Straßenbenennungen in Leipzig erwiesen sich ja in den letzten Jahren nicht immer als glücklich, auch nicht als besonders erfindungsreich. Was macht diese Stadt eigentlich, wenn der Gartenpflanzenkatalog des bevorzugten Baumarktes abgearbeitet ist? - In der Dienstberatung am 29. Januar wurde der neueste Schwung von Straßen(um)benennungen vorgestellt. Natürlich ist ein Azaleenweg dabei. Man sieht schon richtig die Azaleen in kleinen Vorgärten vor sich, dahinter der beliebte Haustyp "Berlin" oder "Würzburg" oder "Bremen".

Klar wäre das eine Variante: einfach mit ordentlichen deutschen Städtenamen weitermachen. Dinkelsbühl, Hitzacker oder Wuppertal wären herrliche Vorlagen für wirklich schöne Straßennamen. Nicht diese Retortennamen für gesichtslose Katalog-Wohnparkstraßen.

Darauf, dass mal jemand Eulenspiegelgasse, Kohlhaas-Brücke oder Dr.-Faust-Weg vorschlägt, kann man wohl lange warten. Waren übrigens – so weit man der Literatur glauben darf – alle drei mal in Leipzig.

Aber vielleicht tun’s auch Getreidesorten? – Während der Vorschlag für den Azaleenweg nach Holzhausen geht (der Vorschlag stammt übrigens aus dem Ortschaftsrat), soll Lausen einen Dinkelweg bekommen. Freilich steht in der Vorlage der Verwaltung nicht, wer das vorgeschlagen hat. Nur der Grund: “Auf dem Gelände des ehemaligen Bauerngehöftes Lausener Dorfplatz 6 entsteht ein kleines Wohngebiet mit einer neuen Straße, an der insgesamt 18 Häuser
gebaut werden. Es wird vorgeschlagen, die Straße Dinkelweg zu nennen, in Erinnerung an vorwiegend landwirtschaftlich geprägte ehemalige Gemeinde Lausen (es gab nur einen einzigen Industriebetrieb). Das Gelände um das neue Wohngebiet weist zum Teil noch dörfliche Strukturen auf.”

Warum dann nicht Gänsegasse? Dreschflegelweg? Oder Hinterm Alten Stall? – Haben die Leute, die neue Straßennamen vorschlagen, keine Phantasie? Oder wollen sie niemandem wehtun? – Einen Haferring gibt es in Leipzig übrigens schon, Roggen und Weizen sucht man noch vergeblich. Genauso wie Flachs und Hanf. Da ist also noch Manches möglich.

Die Lindenthaler werden sich freuen: Sie bekommen die Landsberger Straße wieder. Die ist nämlich aus dem Ortsbild verschwunden, als die Louise-Otto-Peters-Allee gebaut wurde. Doch jetzt hat die Post Schwierigkeiten, in Lindenthal die Briefe ordentlich zuzustellen. “Südlich des Tannenwaldes an der Salzstraße befindet sich eine Wochenendsiedlung, die bisher adressmäßig keiner Straße zugeordnet ist. Aus Ordnungs- und Orientierungsgründen ist es notwendig, eine eindeutige Adresse zu vergeben. Eine Adresszuordnung zur Salzstraße ist nicht zweckdienlich, da diese im Bereich der Louise-Otto-Peters-Allee unterbrochen ist”, heißt es in der Begründung der Stadtverwaltung. Und weil es sich bei dem in Frage kommenden Straßenstück sowieso um einen Teil der alten Landsberger Straße handelt, die südlich von Lindenthal tatsächlich noch als Landsberger Straße ins Leipziger Stadtgebiet führt, schlägt die Verwaltung vor, die Straße jetzt einfach Alte Landsberger Straße zu nennen.In Stötteritz soll es eine große Freude für die Leipziger Hockeysport-Freunde geben. Der Weg entlang des Johann-Jakob-Weber-Platzes soll künftig Langnerweg heißen, nach Gerhard Langner. Im Text der Begründung: “Der Allgemeine Turnverein zu Leipzig von 1845 e.V. beantragte eine Benennung nach seinem im März 2012 verstorbenen Präsidenten des Vereins und Präsidenten des Sächsischen Hockeyverbandes Gerhard Langner. Gerhard Langner hat großen Anteil daran, dass mit den Weltmeisterschaften (2003) und Europameisterschaften (2012) im Hallenhockey der Männer und Frauen mehrfach internationale Meisterschaften in Leipzig stattfanden. Außerdem war er Mitinitiator und Vorstandsmitglied der Fördervereine Völkerschlachtdenkmal e.V. und Leipziger Stadtfest e.V. sowie aktives Mitglied der Stiftung Bürger für Leipzig und Geschäftsstellenleiter der kommunalen Arbeitsgemeinschaft Grüner Ring Leipzig.”

Man darf ja nicht nur meckern. Es gibt ja tatsächlich auch eine Menge Leute in Leipzig, die sich wirklich was denken, wenn sie was vorschlagen. Und ein solcher Vorschlag stammt aus Knautkleeberg. Dort entsteht im Gebiet nördlich der Fortunabad-/Dieskaustraße im Blockinnenbereich ein kleines Wohngebiet mit einer neuen Straße.

Und was schlagen die Knautkleeberger vor? – Man benenne die neue Straße Syrakusweg. Da muss die Begründung in der Verwaltungsvorlage gar nicht erst erwähnen, dass “östlich des entstehenden Wohngebietes … die Seumestraße” verläuft. Die Knautkleeberger kennen ihren Seume, der in Knautkleeberg seine Kindheit verbrachte. Im Begründungstext: “Johann Gottfried Seume, in Poserna nahe Leipzig geboren, unternahm zwei große Reisen, eine davon nach Syrakus. Sein Bericht ‘Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802’ machte ihn deutschlandweit bekannt und wurde Vorbild für viele folgende Reisebeschreibungen. Die Benennung erfolgt anlässlich des 250. Geburtstages Seumes (geboren am 29.01.1763).”

Der Zugang erfolgt übrigens von der Dieskaustraße aus.

Womit sich der Kreis trotzdem schließt. Denn die Seumestraße bekam ihren Namen 1909, damals noch rechtzeitig vor seinem 100. Todestag. Wer also nicht so gut zu Fuß ist wie einst Johann Gottfried, der fährt jetzt einfach nach Knautkleeberg und läuft da auf der Seumestraße zum Syrakusweg. Dass man so vielleicht nicht in das berühmte Syrakus auf Sizilien kommt, ist nicht so schlimm. Aber es könnte animieren zu weiteren heimischen Heldentaten. Stichwort: Weltkulturerbe. Das Städtchen, das Seume 1802 zum Ziel seiner Wanderung machte, ist seit 2005 Weltkulturerbe.

Syrakus in Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Syrakus

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