Wie ist das nun mit den 745 freien Kita-Plätzen, die es derzeit in Leipzig geben soll? Eine Zahl, die die FDP-Fraktion zur Stadtratssitzung am Mittwoch, 19. März, als Antwort von Sozialbürgermeister Thomas Fabian bekam. Seit Wochen ging ja die Diskussion darum, dass es in Leipzig bis September keine freien Plätze mehr gäbe.

Ein nicht ganz neuer Effekt. Denn im September wechselt ja bekanntlich ein kompletter Jahrgang in die Schule, 4.000 bis 5.000 Kita-Plätze werden frei, die Eltern der Jüngsten können aufatmen und endlich (wieder) zur Arbeit gehen.

Doch mit den gestiegenen Geburtenzahlen hat sich das Phänomen “Alles voll!” in den letzten Jahren immer weiter in Frühjahr verlagert. Die Stadt baut zwar seit 2007, forciert neue Kindertagesstätten, hechelt aber dem gestiegenen Bedarf bislang noch hinterher. Das soll sich ja ändern in den nächsten ein, zwei Jahren. Auch das war Thema einer Pressekonferenz, zu der Bürgermeister Thomas Fabian und Dr. Nicolas Tsapos, Leiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung, am Freitag, 21. März, eingeladen haben.

Aber sie haben auch noch einmal die Zahl von 745 freien Plätzen erläutert, die scheinbar so wundersam aufgetaucht sind. Eigentlich war es eine der ersten Zahlen, die sich Dr. Nicolas Tsapos besorgt hat, der ja sein Amt erst vor sieben Wochen antrat. Das er dabei mitten in einer hochsensible Situation kam, ahnte er wohl. Da gibt es seit dem 1. August 2013 den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für Kinder unter 3 Jahren – und trotzdem geraten spätestens im Frühjahr viele Eltern in die Warteschleife. Kein freier Platz weit und breit.

Die Zahl 745 hat sich am Freitag erst einmal in eine 746 verwandelt. Und zumindest in den nächsten Wochen gilt: Sie trifft tatsächlich erst einmal zur Hälfte zu, nämlich auf die darin enthaltenen 369 Tagespflegeplätze. Abgefragt vom Jugendamt, die Plätze gibt es. Und die klare Aussage von Thomas Fabian: “Diese Plätze können auch sofort besetzt werden. Sie werden auch immer angeboten.”

Dass sie trotzdem von vielen jungen Eltern nicht abgefragt oder besetzt werden, habe, so Fabian, wohl damit zu tun, dass sich viele Eltern einen Betreuungsplatz in einer Kindereinrichtung wünschen. Nicht nur weil die neu entstehenden Einrichtungen sehr modern und attraktiv sind, sondern auch, weil hier Betreuungszeiten von 45 Stunden und da und dort auch mehr angeboten werden. Vielleicht auch, weil viele Eltern eine Tagespflege tatsächlich nur als Übergangslösung sehen.

Aber der Fakt steht: Die 369 Betreuungsplätze sind da.

Die restlichen Plätze setzen sich aus 143 Krippen- und 234 Kindergartenplätzen zusammen. Diese sind theoretisch da. Sie sind gebaut. Die Genehmigungen liegen vor. Zum größten Teil befinden sie sich in den neuen, in den letzten Jahren eröffneten Kindertagesstätten, zum größten Teil – so Nicolas Tsapos – in Einrichtungen freier Träger. Und die haben natürlich ein Interesse daran, in ihren Einrichtungen eine ausgewogene Altersmischung herzustellen. Das heißt: Viele eröffnen erst einmal mit zwei Gruppen und bauen die Folgegruppen in den nächsten Jahren erst auf, stellen auch dann erst Personal ein. Alles auch, um zu verhindern, dass sich so eine Einrichtung etwa im September schlagartig leert.

Die genannten Zahlen habe er so abgefragt, betont Tsapos. Jetzt ist freilich der nächste Schritt fällig: Er muss mit den Leitungen der Einrichtungen reden, dass sie die Plätze trotzdem schon besetzen. Nur dann stehen sie auch zur Verfügung. Bei kommunalen Einrichtungen wäre das einfach, da genügte eine Weisung. “Aber da sind fast alle Plätze besetzt, dafür haben wir schon gesorgt”, so Fabian.

“Deswegen”, sagt Tsapos, “muss ich jetzt in Gespräche mit den Trägern eintreten. Wir wollen das unbedingt. Und wenn möglich noch vor dem Sommer. Denn jetzt stauen sich die Probleme.”

Für die Träger heiße das natürlich, dass sie noch Personal einstellen müssen, um die Betreuung abzusichern. Keinesfalls, so Taspos, sollten die gesetzlichen Vorgaben aufgeweicht werden.

Ein Thema war am Mittwoch im Stadtrat auch noch die sogenannte 2-Prozent-Reserve, mit der Kindertageseinrichtungen Plätze als Notreserve freihalten – zum Beispiel für Anfragen vom Allgemeinen Sozialdienst oder für Geschwisterkinder. “Aber diese Reserve gibt es praktisch nicht mehr”, sagt Fabian. “Sie ist in fast allen Einrichtungen ausgereizt.”

Heißt also in der Summe: Aktuell sind 369 Plätze in der Tagespflege verfügbar.

Die anderen 377 Plätze erst dann, wenn die Träger der Einrichtungen sagen: Wir machen mit, wir richten zusätzliche Gruppen ein. Da Tsapos jetzt erst in die Gespräche einsteigt, kann das noch dauern. Ebenso dauert es auch noch mit der Installation der vier Ansprechpartner, die sich ganz allein um die Kommunikation mit den suchenden Eltern kümmern sollen. “Das müssen echte Fachkräfte sein”, sagt Tsapos. “Die müssen wir natürlich aus unseren Strukturen holen.” Ihre Arbeit aufnehmen können sie wahrscheinlich am 1. April. Dann bekommen die Eltern im Rathaus endlich, was sie seit acht Jahren vermissen: direkte Ansprechpartner für ihre Suche nach freien Betreuungsplätzen. Eine Aufgabe, die das Kitaplatzportal der Stadt ja nie erfüllen konnte.

Wirklich entspannen soll sich die Lage mit über 40 neuen Kindertageseinrichtungen, die 2014 und 2015 ans Netz gehen. Dazu ausführlicher mehr – morgen an dieser Stelle.

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