Zu den Feierlichkeiten zum Doppeljubiläum von Völkerschlacht und Denkmal gehört eine "Politische Begegnung im Herzens Europas". Doch politische Vertreter der Bundesregierung wollen am 18. Oktober 2013 bislang nicht nach Leipzig kommen. Leipzigs CDU-Bundestagsabgeordneter Dr. Thomas Feist sieht hier die Stadtverwaltung gefordert. Große Gesten und starke Bilder gab es am Dienstag in Berlin. Die politischen Spitzen Frankreichs und Deutschlands erinnerten der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages vor 50 Jahren.

Was als Grundlegung einer bilateralen Zusammenarbeit begann, gilt heute als Modellfall zwischenstaatlicher Verbindung und Verschränkung. “Heute können wir sagen, dass daraus ein Baum der deutsch-französischen Freundschaft geworden ist”, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Im Tandem gaben beide Länder der Europäischen Gemeinschaft und der heutigen Europäischen Union in den letzten fünf Jahrzehnten immer wieder den Takt vor. Eine beachtliche Leistung. Denn im Zeitalter des europäischen Nationalismus begriffen sich beide Seiten als “Erbfeinde”. Eben diese “Erbfeindschaft” kulminierte auf schreckliche Weise in den beiden von Deutschland begonnenen Weltkriegen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

So wurden die letzten 50 Jahre der deutsch-französischen Beziehungen immer wieder markiert von bildstarken geschichtspolitischen Gesten der Aussöhnung. Zu nennen sind insbesondere der Händedruck des damaligen französischen Präsidenten Francois Mitterrand und des westdeutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) am 22. September 1984 auf den Schlachtfeldern von Verdun anlässlich der Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 70 Jahre zuvor.

Was damals noch nicht möglich war, geschah 20 Jahre später: Im Juni 2004 nahm der seinerzeitige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) an den Feierlichkeiten zur 60. Wiederkehr der westalliierten Landung an den Stränden der Normandie teil. Eben jener D-Day 1944 leitete die Befreiung Frankreichs von deutscher Besatzung ein. Mit jener zweiten Front im Westen rückte die Niederlage Nazideutschlands näher.
Beide Weltkriege bleiben wegen ihrer zerstörerischen Wucht erinnerungspolitisch so wirkungsmächtig, dass sie die Kriege des 19. Jahrhunderts überlagern. Also jene Zeit, in der sich jener Nationalismus zu entfalten begann, der die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts erst möglich machte.

Das hat Folgen für Leipzig. Zwischen 50 Jahre Elysée-Vertrag 2013 und 70 Jahre D-Day und 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den die Franzosen den Großen Krieg nennen, passt das diesjährige Leipziger Doppeljubiläum von Völkerschlacht und Völkerschlachtdenkmal nicht in den Terminkalender von Regierungsvertretern auf nationaler Ebene.
Erich Loest: Denkmal als moralisches Zentrum

Dabei erscheint das Völkerschlachtdenkmal “würdig, ein moralisches Zentrum unserer Bundesrepublik Deutschland zu werden”, zitiert der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Feist gegenüber L-IZ den Schriftsteller und Ehrenbürger seiner Löwenstadt, Erich Loest “Es ist in Idee und Ausführung frei von Machtstolz, Siegesrausch und nationalistischem Überschwang, trotz seiner Wucht wirkt es nicht frei von Demut”, so Loest weiter, “alle Entfremdungsversuche sind gescheitert.”

Thomas Feist ist sich sicher, “dass die vielen Vereine, die sich inhaltlich der Völkerschlacht widmen, die Botschaft des Friedens und der europäischen Verständigung aussenden, auch wenn sicher über szenische Darstellungen der Schlacht kontrovers diskutiert werden kann und wird”. Feist hat bei Vor-Ort-Besuchen in den Oktobertagen der Vorjahre erlebt, “wie Menschen aus ganz Europa über das Thema miteinander in friedlicher Eintracht ganz selbstverständlich als Europäer verbunden sind”.

Der frühere Leipziger Oberbürgermeister und heutige SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Tiefensee begreift die Völkerschlacht “in erster Linie als eine menschliche Tragödie mit vielen Toten und Verletzten”. Das Völkerschlachtdenkmal ist für ihn als Leipziger “natürlich ein Teil Heimat, verbunden mit der Liebe zu meiner Stadt, mit Erinnerungen”, so Tiefensee zu L-IZ. Für den SPD-Politiker ist das Denkmal “in all seiner dunklen Klotzigkeit von einer seltsamen Schönheit”.

In der Finanzkrise das europäische Friedenswerk fortsetzen

“Gleichzeitig ist es ein problematisches Zeichen national-völkischer Gesinnung, die wir für immer überwinden müssen”, stellt Tiefensee klar. Als Oberbürgermeister habe er sich für die Neuausrichtung der Präsentation des Denkmals eingesetzt, die nun im Jubiläumsjahr zum Tragen kommt. “Die Völker und Staaten Europas sind einander in Freundschaft verbunden, und gerade jetzt, in der Finanzkrise, wird uns aufs Neue bewusst, dass wir das Friedenswerk fortsetzen müssen”, unterstreicht Tiefensee gerade mit Blick auf Euro-Rettung, EU-Festigung und das aktuelle Elysée-Jubiläum.

Dass bislang kein Vertreter der Bundesregierung an der “Politischen Begegnung im Herzens Europas” am 18. Oktober 2013 sprechen wird, schreibt Feist der Diskussion in der Stadt zu. “Jeder sagt offiziell etwas und jeder etwas anderes”, meint der CDU-Politiker. Das bliebe beim Bund niemandem verborgen.

“Wenn die Stadt Leipzig also nicht genau weiß, was sie eigentlich will – formal wie inhaltlich – wird es schwer werden, jemanden von außerhalb zu finden, der sich für das Jubiläum begeistert”, lautet Feists Schlussfolgerung. Wenn man einen deutschen Regierungsvertreter bei den Festlichkeiten wolle, seien der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), als Schirmherr der Leipziger Veranstaltung, sowie die Verantwortlichen der Stadt Leipzig gefragt, sich zu engagieren.

“Ich gehe davon aus, dass die personell gut bestückte Abteilung des Oberbürgermeisters im Verbund mit den politischen Kontakten des europäischen Parlamentspräsidenten hier ganze Arbeit leisten wird”, sagt Feist, “der Erfolg dieser Bemühungen wird sich dann zeigen.”

www.voelkerschlacht-jubilaeum.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar