Da Friedrich Merz einen Namen für die neue Koalition (GroKo kann man ja nicht mehr sagen) sucht, werfe ich meinen Hut in den Ring und nenne diese „Kleinst Mögliche Koalition“, kurz KleiMöKo. Das hat mehrere Gründe, die über die Anzahl der Sitze im neuen Bundestag hinausgehen.
Zum Ersten meinten CDU und CSU wohl, dass sie von der SPD den kleinstmöglichen Widerstand in den Koalitionsverhandlungen zu erwarten hätten. Schließlich will die ehemalige Kanzlerpartei ja gern weiter mitregieren.
Der zweite Punkt ist, dass es schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen bei einigen Themen die kleinstmöglichen Differenzen gab. Im Wahlkampf hatte die SPD sich beim Migrationsthema der CDU schon angenähert. Beim Thema Überwachung ist das ähnlich, auch Nancy Faeser will ja unter anderem die Vorratsdatenspeicherung einführen.
Es gibt also viele schlechte Gründe für den von mir gewählten Namen „KleiMöKo“.
Was hat aber Christian Lindner mit den Koalitionsverhandlungen zu tun? Keine Angst, er kommt wohl in dieser Wahlperiode nicht zurück. Liest man aber die Verhandlungspapiere der Arbeitsgruppen, unter dem Aspekt des Datenschutzes, dann fällt einem der im Wahlkampf 2021 griffig formulierte Lindner-Slogan „Digitalisierung first, Bedenken second“ ein.
So findet man beispielsweise auf Seite 4 des Arbeitspapiers der AG 6 – Gesundheit und Pflege folgenden Passus:
„Wir überprüfen Datenschutzvorschriften und alle Berichts- und Dokumentationspflichten, insbesondere im SGB XI auf ihre zwingende Notwendigkeit, und schaffen solche, die aufgrund der Coronapandemie eingeführt wurden, ab, ohne dabei die Vorsorge für zukünftige Pandemien zu gefährden.“
Selbst mit dem besten Willen kann man die Überprüfung der Datenschutzvorschriften zwar gutheißen, aber die Abschaffung der aufgrund der Coronapandemie ist hier nicht an eine Überprüfung gebunden. Es ist also egal, ob diese im Sinne des Datenschutzes sinnvoll waren – man will sie abschaffen.
Der folgende Satz auf Seite 3 des Arbeitspapiers der AG 9 – „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung und moderne Justiz“ kommt der Lindnerschen These sehr nahe:
„Offeneres Datennutzungsverständnis der Verwaltung und Anwendung von KI. Wir treten für ein offeneres und positiveres Datennutzungsverständnis ein.“
Offenes und positives Datennutzungsverständnis, das klingt erst einmal richtig schön. Wie offen darf es denn, gerade beim Einsatz von KI, sein? Müssen wir dann unsere Urheberrechte an die Tech-Konzerne abgeben, ist das Training von KI mit Daten aus der ePa dann legal?
Kritisch wird es mit dem Datenschutz auch, wenn die CDU im selben Arbeitspapier fordert:
„Im Rahmen eines ‚Sofortprogramms für den Bürokratierückbau‘ werden wir bis Ende des Jahres 2025 Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abschaffen, insbesondere den Abfallbeauftragten, den Abscheide-Sachkundigen, den Asbest-Sachkundigen, den betrieblichen Datenschutzbeauftragten (Streichung von § 38 BDSG), den Entsorgungsverantwortlichen und den Immissionsschutzbeauftragten.“
Wenn der Datenschutz auf der Ebene, auf der die Daten erfasst werden, nicht mehr durchgesetzt wird, wer soll diesen dann durchsetzen? Hier wieder Lindner mit „Bedenken second“.
Im Arbeitspapier der AG 3 – „Digitales“ ist auf Seite 3 zu lesen:
„Wir wollen eine Kultur der Datennutzung und des Datenteilens, die Datenökonomie etabliert, auf Innovation setzt, Grund- und Freiheitsrechte schützt. Dafür beseitigen wir Rechtsunsicherheiten, heben Datenschätze, fördern Daten-Ökosysteme und setzen auf Datensouveränität.“
Es bleibt zu hoffen, dass bei der „Hebung von Datenschätzen“ nicht so große Schäden beim Datenschutz entstehen, wie Umweltschäden beim Heben von Bodenschätzen.
Die sich diesem Satz anschließende Forderung der CDU „Wir schaffen die Grundlage, um bestehende Regelwerke künftig in einem Datengesetzbuch zusammenzufassen“ klingt vernünftig und erinnert mich an mein Gespräch mit Rafael Laguna vom Januar 2023, als wir über seine Forderung „Wir brauchen als Anlage zur Daten-Schutz-Grundverordnung eine Daten-Nutz-Grundverordnung!“ sprachen. Der Unterschied zur CDU-Forderung war eben, dass bei seiner Forderung die DSGVO das Primat hat.
Fazit: Ich kann nicht im Detail einschätzen, wie die im Arbeitspapier noch plakativen Forderungen sich auf den Datenschutz auswirken. Es ist aber nichts Gutes zu erwarten.
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