Ein sichtlich gerührter Sir Ralph Kohn nahm am Mittwoch die Ehrenmedaille seiner Heimtatstadt Leipzig entgegen. Der vielfach geehrte Mediziner und Musikförderer musste als Junge mit seiner Familie aus der Bachstadt fliehen. So überlebte er die Shoah. Die Liebe zur Musik führte ihn in seinen Geburtsort zurück: als Förderer des Bachschen Erbes.

Seit gut sieben Jahrzehnten lebt der gebürtige Leipziger Ralph Kohn nun schon in Großbritannien. Seit dem 15. Juni 2011 trägt der am 9. Dezember 1927 in der hiesigen Lortzingstraße Geborene die Ehrenmedaille seiner Heimatstadt.

Ralph Kohn dankte am Mittwoch sichtlich gerührt mit einer Mischung aus kindlicher Freude und britischem Understatement. Er wünschte, seine Mutter hätte die lobenden Worte des Leipziger Oberbürgermeisters über ihn gehört. Und er hoffte, dass Pfarrer Christian Wolff ihm bestätigen könne, dass das aus theologischer Sicht möglich sei.

Gleichwohl habe er niemals verstanden, warum man für Dinge geehrt werde, die man aus Liebe tut. Denn seine “Liebesaffäre mit Bach”, mit Johann Sebastian Bach und der Bachstadt Leipzig hätte ihn zur Pflege und Verbreitung der Bachschen Musik in England und später in Leipzig inspiriert. Die Liebe hätte ihn die Bachforschung, Bauvorhaben in Leipzig und das hiesige Bachfest mit beträchtlichen privaten Mitteln unterstützen lassen. “Mit seinem Beitritt zum Kuratorium der Stiftung Bach-Archiv 2002 und zur Stiftung “Chorherren zu St. Thomae” 2004 förderte die Kohn Foundation das Bach-Archiv, insbesondere dessen Bauvorhaben 2008 – 2010, sowie die Kirchenmusik der Thomaskirche und das Bachfest in außerordentlich großzügiger Weise”, heißt es dazu würdigend von der Stadt Leipzig.

Bereits 1934 war die Leipziger jüdische Familie Kohn in die Niederlande emigriert, weil der Vater wohl eine ziemlich präzise Vorahnung von dem hatte, was Juden im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten angetan werden würde. Im Jahre 1940 folgte die erneute Flucht vor den Nazis – diesmal nach Großbritannien, wo die Familie heimisch wurde.Ralph Kohn wurde ein angesehener Mediziner und Pharmakologe, später zugleich ein erfolgreicher Unternehmer. Seine Liebe zur Musik im Allgemeinen und zum Schaffen Bachs im Besonderen wurden seine Leidenschaft. Im Jahre 1961 sah er seine Heimatstadt erstmals wieder, seit gut zehn Jahren besucht er sie regelmäßig.

Über die Kohn Foundation finanziert der Geehrte seit vielen Jahren einen monatlichen Bach-Kantaten-Zyklus in der Royal Academy of Music in London. Die Stiftung verleiht zudem jährlich einen Bach-Preis. Dieser wird 2012, im großen Jubiläumsjahr der Thomaner, an den hiesigen Knabenchor nebst Thomaskantor Thomas Biller gehen, wie der 2009 von der Queen geadelte Sir Ralph am Mittwoch schon mal verriet.

“Persönlich begeistert” sei er von der Ehrung, sagte Küf Kaufmann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Leipzig, nach der Ehrung zu L-IZ. “Weil die Menschen, die als unglückliche Kinder die Stadt verlassen mussten, nun als reife Menschen wieder zurück kommen mit Glücksgefühlen”. Menschen wie Ralph Kohn hätten die Auszeichnung verdient, “weil sie fähig sind, die Vergangenheit so zu verarbeiten, dass die wieder Liebe zu ihrer Heimatstadt empfinden können”.

Doch auch Leipzig selbst habe dazu beigetragen, dass diese Menschen gern wiederkommen, so Küf Kaufmann weiter, weil es vielfältig und offen ist.Ganz im Selbstlauf stellt sich dieser Zustand weder ein, noch bleibt er erhalten. Denn die Zustimmung zur Verleihung der Ehrenmedaille fiel am 18. Mai 2011 im Stadtrat nicht einstimmig aus. Eine Gegenstimme und eine Enthaltung vermerkt der Entwurf zum Sitzungsprotokoll an dieser Stelle. Von der Pressebank im Sitzungssaal aus betrachtet, ist dieser Schatten braun, der auf die Verleihung fällt.

Doch der Tag der Preisverleihung war zu Recht ein Tag der Freude. “Dem Mediziner wurde die Musik zur Medizin, und gottlob wurde die Entscheidung so früh getroffen”, lobte Oberbürgermeister Burkhard Jung. “Glücklicherweise hat alles in Leipzig begonnen”, dankte der Leiter des Bach-Archivs, Professor Christoph Wolff, dem Geehrten.

“Bachs Geist schwebt ohne jeden Zweifel noch immer über diese Stadt”, sah es Ralph Kohn selbst. Eine wahre “Galaxy of Stars” stelle das Klein-Paris an der Pleiße mit Blick auf seine musikalische Tradition dar.

Laut Thomaspfarrer Christian Wolff hat Leipzig in Ralph Kohn “wiederum einen ganz würdigen Preisträger”. Neben all dem Großartigen, das Kohn für die Bachsche Musik und Leipzig getan habe, sei er selbst dankbar dafür, “diesen Menschen zu kennen und mit ihm befreundet zu sein”.

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