Leipzig stellt sich dem demografischen Wandel und richtet die offene Seniorenarbeit neu aus. Im Jahresverlauf 2013 sollen Seniorenbüros in allen zehn Stadtbezirken entstehen. Die Büros sollen "Anlaufpunkt für die Beratung von Senioren und Koordinierung der Angebote im Stadtteil" werden, sagte Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) am Freitag.

Leipzigs wächst. An Weißer Elster und Pleiße werden seit einem guten Jahrzehnt jährlich mehr Einwohner gezählt und mehr Kinder geboren. So die statistisch abgestützte Botschaft, die in der Messestadt Zuversicht und Lust auf Zukunft verbreiten soll,

Das ist aber nur die eine Seite der demografischen Wahrheit. “Eine Entwicklung zeichnet sich für Leipzig wie für viele Großstädte in den neuen Bundesländern deutlich ab: In den nächsten 10 bis 15 Jahren wird es einen überdurchschnittlichen Anstieg der hochaltrigen Menschen geben.” So steht es in der Ratsvorlage “Förderprogramm der Stadt Leipzig zur Neuausrichtung der offenen Seniorenarbeit” auf Drucksache Nr. V/2563.

Weiter heißt es dort: “Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung der Stadt Leipzig ist stetig gestiegen und betrug ab 2004 mehr als ein Fünftel. Die Zahl der Hochbetagten (über 85-Jährige) steigt seit 2004 wieder und wird lt. Bevölkerungsvorausschätzung die in den nächsten Jahren am stärksten ansteigende Altersgruppe sein.” Die gleiche Entwicklung beschreiben Prognosen, die vor einem Jahr der Volkswirt Bernd Raffelhüschen im Auftrag des sächsischen Sozialministeriums vorlegte.
Dieser demografische Wandel muss niemanden ängstigen, wenn die Entwicklung nicht durch Fixierung auf klassische “Kinder + Wachstum = Dynamik”-Botschaften verdrängt wird.

Mit der Neuausrichtung der offenen Seniorenarbeit will die Leipziger Stadtverwaltung der demografischen Entwicklung Rechnung tragen. Das Ziel ist in der Ratsvorlage in offenen Worten beschrieben: “Als Schnittstelle zu den ambulanten und stationären Einrichtungen, die durch die Pflegekassen geplant und organisiert werden, trägt die offene Seniorenarbeit zum Erhalt der Selbständigkeit und zum Hinauszögern einer stationären Heimaufnahme bei.”
Ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Umfeld ist aus ethischer Perspektive nicht nur die bessere Alternative. Eine Heimunterbringung der Mehrheit der Senioren und Hochalten überfordert wirtschaftlich das Sozialsystem, wie alle Kommunen – da sind sich die Experten einig.

Mit den Seniorenbüros soll dieser Weg gegangen werden. “Seniorenbüros sind quartiersbezogene und wohnortnahe städtische Anlaufstellen für Seniorinnen und Senioren, ältere Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige und Akteure im Stadtteil”, so die Definition der Stadtverwaltung, “sie bieten Information, Beratung und Unterstützung an, vermitteln an Fachdienste und sind Vernetzungspunkt für weitere Angebote.”

Hier sollen Informations- und Beratungsangebote weit über die klassische Seniorenbegegnung hinaus angeboten werden, erläuterte Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) am Freitag beim Pressegespräch. Nach seinen Worten geht es um niedrigschwellige Angebote an “attraktiven Orten, an denen Senioren sehr gern hingehen”.

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In den Büros werden hauptamtliche, sozialpädagogische Fachkräfte tätig sein, ergänzte Martina Kador-Probst, Leiterin des Sozialamtes. Beispielsweise sollen diese bei Interesse an Informationsangeboten in einem Gespräch “zur eigentlichen Problemlage vorstoßen”, so Kador-Probst weiter.

Seit März 2012 besteht ein solches Seniorenbüro bereits in der Stuttgarter Allee 21 in Grünau. Derzeit trägt die Arbeiterwohlfahrt AWO diese Einrichtung. “Das Modellprojekt ?Seniorenbüro Grünau’ wird von den Bürger/-innen Grünaus angenommen”, steht in dem ersten Evaluationsbericht aus dem Vormonat. “Es bildet zunehmend einen wichtigen Knotenpunkt im Sozialraum des Stadtteils”, schätzen die Prüfer ein, “durch die enge Zusammenarbeit mit dem Sozial- und anderen Fachämtern kann hier ein für die Bürger/-innen notwendiges, wohnortnahes Angebot vorgehalten werden.”

Solche Angebote sollen ab dem nächsten Jahr in allen zehn Stadtbezirken entstehen. Die Bewerbungsphase für Träger der Einrichtungen läuft noch bis zum 2. November 2012. Ab 2013 stehen dann im städtischen Haushalt jährlich 600.000 Euro für diese Büros bereit. Bestehende Begegnungsstätten bleiben bestehen.

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