Die Polizei vermeldete im Nachgang zur gestrigen OfD-Demo in Markkleeberg 134 Straftaten. Nicht erwähnt wird dabei, dass sich die Mehrheit von ihnen wegen einer Blockade strafbar gemacht haben soll. Zudem widerspricht ein Mitarbeiter einer Ministerin der Behauptung, dass aus einer Gegenveranstaltung heraus Steine geflogen sind.

Immer wieder kommt es im Umfeld von Demonstrationen für oder gegen Legida(ableger) zu Straftaten und polizeilichen Maßnahmen. Häufig ist die Sache ganz klar. Daran, dass Linksautonome bei der ersten OfD-Kundgebung Ende September Steine auf Polizisten warfen, bestehen ebenso wenig Zweifel wie daran, dass ein Beamter am 20. April am Rande einer Legida-Kundgebung auf einen am Boden sitzenden Gegendemonstranten eintrat. Beides ist durch Videoaufnahmen gut dokumentiert.

Anders verhält es sich mit zwei Vorfällen während des gestrigen OfD-Aufmarsches in Markkleeberg. Laut Polizeibericht sollen Unbekannte aus dem Umfeld der Kundgebung „Markkleebergs Ruf: Kein Rassismus – keine Gewalt!“ gegen 17:17 Uhr Steine auf Polizeiautos geworfen haben. Dabei seien fünf Fahrzeuge beschädigt worden. Zudem meldete die Polizei einen Vorfall in einem Haus „in unmittelbarer Nähe des Versammlungsumfeldes“, das Feuerwehrangaben zufolge in Brand gesetzt worden sei.

In den sozialen Medien wurden deshalb Vorwürfe laut, die L-IZ würde diese Vorkommnisse verschweigen, da sie zwar im angehängten Polizeibericht, nicht jedoch im eigenen redaktionellen Teil Erwähnung fanden. Allerdings hat dies einen Grund: Die beiden anwesenden L-IZ-Journalisten können die genannten Vorfälle nicht bezeugen. Sie befanden sich bis kurz vor 17 Uhr in der Nähe beziehungsweise auf der Kundgebung und haben dort weder etwas gehört noch etwas gesehen. Anschließend begleiteten sie die dort versammelten, späteren Teilnehmer der Sitzblockade in der Raschwitzer Straße zu ihrem Aktionsort. Auch durch andere Kollegen oder in den sozialen Medien gab es keinerlei Hinweise auf diese Vorfälle. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie nicht stattgefunden haben können.

Auf Facebook äußerte sich derweil Sebastian Bothe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping (SPD), zu den Vorwürfen der Polizei. Laut Eintrag auf unserer Facebookseite sei er Mitglied des Aktionsbündnisses und Teilnehmer an besagter Kundgebung gewesen. Er widerspricht der offiziellen Darstellung: „Es flogen von dort weder Pflastersteine noch wurden sonstige Straftaten begangen. Die ökumenische Kundgebung mit anschließenden Redebeiträgen und Musik war eine vollkommen friedliche Veranstaltung. Ohne Gewalt, ohne besondere Vorkommnisse.“

An dieser Stelle sollen mehr als 100 Personen eine Straftat begangen haben. Foto: L-IZ
An dieser Stelle sollen mehr als 100 Personen eine Straftat begangen haben. Foto: L-IZ

Auch in einem weiteren Punkt wirft der Polizeibericht Fragen auf. Mehr als 100 Gegendemonstranten beteiligten sich auf der Aufzugsstrecke der OfD an der Kreuzung Hauptstraße/Parkstraße an einer Blockade. Die Teilnehmer dieser Versammlung wurden anschließend einer Identitätsfeststellung unterzogen, die laut Juliane Nagel (Linke) bis nach 22 Uhr andauerte. Die Polizei hatte zuvor per Lautsprecherdurchsage Strafanzeigen angekündigt. In ihrem Bericht findet sich jedoch kein Hinweis auf diese Maßnahme und somit auch keine Erklärung für die ungewöhnlich hohe Zahl an angeblichen Straftaten: 134. Mehrere Betroffene der Identitätsfeststellung behaupten sogar, keine Aufforderungen der Polizei zum Verlassen der Versammlung gehört zu haben.

Fakt ist: Diese Durchsagen hat es gegeben, etwa gegen 18 Uhr. Der zeitliche Ablauf der folgenden Ereignisse ist jedoch unklar. Uneinigkeit besteht vor allem in der Frage, ob die OfD zum Zeitpunkt, an dem die Polizei Maßnahmen gegen die Gegendemonstranten ankündigte, überhaupt noch den durch sie blockierten Weg laufen sollte oder wollte. Fakt ist dabei ebenfalls: 18:28 Uhr erklärte Silvio Rösler seine eigene Veranstaltung für beendet. Bereits gegen 18:25 Uhr kündigte die Polizei per Lautsprecherdurchsage Maßnahmen und Strafanzeigen gegen die Blockierer an. Unklar ist hingegen, wann die Versammlungsbehörde eine Streckenänderung verfügte. Laut Polizeibericht war dies 18:20 Uhr der Fall. Exakt zu dieser Zeit diskutierte Rösler mit seinen Anhängern, ob man eine alternative Strecke laufen wolle. In jedem Fall kam es zu diesen Ereignissen erst mehrere Minuten nach der dritten Räumungsaufforderung durch die Polizei.

Weiterhin verkompliziert wird die Angelegenheit durch Aussagen von Betroffenen, den fraglichen Ort erst nach der dritten Räumungsaufforderung betreten zu haben.

Der Polizei liegt zu diesem Thema eine Anfrage vor.

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