„Sie sind zwar ‚nur‘ wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden“, wandte sich der Vorsitzende zum Schluss an den Angeklagten. „Aber Sie hätten möglicherweise einen Menschen töten können.“ Karim S. (27) kam am Freitag jedoch mit drei Jahren und drei Monaten Haft am Landgericht verhältnismäßig mild davon. Er hatte 2017 aus nichtigem Grund einen Mann auf der Eisenbahnstraße mit einem Messer attackiert.

Es sei eines dieser erschreckenden Verfahren, bei denen sich zeige, wie locker die Messer bei vielen Menschen sitzen, resümierte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf in seiner Urteilsbegründung. Noch einmal ließ er den Nachmittag des 17. Mai 2017 Revue passieren: Karim S. geriet vor einem Döner-Imbiss auf der Eisenbahnstraße in Streit mit dem Geschäftsinhaber, weil der es sich verbat, dass vor seinem Bistro Marihuana geraucht wird. Als Hussein Q. (37), Bruder des Betreibers, beruhigend auf den Beschuldigten einwirken wollte, setzte dieser erst Pfefferspray ein und stach dann mit einem Messer in den Oberbauch Hussein Q.s.

Der Iraker brach zusammen, überlebte den brutalen Angriff aber dank schneller Hilfe. Einige Narben seien geblieben, zudem leide er bis heute unter Kurzatmigkeit, sagte er im Zeugenstand. Er und sein Bruder schilderten zudem die zahlreichen Probleme zwischen alteingesessenen Geschäftsleuten und Drogendealern auf der berüchtigten Magistrale im Leipziger Osten.

Richter: Notwehrsituation ist lebensfremd

Karim S., der sich nach eigener Aussage jahrelang als Straßenkind in Tunesien durchschlug und vor mehreren Jahren über Italien nach Deutschland kam, hatte die äußeren Tatabläufe zwar gestanden, jedoch auf einer Notwehrsituation beharrt. Man habe ihn ohne erkennbaren Grund angegriffen.

Diese Version wertete das Gericht als lebensfremde Schutzbehauptung, sah sie durch Videoaufnahmen und schlüssige Zeugenaussagen eindeutig widerlegt. „Die Aggressivität ging vom Angeklagten aus“, betonte der Vorsitzende.

Schwere Körperverletzung statt Mordversuch

Vom ursprünglichen Vorwurf eines Mordversuchs war die Kammer abgerückt, da das Opfer infolge des heftigen Streits nicht arglos gewesen sei. Doch auch ein versuchter Totschlag ließ sich nicht zweifelsfrei beweisen, es blieb nur der Vorwurf der schweren Körperverletzung. Karim S. habe unter Drogeneinfluss und in Erregung agiert, ein Tötungsvorsatz sei nicht bewiesen. Allerdings fielen die Nichtigkeit des Tatmotivs, der zusätzliche Einsatz von Pfefferspray und das einschlägige Vorstrafenregister von Karim S. schwer ins Gewicht, so Richter Jagenlauf.

Mit drei Jahren und drei Monaten Gefängnis blieb er deutlich unter dem Antrag von Staatsanwalt Klaus-Dieter Müller, der auf sieben Jahre Haft plädiert hatte. Verteidiger Andreas Meschkat hatte sich für einen Freispruch eingesetzt.

„Ein weiterer Verbleib in Deutschland nach der Strafverbüßung wird sehr schwierig werden“, konstatierte Jagenlauf am Ende in Richtung des Verurteilten. „Unabhängig davon, in welchem Land Sie Ihre Zukunft gestalten werden, sollten Sie sich überlegen, Ihr Verhalten zu ändern, damit Sie sich nicht beim nächsten Mal für den Tod eines Menschen verantworten müssen.“ Karim S. blieb äußerlich unbeteiligt und reglos.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Blutige Messerattacke auf der Eisenbahnstraße – Konflikt mit Dealer?

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