Wie bekommt man eigentlich den Titel "Hochzeitshauptstadt"? Doch eigentlich mit ganz vielen Hochzeiten. Und einem richtigen Hochzeitstourismus. Wie in Wernigerode, wo die Paare so gern auf der Rathaustreppe stehen. Die Leipziger Rathaustreppe hat noch nicht diesen Ruf. Aber dafür hat Leipzig wohl außergewöhnlich viele Örtlichkeiten, wo man heiraten kann. Auch gern im Keller.

Nämlich in den Kasematten der einstigen Pleißenburg. Die gibt es noch – die Kasematten, nicht die Burg. Die einst unter Regie von Baubürgermeister Hieronymus Lotter erbaute Pleißenburg wurde 1899 abgerissen. Bis auf die Grundmauern. Der Stumpf des Burgturms blieb stehen. Und auch die Kasematten der Burg blieben erhalten. Das wissen nicht mal die meisten Leipziger.

Es sei denn, sie haben schon mal eine Führung mit Karsten Pietsch als Hieronymus Lotter mitgemacht in die tiefen Gewölbe.

Jahrelang wusste die Rathausspitze mit den tiefen Gewölben nicht viel anzufangen. Seit dem Bau der diversen Tiefgaragen unterm Burgplatz vor 20 Jahren haben die Kasematten auch noch ein kleines Feuchtigkeitsproblem.

Aber stimmungsvoll sehen sie aus. Wer sie mal gesehen hat, darf sich durchaus an die Gewölbe in der Moritzbastei erinnert fühlen: Sie gehörten beide zum selben Verteidigungssystem.

Und nun findet Leipzigs Verwaltungsbürgermeister, dass es an der Zeit ist, da unten auch ein paar zünftige Hochzeiten zu feiern.

Dazu will er aber vom Oberbürgermeister erst mal beauftragt werden. Das hat das Dezernat jetzt so als Vorlage ins Verfahren gegeben.

“Im Rahmen der Bestätigung der Vorlage ‘Neuausrichtung des Leipziger Standesamtes’ durch die Dienstberatung des Oberbürgermeisters am 19. Mai 2014 wurde das Standesamt u. a. beauftragt, die Umsetzbarkeit von Eheschließungen in den Kasematten der ehemaligen Pleißenburg unter Einbeziehung und Mitwirkung der fachlich zuständigen Ämter der Stadtverwaltung zu prüfen und nach Abschluss der Prüfungen einen Umsetzungsvorschlag zu unterbreiten. – Die vorliegende Information mit Beschlussvorschlag ist Ergebnis einer durch das Amt für Gebäudemanagement in Zusammenarbeit mit dem Standesamt in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Kasematten für Eheschließungen und ähnlich gelagerte Kleinveranstaltungen.”

Man sieht: Ohne Gutachten passiert im Rathaus heutzutage nicht allzu viel. In diesem Fall war es aber wichtig, denn bei Trauungen, zu denen ja in der Regel nicht nur das Hochzeitspaar kommt, sondern auch jede Menge aufgewühlter Gäste, muss man für ordentliche Beleuchtung, Belüftung und ausreichend Fluchtwege sorgen. Allein schon für die Braut. Falls es ihr kurz vorm “Ja” doch wieder mulmig wird.

Aber baulich scheinen die Kasematten ganz gut geeignet zu sein für so eine Mutprobe: “Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Nutzung der Kasematten für die o. a. Zwecke möglich ist. Damit ist der Stadt Leipzig die Chance eröffnet, in Bezug auf die Attraktivität der Eheschließungsangebote neue Wege mit Alleinstellungscharakter zu beschreiten. Die Nachfrage nach derartigen Angeboten ist zweifelsohne gegeben und dies nicht nur während der ‘Wave-Gotik-Treffen’ an den Pfingstwochenenden.”

Und wenn man schon mal am Prüfen ist, dann kommt man zuweilen auch noch zu anderen Ergebnissen. In diesem Fall: Da unten könnte viel mehr los sein. Und man könnte richtig Geld einnehmen mit den finsteren Gelassen.

“Interessanter Nebeneffekt der Machbarkeitsuntersuchung ist der Umstand, dass die Prüfung bei Berücksichtigung aller brandschutztechnischen Aspekte ergab, dass die Kasematten auch für andere Veranstaltungen mit bis zu maximal 99 anwesenden Personen nutzbar sind”, stellt das Verwaltungsdezernat fest. “Insofern bietet es sich an, die notwendigen baulichen Veränderungen als gesamtstädtische Investition unter Federführung des Dezernates VI in Angriff zu nehmen. Dabei ist die Abt. Denkmalpflege des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege frühzeitig in die weitere Planung einzubeziehen, um die Belange des Denkmalschutzes berücksichtigen und das erforderliche Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege herstellen zu können.”

Und dann kommt’s und wird wahrscheinlich Volker Bremer von der Leipzig Tourist und Marketing GmbH demnächst ein bisschen Arbeit machen. Denn der Titel für die nächste deutschlandweite Poster-Kampagne dürfte klar sein.

“Leipzig ist auf dem besten Wege Sachsens Hochzeitshauptstadt zu werden”, schreibt das vom Heiraten so begeisterte Dezernat. Und verweist darauf, was für exotische Orte man für heiratsbereite Paare in den letzten Jahren alles schon aufgetan hat: “Das Angebotsportfolio wurde entsprechend den Bedürfnissen der Bürger und Besucher in den letzten zwei Jahren kontinuierlich ausgebaut.

Folgende Trauorte werden momentan angeboten:

– großer Trauraum im Stadthaus

– kleiner Trauraum im Stadthaus

– Ratsplenarsaal

– Mendelssohnhaus

– Gohliser Schlösschen

– Sommersaal des Bacharchivs

– Herrenhaus Möckern.”

Und nun das Sahnehäubchen: “Mit den Kasematten findet das Eheschließungsangebot in Leipzig Abrundung und Abschluss.”

Was natürlich so nicht geht. Denn, wenn die Leute, die im Keller heiraten wollen, jetzt ein Angebot bekommen, dann muss es auch eins geben für Leute, die auf dem Turm heiraten wollen. Die Kampagne “Heiraten auf dem Rathausturm” ist hiermit eröffnet.

Und da wir die Zahl der Heiraten schon erwähnt haben. Die haben in Leipzig in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen – von 1.282 (das war der Tiefpunkt) im Jahr 2006 auf 1.557 im Jahr 2013. Die Zahlen für 2014 gibt es noch nicht. Man ist noch bei der Klärung, ob tatsächlich alle “Ja” gesagt haben oder einige sich Bedenkzeit ausbedungen haben.

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