Die Stadt Leipzig hat jetzt ihren alljährlichen Suchtbericht mit den Daten aus dem Jahr 2013 vorgelegt. Der Bericht informiert zu aktuellen Entwicklungen der Sucht- und Drogenhilfe der Stadt Leipzig. Neben den Auswertungen der Träger der Präventions- und Hilfeangebote wurden die Berichte der Polizeidirektion und anderer Institutionen integriert. Und natürlich stehen auch die Fallzahlen der Polizei drin.

“Sucht betrifft viele Menschen – quer durch alle Altersgruppen und sozialen Verhältnisse. Der Schaden einer Abhängigkeit ist groß: Gesundheit und Selbstwertgefühl leiden, der Verlust der Arbeit droht, Familien können zerbrechen. Mit dem Konzept der Leipziger Sucht- und Drogenpolitik haben wir Ziele und Aufgaben beschrieben und eine klare Handlungsgrundlage gelegt,” so Bürgermeister Thomas Fabian. “Der Suchtbericht beschreibt Entwicklungen und Trends. Er zeigt die Vielfalt der Strategien der Prävention, Beratung und Behandlung, Maßnahmen zur Schadensverringerung, Repression sowie Kooperation von Behörden und Suchthilfeangeboten.”

Die Stadt selbst wird vor allem auf dem Gebiet der Prävention und der Suchtkrankenhilfe tätig.

Dazu unterstützt sie sieben Suchtberatungs- und Behandlungsstellen in der Stadt Leipzig. Dort wurden im Jahr 2013 insgesamt 4.066 Menschen beraten und betreut. Zum Vergleich: Das ist fast die gleiche Zahl wie 2010, als 4.063 Personen in den Beratungsstellen betreut wurden. 2007 hatte die Zahl mal bei 4.236 gelegen. 90 Prozent der Ratsuchenden waren selber von einer Suchtkrankheit betroffen, 10 Prozent waren Angehörige, die sich beraten ließen.

Menschen mit Alkoholproblemen, -missbrauch und -abhängigkeit waren auch im Jahr 2013 mit rund 55 Prozent aller Behandelten die größte Klientengruppe in den Suchtberatungsstellen. Aber insgesamt ist diese Behandlungsgruppe seit Jahren abschmelzend. Dafür nimmt die Zahl derer zu, die Probleme mit illegalen Drogen haben und deshalb die Beratungsstelle aufsuchen.

Menschen, die wegen einer Abhängigkeit von illegalen Drogen behandelt wurden, nahmen 39 Prozent der Behandlungsfälle ein. Obgleich bei Methamphetamin (Crystal) in den vergangenen Jahren eine gesteigerte Nachfrage zu verzeichnen war, ist der Anteil der Opiatabhängigen (meist Heroin) unter dieser Gruppe immer noch der größte, betont das Sozialdezernat. Um einen Größenvergleich zu bekommen: Auf 1.971 Alkohol-Fälle kamen 706 Fälle, bei denen Opiate der Grund zur Betreuung waren, 447 Fälle haben mit dem Gebrauch von Crystal Meth zu tun, Cannabis war in 242 Fällen das Hauptproblem.

Der Missbrauch von Crystal weist statistisch die größte Steigerungsrate auf (2013: 447, Vergleich 2012: 330 Klienten). Der Trend wird sich vermutlich weiter in Richtung Stimulanzienabhängigkeit verstärken, befürchtet das Sozialdezernat. Die Stadt Leipzig hat daher die Multiplikatorenschulungen beispielsweise über die “Leipziger Reihe für Suchtprävention” weiter ausgebaut. “Wir wollen das Wissen und die Kompetenzen an die Stellen transportieren, wo es direkt Anwendung finden kann. Das sind in erster Linie Multiplikatoren in der Kinder- und Jugendarbeit, Lehrkräfte und Eltern”, erläutert die städtische Suchtbeauftragte Sylke Lein.
Die meisten drogenabhängigen Klienten waren zwischen 30 und 40 Jahre alt, zunehmend findet man sie jedoch auch in den höheren Altersgruppen. Alkoholabhängige Menschen nehmen die Beratungsangebote zunehmend sehr spät an. War die Mehrzahl der Alkoholabhängigen im Jahr 2012 noch zwischen 40 und 50 Jahren alt, so verschob sich dies im Jahr 2013 in die Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen.

2013 wurden auch 90 Menschen mit pathologischer Glücksspielsucht in der Suchtberatungsstelle Impuls betreut.

Wenn die ambulante Beratung und Betreuung nicht mehr weiterhilft, bleibt meist nur noch der Schritt zur stationären Betreuung. Auch im stationären Bereich nimmt die Anzahl der Behandlungsfälle von Menschen mit Stimulanzien- oder multiplem Substanzgebrauch (Mehrfachabhängigkeit) zu. Im stationären Kinder- und Jugendbereichdes Parkkrankenhauses Leipzig wurde von den Patienten mit der Hauptdiagnose Stimulanzien (“Crystalkonsumenten”) oft zusätzlich Cannabis und Alkohol missbräuchlich konsumiert. In allen Kliniken wurde weiter eine Zunahme drogeninduzierter Psychosen beobachtet.

Trotzdem beschränkt sich das Thema Sucht nach wie vor auf eine kleine Gruppe Betroffener.

Das zeigt sich auch in der polizeilichen Kriminalstatistik: Im Jahr 2013 wurden im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Leipzig im Stadtgebiet 1.434 Rauschgiftdelikte erfasst. 2012 waren es 1.414. Der Anteil der Rauschgiftdelikte an der Gesamtkriminalität lag wie im Vorjahr bei 2,0 Prozent. Wobei die Zahl der Delikte differenziert werden muss: 1.138 waren allgemeine Verstöße, sogenannte Konsumentendelikte. Wirkliche Straftaten waren die 175 gezählten Vorfälle von unerlaubten Drogenhandel bzw. Schmuggel und die 121 sonstigen Verstöße wie illegaler Anbau oder Besitz von große Drogenmengen. “Der größte Anteil der Rauschgiftdelikte ist auf Straftaten mit Amphetamin/Metamphetamin (2013: 534 Fälle; 2012: 475 Fälle), gefolgt von Straftaten mittels Cannabis und Zubereitungen (2013: 641 Fälle; 2012: 713 Fälle), zurückzuführen”, heißt es im Bericht.

Der polizeiliche Verfolgungsdruck ist recht hoch – die sichergestellten Mengen von Betäubungsmitteln übertrafen 2013 deutlich die Werte von 2012. Ein hoher Verfolgungsdruck bedeutet aber auch entsprechend hohe Preise auf dem illegalen Markt. Leipzigs Polizei geht von durchschnittlich 50 bis 80 Euro pro Tag aus, die die Süchtigen brauchen, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Da die meisten aber kaum über ein eigenes Einkommen verfügen, sorgt das für eine wahrscheinlich hohe Zahl von Beschaffungsdelikten. Die sich aber nicht genauer verifizieren lässt.

Im Bericht wird zumindest aber eine Begründung dafür geliefert, warum gerade Crystal im Vormarsch ist und die teureren harten Drogen hinter sich gelassen hat: “Auch Crystal ist als harte Droge einzustufen. Hierbei liegt eine geringere Preisgestaltung im Verhältnis zum hohen Wirkungsgrad vor. Bekannt wird, dass für die Finanzierung der Sucht zunächst vorhandene Eigenmittel aufgewendet und ausgeschöpft werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei steigendem Bedarf Straftaten wie verschiedene Betrugsarten angewandt werden, um den Finanzbedarf zu decken. Die polizeiliche Erfahrung indiziert, dass chronisch und stark Crystalabhängige die niedrigste Hemmschwelle zur Erlangung von Finanzierungsmitteln auf illegale Weise, also durch indirekte Beschaffungskriminalität aufweisen. Als Schwerpunkte indirekter Beschaffungskriminalität gelten im Stadtgebiet Leipzig Raub, Wohnungseinbruch und besonders schwerer Diebstahl (BSD) an/aus Kfz. Die Raubdelikte sowie die Wohnungseinbrüche stagnieren auf einem insgesamt hohen Niveau. Nach wie vor ist die Belastung der PD Leipzig mit Straftaten des BSD an/aus Kfz sehr hoch.”

Einen lokalen Schwerpunkt für die Drogenkriminalität gibt es in Leipzig eher nicht. Dafür sorgt ebenfalls der Verfolgungsdruck der Polizei. Die Dealer weichen aus und organisieren den Verkauf augenscheinlich übers ganze Stadtgebiet, vor allem entlang der Magistralen.

Nicht alle Suchtbetroffenen tauchen auch in den Beratungsstellen der Stadt auf. Manche beenden ihre Drogenkarriere auch früh und auf tödliche Weise. Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Leipzig wurden im Jahr 2013 neun Rauschgifttote (2012: fünf) registriert, sieben davon im Stadtgebiet Leipzig, zwei in den Landkreisen, alle im Alter von 25 bis 38 Jahren, zwei Frauen darunter und der aufsehenerregende Fall eines Asylbewerbers aus der Torgauer Straße.

Und der Ausblick? – Keine Entwarnung, sagt die Polizei: “Das polizeiliche Lagebild und erste wissenschaftliche Studien prognostizieren die Tendenz der weiteren Etablierung der Drogen Crystal und Marihuana in verschiedenen sozialen Bereichen der Gesellschaft sowie in der territorialen Verbreitung im Bundesgebiet. Des Weiteren kann ein erneut steigender Gebrauch von Heroin angenommen werden. Hierfür sprechen die Sicherstellungen.”

Oder einmal ökonomisch formuliert: Für die Drogenindustrie bleibt auch Sachsen ein lukrativer Markt. Da passt man einfach seine Verteilstrategien an, wenn die Polizeibehörden ihre Arbeit verstärken. Denn zu einer heißen Ware gehört eben nicht nur der Dealer, sondern auch der Kunde. Und der bleibt – wen er einmal angefixt ist – ja erhalten. Oder in der Formulierung der Polizei: “Da sich der Bedarf an illegalen Betäubungsmitteln bei einem Suchtverhalten manifestiert hat, kann davon ausgegangen werden, dass stets eine Anpassung der Schmuggel- und Beschaffungswege vorgenommen wird.”

Der Suchtbericht ist unter www.leipzig.de/suchthilfe als Download zu finden.

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