Eine Zahl hat die ans Sparen in Kultur, Bildung und Soziales fast schon gewöhnten Leipziger im Juli etwas rüde geweckt. 4,4 Millionen soll der 100. Katholikentag, welcher vom 25. bis 29. Mai 2016 in Leipzig stattfinden wird, aus Steuermitteln erhalten. Nach ersten Kalkulationen wird das christliche Laientreffen des Zentralkomitees der Katholiken 9,9 Millionen kosten. 3 Millionen davon sollen der Freistaat, eine Million die Stadt Leipzig und 400.000 Euro der Bund tragen.Am Mittwoch soll im Stadtrat eine Entscheidung fallen.

Seit dem Bekanntwerden dieser Regelung im Vorfeld der Stadtratssitzung am 16. Juli 2014 ist eine heftige Diskussion bis hinein in den Landtag entbrannt. Denn noch sind die Mittel auf Stadt- und Landesebene nicht durch die Parlamente beschlossen.

Kaum ein Politiker oder gar die Leipziger selbst äußerten sich dabei gegen das katholische Jubiläumsfest, bei dem bis zu 100.000 Gäste erwartet werden. Der steuerliche Geldzufluss für eine Kirche, welche mit knapp 22.000 Gläubigen in Leipzig vertreten ist und gemeinhin als reich gilt, sorgte hingegen für nachhaltige Verärgerung. Schwer erklärbar scheint die Bezuschussung vor allem vor dem Hintergrund der anhaltenden Sparhaushalte in Sachsen, welche vor allem zu einem Abbau der finanziellen Möglichkeiten bei den Kindertagesstätten, Schulen und Jugendeinrichtungen ebenso beigetragen haben, wie in der Förderung von Kultur und Sport in der Messestadt.

B90/Die Grünen sind bereits im Juli mit einem Vorschlag vorgeprescht, bei der kommenden Ratsversammlung am 17. September 2014 nur 300.000 Euro zu bewilligen, Die Linke sieht die Bezuschussung eher gegen Null Euro aus Leipzig, SPD und CDU halten sich mit konkreten Ansagen noch zurück. Pikant für die SPD vor allem: Ihr Parteikollege und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Burkhard Jung scheint beim gastgebenden Bistum Dresden-Meißen und dem Zentralkommitee der Katholiken (ZdK) im Wort zu stehen. Was Jung zu ersten Andeutungen verleitete, sich nochmals mit den Genannten an einen Tisch zu setzen und über die Höhe der Mittel aus Leipzig zu sprechen.

Seitens des Zentralkomitees der Katholiken ist es beschlossene Sache, dass der Katholikentag 2016 nach Leipzig kommt. Der Stadtrat wird nun am Mittwoch, den 17. September über die vorliegenden Anträge der Verwaltung über 1 Million und der Grünen über 300.000 Euro entscheiden. Wir haben jetzt schon mal mit Pfarrer Thomas Bohne von der Liebfrauen-Gemeinde in Lindenau über die Problemlage gesprochen.

Können Sie kurz erläutern, was der Katholikentag eigentlich ist, welche Idee dahinter steckt und wie lange es diesen schon gibt?

Der Katholikentag ist ein sogenanntes Laientreffen der Katholiken, das seine Ursprünge im 19. Jahrhundert hatte. Die Katholiken befreiten sich damals im Zuge der Revolution von 1848 von ihren meist evangelischen Lehnsherren, gründeten Vereine und verwiesen auf ihre Eigenständigkeit. Der erste Katholikentag fand im Jahr 1848 in Mainz statt und wurde von den neu entstandenen katholischen Vereinen organisiert. In unserer Gemeinde gab es ungefähr 47 solcher Vereine, darunter die Görres-Gesellschaft, die sich für die Pflege der Wissenschaft und der Kultur einsetzte und damals nach dem 1. Weltkrieg Thomas Mann hier nach Leipzig, vermutlich in den Felsenkeller, eingeladen hatte. Heute sind diese Vereine und Initiativgruppen im “Zentralrat der deutschen Katholiken” organisiert, der den Katholikentag veranstaltet. Im Unterschied zur Gründungsgeschichte ist dieses Gremium sehr auf das Miteinander mit der Evangelischen Kirche orientiert und trägt auch die Ökumenischen Kirchentage in unserem Lande mit.

Was für eine Rolle spielt der Katholikentag für Sie?

Nach dem Katholikentag in Dresden 1994, als die Rolle der Kirchen im Zusammenhang mit dem Wegfall der innerdeutschen Grenze noch eine andere war, hat sich das öffentliche Bild in der Folge etwas abgekühlt. Man denke an die vor 5 Jahren aufgedeckten Missbrauchsfälle mit katholischen Geistlichen, vornehmlich aus den Sechziger und Siebziger Jahren, an Tebartz-van Elst oder an die erzkonservative Piusbruderschaft. Diese Vorkommnisse und öffentlichen Abkühlungen konnte auch der neue Papst Franziskus nicht so schnell wieder aufwärmen.

Dennoch freue ich mich, das vielfältige Engagement der katholischen Kirche auch in Leipzig transparent zu machen. Es ist auch die Möglichkeit, den westdeutschen Katholiken zu sagen, dass wir hier nicht alle mit dem Holzlöffel essen. Auch wenn unsere Zahl klein ist, gibt es ein vielfältiges Engagement.

In Leipzig entsteht am Lutherring die neue katholische Probsteikirche, der Katholikentag wird hier veranstaltet – im protestantischen Kernland vermehrt katholischer Einfluss. Warum ist Ihrer Meinung nach die Entscheidung des Zentralrates auf Leipzig gefallen?

Es gab schon vorher Bestrebungen, in Leipzig den Katholikentag auszurichten. Ich glaube nicht, dass gezielt darauf hingearbeitet wurde, den hundertsten Katholikentag an der Elster und Pleiße zu veranstalten. Da Dresden nun bereits in den Neunzigern den Tag ausgerichtet hatte, war Leipzig nun die nächste ostdeutsche Stadt, die dran war. Leipzig kennt man auch inzwischen weit über die Grenzen hinaus und es hat sich schon durch die Ereignisse 1989 einen internationalen Ruf erarbeitet. In Leipzig gab es mit dem St. Benno-Verlag auch den einzigen katholischen Verlag in der DDR, der kirchliche Schriften, auch aus dem Westen, in großer Anzahl publizieren durfte.

In diesem Zusammenhang hatte Leipzig diesbezüglich eine besondere Stellung. Der St. Benno-Verlag befand sich im Übrigen bis 1995 in der Thüringer Straße (Anm. d. Red.: östlich an die Baumwollspinnerei angrenzend. Heute befindet sich der Verlag in der Stammerstraße in Wahren). Der erste Verlagsleiter Dr. Josef Gülden wohnte auch in unserem Pfarrhaus.

Seit einiger Zeit gibt es eine heftige Debatte über die beantragten Fördermittel. 60 Millionen Jahresetat des Bistums Dresden-Meißen oder die 4,8 Milliarden Kirchensteuer reichen nicht aus, um den Katholikentag zu finanzieren?

Der Jahrestat von 90 Millionen kann nicht mal von den Katholiken vor Ort aufgebracht werden. In diesen Betrag und Bistumshaushalt fließt ein kräftiger Zuschuss des Verbandes der Diözesen Deutschlands hinein, quasi bezuschusst von den Katholiken aus ganz Deutschland. Projekte wie das Elisabeth-Krankenhaus, die Montessori-Schule, Altenpflegeheime oder Kindertagesstätten könnten ohne diesen “Solidarzuschlag” aus dem Westen gar nicht finanziert werden. Von den 4,8 Milliarden Kirchensteuer bleibt am Ende allerdings nichts übrig. Die Zahl klingt erst mal riesig, aber verglichen zu der großen Anzahl an zu finanzierenden Projekten usw. ist das gar nicht soviel.

Das wenigste Geld wird für Gehälter ausgegeben. Viel Geld wird für öffentliche Belange ausgegeben. Dazu gehört die Finanzierung von Krankenhäusern, Altenheimen, kulturellen Aktionen. Aber auch die Instandhaltung von Kirchen und Sozialeinrichtungen, die für alle offen sind und bei denen kein Eintritt verlangt wird, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Und zuletzt werden durch diese Gelder beispielsweise auch karitative Projekte in der Dritten Welt gefördert.

Die Öffentlichkeit vergisst gern, dass es sich hierbei um eine öffentliche Veranstaltung wie jede andere auch handelt. Und wie jede andere auch hat der Katholikentag ein Anrecht auf Fördergelder. Wenn die olympischen Sommerspiele nach Leipzig gekommen wären, hätten sicherlich weniger Menschen gefragt, was das kostet. Aber allen wäre klar gewesen, dass es der Stadt etwas bringt. Und diesen Gewinn erzielt Leipzig auch durch den Katholikentag – nicht nur finanziell. Die Stadt wird nach Schätzungen durch den Katholikentag vier bis fünf Millionen Euro einnehmen.

Die Kritik kommt demnach eher von einem medial aufgebauschten Zerrbild und der Katholikentag ist dafür die geeignete Projektionsfläche?

Ich mache keinem einen Vorwurf, dass er durch das medial gesteuerte Bild gewisse Vorbehalte hat. Im Zusammenhang mit der goldenen Badewanne von Tebartz-van Elst wurde nie erwähnt, dass der Vorgänger in einer 3-Raum-Wohnung gewohnt hat, in der auch Obdachlose schlafen durften. Auch nicht, dass dieser Vorgänger Bischof Franz Kamphaus viele Jahre mit einem klapprigen VW durch die Gegend gefahren ist. Medial wird eher die skandalöse Seite aufbereitet. Dabei handelt es sich natürlich nicht um das gewöhnliche Tagesgeschäft. Es gibt auch noch 120 andere Bischöfe in Deutschland.

Am 17. September wird der Stadtrat über die Vergabe der Fördergelder einen Beschluss fassen. Was hoffen Sie, wie die Geschichte ausgehen wird?

Die Stadträte haben andere Bücher als die Kritiker, die sich bis jetzt gemeldet haben. Die veranschlagte Summe von 1 Million Euro ist eine übliche Summe bei einer Veranstaltung von dieser Größenordnung. Diese Summe liegt weit unter der Einnahmensumme der Stadt. Man würde sich im Falle einer Ablehnung keinen guten Dienst erweisen – nicht nur innerkirchlich, auch öffentlich wäre das ein falsches Signal. Man sollte wissen, dass in viele öffentliche Einrichtungen Gelder der katholischen Kirche fließen.

Abschließend habe ich die große Hoffnung, dass es Lernbereitschaft für das gibt, was die katholische Kirche im öffentlichen Raum leistet. Ich hoffe, dass diese Diskussion eine Wahrnehmung eröffnet, die nicht in große Dankbarkeit umschlagen muss, aber zumindest durch die öffentliche Aufklärung einen AHA-Effekt bewirkt.

Und wenn ich Aha sage, dann sage ich vielleicht nicht so oft Oje.

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