Das ehemalige Fechner-Gymnasium in der Löbauer Straße ist nun eine Notunterkunft für Asylbewerber. Betreut werden sie von der Firma European Homecare. Der Sozialdienstleister kümmert sich um Einrichtungen dieser Art in ganz Deutschland. Pressesprecherin Renate Walkenhorst gab L-IZ.de nun ein Interview. Sie und Claudia Berge, Sozialbetreuerin in der Löbauer Straße, sprechen über die Situation in der ehemaligen Schule und wie die Menschen dort leben.

Frau Walkenhorst, Sie sind eine Art reisende Pressesprecherin?

Walkenhorst: Heute bin ich hier, morgen in Brandenburg, dann fahre ich zurück nach Essen. Immer da, wo ich gebraucht werde. Das lässt sich kaum anders organisieren. Ich sehe meine Aufgabe darin, im Prinzip von `learning by doing’, unseren neuen Mitarbeitern zu vermitteln, wie man sich gegenüber der Presse verhält. Da geht es um Fragen nach unserer Firma, zum Beispiel wie viele Einrichtungen wir betreuen und ähnliches. So etwas können Neulinge nicht wissen, woher auch?

European Homecare betreut 30 Einrichtungen. Wie unterschiedlich ist das Klientel?

Walkenhorst: Nicht sehr unterschiedlich. Bei der Verteilung der Menschen versuchen die Behörden Schwerpunkte zu setzen. Zum Beispiel finden sich in Brandenburg viele Flüchtlinge aus Eritrea. Als aber in Tschetschenien der Krieg wütete und die Menschen von dort flüchteten, wurden diese Flüchtlinge eher gleichmäßig über die Republik verteilt. Jetzt sind es die Syrer, welche ebenfalls überall hingeschickt werden.

Um es klarzustellen: Alle Menschen, die zu uns kommen, sind gleich. Sie kommen aus Not. Sie wollen zu Ruhe kommen und endlich wieder wie Menschen behandelt werden. Hier in Deutschland stellen sie einen Antrag, wenn sie denn bleiben möchten. Unsere Aufgabe als Sozialdienstleister besteht darin, ihnen gute Bedingungen zu bieten, so dass sie auch Vertrauen zu unseren Mitarbeitern aufbauen können.

Was tun sie konkret für die Menschen? Wie sieht zum Beispiel der Tagesablauf hier in der Löbauer Straße aus?

Walkenhorst: Es beginnt mit dem Frühstück. In dieser Schule ist es nicht möglich, Gemeinschaftsküchen einzurichten. Daher versorgen wir die Bewohner drei Mal täglich mit Essen. Für die Kinder tun wir eine ganze Menge. Ich meine, wir sind erst seit zehn Tagen in diesem Gebäude.

Berge: Wir arbeiten mit der Stadtverwaltung daran, dass es hier Deutschunterricht geben wird und eine Freiwilligen-Gruppe hat angeboten, bei der Kinderbetreuung zu helfen, was ich großartig finde. Nichts ist besser als der Kontakt zu den Bürgern.

Die Kinder gehen nicht zur Schule, während sie hier untergebracht sind. Denn es wäre sinnlos, solange sie in vier Monaten andere Quartiere beziehen. Hier hätten sie dann Freunde gefunden und würden schon wieder von ihnen getrennt. Daher arbeiten wir erst einmal daran, hier Deutschunterricht bieten zu können.

Zudem ist es für die Menschen wichtig, uns Mitarbeitern zur Hand gehen zu können. Sie helfen uns zum Beispiel bei der Reinigung und der Organisation der Waschküche. Zum einen verdienen sie so etwas Geld. Zum anderen bietet es Ablenkung.

Wie hoch ist die Bezahlung?

Walkenhorst: Kippen Sie bitte nicht um, wenn ich das sage: Der Stundenlohn beträgt 1,05 Euro. Dies ist der Mindestsatz für ihre gemeinnützige Arbeit. Doch man darf nicht unterschätzen, dass die Bewohner dies auch tun, um ihre Dankbarkeit zu zeigen.

Können sich die Bewohner frei bewegen?

Walkenhorst: Ja, natürlich. Sie müssen sich jedoch immer am Eingang an- und abmelden. Wir lösen das mit einer Kopie des Ausweises. Diese ist beim Verlassen des Gebäudes abzugeben und beim Zurückkommen wieder abzuholen. Das ist wichtig für uns, denn wir müssen zu jeder Zeit wissen wer sich im Haus befindet, sonst gehen unsere Mitarbeiter, wenn es brennt, vielleicht ins Haus um jemanden zu retten, der längst draußen ist.

Warum dürfen Reporter nicht in eines der Zimmer hier schauen?

Walkenhorst: Das können wir nicht zulassen, schließlich betrifft dies die Intimsphäre dieser Menschen. In den Kulturkreisen der Flüchtlinge ist die Gastfreundschaft sehr wichtig. Sie würden sich nicht trauen zu widersprechen, wenn jemand hereinkommen wollte. Unser Auftrag ist es, diese Menschen zu schützen. Wir lassen nicht zu, dass sie, die frisch hier angekommen sind, wie Affen zur Schau gestellt werden.

Wie schätzen Sie das Spendenaufkommen ein?

Walkenhorst: Wunderbar. Wir erfahren große Unterstützung von der Organisation “Leipzig hilft”, von dem Runden Tisch und auch den Kirchen. Mittlerweile haben wir Spenden in solchem Ausmaß erhalten, dass wir eine Spendenpause einlegen müssen, da wir in diesem Schulgebäude über nicht genug Lagerkapazitäten verfügen. Wir bekamen Decken, Kleidung, Spielsachen und vieles mehr. Bis Januar bitten wir, von weiteren Gaben erst einmal abzusehen. Dann kommen weitere Bewohner hier an und dann werden wir wieder Spenden annehmen können.

Berge: Jeder Ankömmling braucht ja eine Grundausstattung: Kleidung, Waschbeutel, solche Dinge eben.

Wie viele Menschen werden hier untergebracht und wie werden sie verteilt?

Walkenhorst: Bis Weihnachten werden hier 87 Menschen wohnen, insgesamt werden bis zu 120 hier untergebracht. Jedoch nur bis Ende März. Dies ist schließlich eine Notunterkunft. Die Stadt Leipzig wird ab April Dauerunterkünfte bereitstellen. Meines Wissens nach sucht sie gerade nach geeigneten Wohnungen. Noch steht nicht fest, ob auch wirklich 120 Asylbewerber hierher zugeteilt werden. Dies erledigen die Erstaufnahme-Einrichtung in Chemnitz und deren Außenstelle in Schneeberg.

Hier geht’s zum Teil 2 des Interviews:

“Für Einzelgespräche noch kaum Zeit”: Sprecherin und Sozialbetreuerin der Notunterkunft Löbauer Straße im Interview

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