Auf der 1052. Sitzung des Bundesrates, am 21. März 2025, wurde die Entschließung des Bundesrates „Priorisierung, auskömmliche Finanzierung und rechtssichere Implementierung eines gemeinsamen Datenhauses für die Informationsverarbeitung der Polizeien des Bundes und der Länder – Neuausrichtung polizeilicher IT (P20) sowie interimsweise zeitnahe Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform“ auf Antrag der Länder Sachsen-Anhalt und Bayern, Berlin und Hessen schlossen sich dem Antrag an, mit Mehrheit angenommen.

Kritisch an diesem Beschluss ist, dass zumindest Bayern bei der „Verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform“ (VeRA) die Software des US-Herstellers Palantir Technologies Inc. nutzt.

Es gibt Bestrebungen der CDU/CSU diese Software bundesweit einzusetzen, allerdings stößt das auf Widerstand. Kritisch ist allerdings die in der Entschließung geforderte „interimsweise zeitnahe Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform“, die voraussichtlich auf VeRa abzielt.

Am 14. April meldete tagesschau.de, dass es nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks nicht an dem sei:

„BR-Recherchen zeigen nun: Das ist nicht der Fall. So sprachen sich die Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern noch im Bundesrat dem Plenar-Protokoll zufolge für eine Lösung aus Europa aus, die eine Nutzung von Produkten des marktführenden, US-amerikanischen Anbieters Palantir ausschließt.

Ein entsprechender Antrag Hamburgs, den neben Mecklenburg-Vorpommern fünf weitere Bundesländer (Bremen, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen) unterstützten, verfehlte nach BR-Informationen die erforderliche Mehrheit und wäre sonst in den Beschluss aufgenommen worden.“

Das erscheint seltsam, im Plenar-Protokoll der Sitzung auf Seite 79, welches auch durch die Videoaufzeichnung bestätigt wird, gab es zum Punkt 10 keine Diskussion und keine Gegen- oder Ersetzungsanträge. Lediglich zwei Erklärungen zum Protokoll (Anlagen 12 und 13) wurden von Bremen und Hamburg abgegeben. In der Bremer Erklärung geht es um den Schutz personenbezogener Daten, insbesondere von Gesundheitsdaten. Nur in der Erklärung aus Hamburg ist von Palantir zu lesen.

„Soweit in Ziffer 4 auf die Bereitstellung einer digital souveränen Interimslösung für eine automatisierte Datenanalyseplattform Bezug genommen wird, wird ausdrücklich festgestellt, dass die zentrale Anforderung der digitalen Souveränität für jedes IT-Produkt der automatisierten Datenanalyse gelten muss und dass dies eine Nutzung von Produkten des marktführenden, US-amerikanischen Anbieters Palantir ausschließt.“

Es stellt sich die Frage, die nur Juristen beantworten können, ob der Passus „ist ausdrücklich festzustellen“ in einer Erklärung zu Protokoll für die Entschließung rechtsverbindlichen Charakter hat.

Leider geht aus dem Protokoll und der Videoaufzeichnung nicht genau hervor, welches Bundesland wie abgestimmt hat. Also haben wir beim Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI) angefragt.

Hintergrund der Anfrage:

Unabhängig davon, ob der Freistaat Sachsen der Entschließung zugestimmt hat oder nicht, sollte man doch im Vorab das Thema dort ausführlich besprochen haben, um überhaupt darüber abstimmen zu können. Oder täusche ich mich? Einige Annahmen wie, dass mit der Entschließung die Palantir-Software interimsweise eingeführt werden soll, habe ich bewusst gewählt. Eine Reaktion hätte ja sein können: „Das ist falsch“.

Die Anfrage:

Sehr geehrter Herr Staatsminister,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Die „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“ (VeRA) ist im Freistaat Bayern bereits im Einsatz und der Bundesrat, also auch der Freistaat Sachsen, fordert mit Beschluss vom 21.03.2025 die bundesweite Einführung von VeRA, auf der Basis der Software „Gotham“ von Palantir Technologies Inc.

Der Einsatz dieser, ursprünglich für den militärischen Bereich entwickelten, KI-gestützten Lösung veranlasst mich zu folgenden Fragen:

Der bundesweite Einsatz wird als Interims-Lösung bezeichnet.

1. Für welchen Zeitraum soll diese „zwischenzeitliche Lösung“ eingeführt werden?

2. Welche dauerhaften Lösungen sind in Entwicklung und wie ist der Entwicklungsstand?

3. Welche Vertragslaufzeiten sind für die Interims-Lösung vorgesehen oder vereinbart?

4. Ein polizeiliches Analysetool in eigener digitaler Kompetenz ist frühestens 2030 zu erwarten, lt. BMI, welche Kosten entstehen in diesem Zeitraum für VeRA, insbesondere für den Freistaat Sachsen?

Im Beschluss heißt es: „Sicherstellung der Vernetzung zwischen Sicherheits-, Gesundheits-, Waffen- und Ausländerbehörden, Schaffung von Rechtsgrundlagen für den Datenaustausch und deren Auswertung, Neuausrichtung polizeilicher Informationstechnik, Datenanalyse zur Gefahrenabwehr, Finanzierung und Zentralstellenbudget, Änderung der Strafprozessordnung, Regelungen für den präventiven Bereich.“

Dazu folgende Fragen:

1. Ist unter „Verknüpfung mit Gesundheitsbehörden“ der Zugriff der Software auf persönliche Gesundheitsdaten, beispielsweise aus der künftigen elektronischen Patientenakte und/oder von der gematik, bspw. E-Rezept, erhobenen Daten zu verstehen?

2. Sollen mit VeRA Daten der Gesundheitsbehörden über psychisch kranke, bzw. auffällige, Menschen erhoben werden? Wenn ja, in welchem Umfang?

3. Welche wissenschaftliche Begründung gibt es für die Erhebung von Gesundheitsdaten für die Kriminalprävention oder Terrorabwehr?

4. Wird durch den Zugriff auf Gesundheitsdaten, beispielsweise im Bereich „Kindesmissbrauch“, ein in selbst veranlasster ärztlicher Behandlung befindlicher Patient mit pädophiler Störung der Sexualpräferenz, ohne Auffälligkeit, mit einem Straftäter gleichgesetzt? Wenn nicht, wodurch wird das verhindert?

Palantir Technologies Inc ist ein in Denver (Colorado) ansässiges Unternehmen, welches US-Recht unterliegt. Die Software arbeitet KI-gestützt auf der eigenen KI-Plattform Foundry. Ich frage Sie:

1. Wie wird verhindert, dass die durch VeRA erhobenen Daten in die USA, bzw. zu Palantir, abfließen?

2. Wie wird die Durchsetzung der DSGVO kontrolliert und durchgesetzt?

3. In welchem Umfang wurden die KI-Algorithmen überprüft, besonders in Bezug auf deutsches und europäisches Recht? Von wem wurde diese Überprüfung durchgeführt?

Es ist anzunehmen, dass diese Fragen im Vorab zur Beschlussfassung im Bundesrat bereits geklärt wurden und somit die Antworten in Ihrem Hause bereits vorliegen. Ein Auskunftsersuchen im Rahmen des Presserechts erscheint mir somit nicht unbillig.

Über zeitnahe Antworten wäre ich sehr erfreut.

Die Antworten:

Die erste Antwort war schlicht und ergreifend einfach:

„Ihre Fragen richten sich an Bundesländer, die entsprechende Software von Palantir nutzen. Sachsen zählt nicht dazu.“

Kann man so machen, also fragte ich nach:

Am 21.03.2025 wurde im Bundesrat unter TOP 10, auf Antrag der Länder Sachsen-Anhalt, Bayern und Berlin – (Drucksache 58/25), die Entschließung „Priorisierung, auskömmliche Finanzierung und rechtssichere Implementierung eines gemeinsamen Datenhauses für die Informationsverarbeitung der Polizeien des Bundes und der Länder – Neuausrichtung polizeilicher IT (P20) sowie interimsweise zeitnahe Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform“ gefasst.

Soweit mir bekannt ist, hat der Freistaat Sachsen dieser Entschließung zugestimmt. Es ist also davon auszugehen, dass sich das SMI, insbesondere der Leitungsstab Polizei, im Vorab damit ausführlich befasst haben. Es wäre fatal, wenn das nicht geschehen wäre. Insofern sehe ich die Anfrage als korrekt adressiert an.

Auch hier eine Antwort, die an der Frage vorbeiging:

„Wie Sie richtig schreiben, gibt es im Bundesrat die Zielrichtung bis 2030 ein gemeinsames Datenhaus zu implementieren bzw. die eine Interimslösung bereitzustellen. Sachsen nutzt derzeit weder eine Interims-Lösung, noch steht die Nutzung bevor. Aus diesem Grund erübrigt sich eine Beantwortung.“

Fazit: Da der Bundesrat in seiner Entschließung von einer „interimsweise zeitnahen Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform“ spricht, kann man wohl kaum von einer nicht bevorstehenden Nutzung einer solchen sprechen. Obwohl „zeitnah“ selbstverständlich ein dehnbarer Begriff ist.

Es bleiben also nur zwei Varianten. Die erste ist, das SMI kann nichts dazu sagen, weil es sich mit der Thematik nicht beschäftigt hat. Das wäre, wie in der Überschrift genannt, die „Weißnix-Variante“.

Die Hoffnung bleibt, dass dem SMI zumindest ein Teil der Antworten vorliegt, aber man nichts dazu sagen will. Diese „Sagnix-Variante“ ist zwar unschön, aber es bestünde doch die Hoffnung, dass das Thema auch in Sachsen ernst genommen wird.

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