Am 27. März entschied das Landgericht Düsseldorf dass das Buch des Leipziger Satirikers Julius Fischer "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" nicht weiter vertrieben werden darf. Der in Dresden und Leipzig heimische Verlag Voland & Quist ging bis zum Schluss davon aus, dass die Wahl des Titels durch die Satirefreiheit gedeckt ist, doch das Gericht sah das anders. Wie ist das Urteil vom Autor selbst aufgenommen worden? L-IZ.de hat bei Julius Fischer mal nachgefragt.

Das Landgericht Düsseldorf hat am 27. März entschieden, dass Ihr Buch “Die schönsten Wanderwege der Wanderhure” nicht mehr weiter vertrieben werden darf. Dabei erklären Sie im Buch so schön, wie es zu dem Titel kam. Glauben Sie, dass die Richter den Text gar nicht gelesen haben?

Darüber könnte ich nur spekulieren. Allerdings wäre das Urteil so auslegbar, dass es bestätigt, was ich im titelgebenden Text kritisiere. Dass nämlich der Inhalt des Buches nicht relevant für den Titel sei, da ja der normale Buchkäufer heutzutage nur auf den Titel achte, wenn er das Buch im Internet bestellt oder im Supermarkt in den Einkaufswagen legt.

Was machen Sie nun? Die Geschichten selbst haben ja mit den Romanen der beiden Münchnern, die sich hinter dem Namen Iny Lorentz verbergen, nichts zu tun. Suchen Sie jetzt einen neuen Namen für das Buch? Oder sind Sie von der Düsseldorfer Humorlosigkeit grenzenlos enttäuscht und gehen jetzt erst mal ins Kloster?

Das ist in erster Linie eine Entscheidung des Verlages. Ich kann da nur Zuarbeit leisten, indem ich Titelvorschläge mache. Resignation oder Enttäuschung sind natürlich da, aber deswegen muss man ja nicht gleich ins Kloster gehen und über vermeintliches Unrecht sinnieren.

Haben Sie die “Wanderhure” überhaupt gelesen? Und wenn ja: Mit welchen Gefühlen und Geistesblitzen? Können Sie das Buch weiterempfehlen? Oder braucht man dazu eine gewisse Ernsthaftigkeit, die man erst im höheren Alter gewinnt?

Ich habe reingelesen, ich habe die Filme gesehen. Beides mit einem gewissen Ressentiment gegenüber historischer Fiktion, was mir als ehemaligem Geschichtsstudenten hoffentlich nicht nachgesehen wird. Ich würde allerdings lieber andere Bücher empfehlen.

Ist Ihnen jetzt die Lust vergangen, sich Bücher aus dem ernsthaften Bereich der deutschen Buchladensortimente zu nähern, sie zu zitieren oder gar kreativ zu bearbeiten?

Was bedeutet in diesem Zusammenhang “ernsthaft”? Die Verkaufszahlen? Oder die Qualität? Aber ernsthaft: Man muss durchaus Respekt davor haben, dass Autoren es schaffen, mit ihren Geschichten ein großes Publikum zu erreichen. Man muss deshalb trotzdem die Geschichten nicht gut finden. Und man sollte das äußern dürfen. Schreiben, kreativ arbeiten ist nicht nur Schaffung von etwas Neuem, sondern auch immer das Reiben an bereits Bestehendem.

Ist das Urteil jetzt das Zeichen dafür, dass Satire in Deutschland wieder einmal nicht mehr alles darf? Wird Literatur jetzt – wie zu Kaisers Zeiten – wieder ein Fall für eine sittenstrenge Justiz, die Humor nur noch im Karneval zulässt?

Das Urteil zielt ja nicht nur auf den Schutz des Titels, sondern auch auf den Schutz des Verbrauchers, des Lesers. Bestenfalls wird das Urteil eine Debatte darüber auslösen, was heute als Humor oder auch als Ironie verstanden wird. Wenn diese Debatte am Ende dafür sorgt, dass es weniger Leser gibt, die man vor Ironie oder Satire zu schützen braucht, dann wäre das ein sehr gutes Ergebnis. Oder aber der Humor bleibt ironiefrei und beschränkt sich darauf, den Leuten zu erzählen, was sie ohnehin schon wussten. Dann nenne ich mein nächstes Buch: “Die Bahn hat ganz oft Verspätung.”

Oder war das da in Düsseldorf ein klassisches Fehlurteil, das gewisse Produkte im Markt betrachtet wie einst die Bundesbank die deutschen Geldscheine: “Wer dieses Buch nachmacht oder kopiert oder auch nur persifliert, wird zu einer Haftstrafe nicht unter 99 Jahren verurteilt”? Gibt es also künftig fälschungssichere Literatur, die auch nicht in satirischer Weise benutzt, verballhornt oder belächelt werden darf?

Wenn es Beweise dafür gibt, dass auch nur ein Mensch fälschlicherweise das Buch gekauft hat und es auch nicht zurückgeben durfte, weil er oder sie es schon angefasst hat, dann war es kein Fehlurteil. Verzeihung, ich bin schon wieder ironisch. Um die Frage zu beantworten: Ja, sieht ganz so aus.

Schreiben Sie jetzt ein Buch über die schlimmsten Wanderwege der deutschen Hochliteratur?

Nee, dafür würde sich ja niemand interessieren (Zwinkersmiley). Ich hatte an eine Persiflage der Bibel gedacht. Dafür müsste ich allerdings doch ins Kloster.

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