Im Juni 2023 wurde eine 67 Jahre alte Frau in Borna brutal mit einem Hammer getötet – laut Anklage von ihrem Ehemann, der sich aktuell wegen Mordes verantworten muss. Die Zeugenaussagen seiner Schwester sowie der Tochter des Paares sollen dem Landgericht Leipzig nun helfen, ein besseres Bild des Angeklagten zu bekommen. Er selbst hat sich zum Tatvorwurf bislang noch nicht geäußert.

„Du weißt, ich musste sie mitnehmen. Sie würde allein nicht zurandekommen. Wir haben doch niemanden.“ Es liest sich als indirektes Geständnis, was Klaus N. im Juni 2023 kurz nach der Verhaftung in einem Telefongespräch mit seiner knapp acht Jahre älteren Schwester geäußert haben soll.

Die Aussage der 74-Jährigen, die sie gegenüber der Polizei abgab, verlas der Vorsitzende Richter Hans Weiß am Dienstag im Leipziger Landgericht, da der Frau aufgrund gesundheitlicher Probleme derzeit nicht zugetraut wird, persönlich vor Gericht zu erscheinen.

Jedoch gilt die Rentnerin als Schlüssel, um zu verstehen, was für ein Mensch der 66 Jahre alte Klaus N. ist, der sich wegen Mordes am Landgericht verantworten muss. Er soll seine ein Jahr ältere Ehefrau Karin am Morgen des 16. Juni 2023 im Schlafzimmer der gemeinsamen Bornaer Wohnung unvermittelt mit mindestens 23 Hammerschlägen auf den Kopf attackiert haben, das Opfer verstarb noch vor Ort an seinen schweren Verletzungen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte der Rentner sein Leben beenden, ohne die Frau zurückzulassen.

Schwester berichtet von psychischen Problemen

Auch für seine Schwester ist die grausame Tat unerklärlich. Sie pflegte zum jüngeren Bruder guten Kontakt, der sich mit der Corona-Pandemie zwar mehr auf das Telefonieren verlegte, aber nie einschlief. Auch am Abend des 15. Juni 2023, kurz vor dem Verbrechen, sprachen beide am Telefon miteinander. Sie hatte den Eindruck, dass so weit alles okay sei: „Am Telefon klang seine Stimme auch besser und gefestigter als sonst“, erinnerte sich die Schwester gegenüber der Polizei.

Gleichwohl wusste sie um die psychischen Probleme ihres Bruders, der nach verschiedenen Jobs bereits mit 40 zum Rentner geworden war, Angst- und Schlafstörungen entwickelte, sich zunehmend von Mitmenschen abkapselte. Mehrfach war er in Kliniken zur Behandlung. Schon in jüngeren Lebensjahren unternahm Klaus N. einige Suizidversuche, verletzte sich dabei teils schwer. Seine eigene Mutter hatte sich vor vielen Jahren das Leben genommen, der invalide Vater war frühzeitig verstorben.

Nach einer langen Phase scheinbarer Stabilität seien die Probleme bei Klaus N. Ende 2022 zurückgekehrt, erinnerte sich seine Schwester in ihrer Aussage. Sein Eheleben sei aus ihrer Sicht okay gewesen. Ihre Schwägerin Karin N., das spätere Mordopfer, wurde als Mensch beschrieben, der das Leben eben so nahm, wie es kam – doch ohne erkennbare Absichten, es beenden zu wollen.

Tochter: Meine Mutter liebte meinen Vater sehr

Christine T. (Name geändert), die gemeinsame Tochter des Ehepaares, schloss vor Gericht kategorisch aus, dass ihre Mutter aus dem Leben gehen wollte. Für ihre Zeugenvernehmung wurde die 43-Jährige am Dienstag im Landgericht per Video-Übertragung aus einem Nebenraum zugeschaltet. Ärztlicherseits wurde der Frau von einer direkten Begegnung mit dem Vater, dem mutmaßlichen Mörder ihrer Mutter, dringend abgeraten.

„Meine Mama hat meinen Vater auf jeden Fall sehr geliebt. Sie hat ihn immer ‚meine Sonne‘ genannt, auch wenn er schon lange kein Sonnenschein mehr war. Sie hat immer zu ihm gehalten, auch während der Klinikaufenthalte.“

Die Beziehung der Eltern sei „ziemlich auf Augenhöhe“ und mit klarer Rollenverteilung gewesen. So habe sich Vater Klaus N. als „Finanzminister“ unter anderem um das Geld gekümmert, am Ende der Woche mussten ihm alle Kassenbons zur Prüfung der Ausgaben vorgelegt werden, schilderte Christine T. dem Gericht. Sie kenne den Vater seit ihrer Jugend als psychisch beeinträchtigt – wenig Freunde, kaum Hobbys. Seine Negativität sei auch für das Umfeld immer mehr zur Belastung geworden.

Besonders das letzte halbe Jahr vor dem Verbrechen habe sich Klaus N.s Zustand immer mehr verschlechtert, zumal er wegen einer Prostataerkrankung auch noch auf einen Katheter angewiesen war.

Vater laut Tochter ohne Gewaltneigung

Zur Gewalt neige ihr Vater aber nicht: Abgesehen von einem seltenen Klaps auf den Hinterkopf, den sie „eher flapsig“ empfand, habe sie nie einen körperlichen Übergriff des Vaters erlitten oder mitgekriegt, sagte die Tochter. Mutter Karin, die sie als lebensfroh und liebevoll charakterisierte, habe ihr gegenüber auch keinerlei Suizidabsichten angedeutet. „Sie war froh, wenn sie mal zu Hause herauskam.“ Zuletzt habe der Vater in auffälliger Weise die Nähe zur Mutter gesucht.

Warum es ihm seit Ende 2022 psychisch wieder derart schlecht ging, habe er bis zum Schluss nicht erklären können. Jedoch stellte auch Christine T. nichts Ungewöhnliches fest, als sie mit ihren Eltern am Abend vor der Gewalttat noch einmal telefonierte, um sich vor ihrem Urlaub von ihnen zu verabschieden. Kurz darauf erreichte sie die unfassbare Nachricht.

„Er hat mir das Liebste genommen, was ich hatte“

Aus jetziger Sicht ist für die 43-Jährige, die seit der Tat arbeitsunfähig ist, vor allem klar, dass sie zum Vater keinen Kontakt mehr wünscht: „Natürlich wende ich mich von ihm ab. Er hat mir das Liebste genommen, was ich hatte“, sagte Christine T. unter Tränen. Ohnehin befände sie sich, womöglich auch wegen der problematischen Familiengeschichte, bereits seit 2007 in therapeutischer Behandlung.

Der Prozess wird fortgesetzt, ein Urteil für Ende Januar erwartet.

***

Sie sind selbst in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.

Telefonseelsorge: Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222. Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis. Die Telefonseelsorge finden Sie auch hier im Internet.

Muslimisches Seelsorgetelefon: Das muslimische Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 030 / 44 35 09 821 erreichbar.

Weitere Möglichkeiten und Angebote finden Sie hier
www.suizidprophylaxe.de

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar