscher aus Afghanistan Ende November 2015 mit einem Messer getötet worden sein, so Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Müller am Dienstag vor dem Leipziger Landgericht. Anschließend sei die Leiche versenkt worden, womöglich im Elbe-Havel-Kanal in Sachsen-Anhalt. Gefunden jedoch wurde sie bis heute nicht.

Für das mutmaßliche Verbrechen müssen sich Entessar A. (38), deren Tochter Santa A. (17) und ihr Freund Mohammad Hasan A. (21) seit Mitte August vor dem Leipziger Landgericht verantworten. Demnach soll Entessar A. den Afghanen, einen Ex-Partner ihrer mitangeklagten Tochter, unter einem Vorwand in eine Wohnung im Gerichtsweg gelockt haben, wo Mohammad Hasan A. ihm tödliche Verletzungen beibrachte. Anschließend habe sich das Trio am Eigentum seines Opfers bereichert – so soll Mohammad Hasan A. kurz nach der Tat einen Audi von Farhad S. für 4.000 Euro verkauft und wenig später in Chemnitz 10.500 Euro vom seinem Konto abgehoben haben. Verschiedene Indizien führten die Polizei auf die Spur der drei mutmaßlichen Täter, die seit Februar in Untersuchungshaft sitzen.

Juristische Scharmützel hatten allein die Verlesung der Anklage bis zum dritten Verhandlungstag hinausgezögert. Streitgegenstand war ein in arabischer Sprache verfasster Brief des Angeklagten Mohammad Hasan A. an seinen Dresdener Strafverteidiger Endrik Wilhelm. Der offenbar brisante Inhalt des Schriftstücks war von einem Übersetzerbüro an die Leipziger Staatsanwaltschaft gelangt. Für Anwalt Wilhelm ein Skandal, ginge es doch schließlich um das geschützte Innenverhältnis zu seinem Mandanten. Folge: Wilhelm stellte zu Prozessbeginn einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter – ein schweres Geschütz, mit dem immerhin die Neutralität und Unvoreingenommenheit der Richter infrage gestellt wird.

Ein anderes Gericht, das hier zu entscheiden hatte, sah dagegen keinen Anlass, die Unparteilichkeit der Dritten Strafkammer anzuzweifeln und verwarf den Antrag. Auch dem Willen der Verteidigung zur Herausgabe des Briefes wurde nicht stattgegeben. Er sei durch einen Zeugen überbracht worden und stelle daher keine Verteidigerpost mehr dar, außerdem könne sein Inhalt im Prozess bedeutsam sein, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Göbel.

Der Umgang mit dem Dokument sei der Staatsanwaltschaft vorzuwerfen, meinte dagegen Carsten Brunzel, zweiter Verteidiger des Angeklagten Mohammad Hasan A. Er sah nicht nur die Gefahr der Verwertung illegal gewonnenen Beweismaterials, sondern auch ein Verfahrenshindernis gegeben: „Dadurch ist unsere Verteidigermöglichkeit zunichte gemacht“, so Brunzel gegenüber L-IZ.de. Das Gericht sei im Besitz eines Schreibens, das es niemals hätte erhalten dürfen.

Und so überraschte Brunzels Befangenheitsantrag am Dienstag, nunmehr bereits der Zweite, wohl niemanden ernsthaft. Diesmal richtete er sich gegen die gesamte Strafkammer einschließlich der beiden Schöffen. Die ursprünglich geplante Vernehmung der vielen Zeugen ist damit erst einmal in die Ferne gerückt.

Fest steht schon jetzt: Es dürfte ein langwieriger und ergebnisoffener Indizienprozess bevorstehen, zumal die Angeklagten unisono zu den Vorwürfen schwiegen. Nach aktuellem Stand sind acht Prozesstermine bis Mitte November anberaumt. Die Entscheidung externer Juristen über den neuerlichen Befangenheitsantrag wird zur Fortsetzung am 12. Oktober erwartet.

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