1993 wurde in Hamburg das erste Integrationshotel eröffnet, also eine Herberge, in der ein hoher Anteil von Menschen mit einer Behinderung arbeitet. Eltern von acht behinderten Kindern hatten das Projekt ins Leben gerufen. Die Idee hat sich von dort über ganz Europa ausgebreitet. Das 1907 bis 1910 erbaute Philippus-Ensemble soll nun das erste Integrationshotel in Leipzig werden. Nun beginnen die Vorarbeiten für das ehrgeizige Projekt.

„Davon träumen wir: Leipzig-Touristen buchen im 3-Sterne-Hotel Philippus. An der Rezeption erhalten sie ihren Schlüssel und eine freundliche Erklärung zum Zimmerservice und Speisenangebot. Wen sollte es stören, dass einer der Rezeptionisten im Rollstuhl sitzt?

Mit dem Fahrstuhl gelangen die Gäste auf einen der breiten Flure im ehemaligen Pfarrhaus. Historische Türen, Dielen, hohe Räume und Fenster mit Blick über das Kirchendach. Ein blitzendes Badezimmer, moderne technische Ausstattung und weiß bezogene Betten. Wer hätte gedacht, dass die Schokolade auf dem Kopfkissen von einem jungen Mann mit geistiger Behinderung am Ende seines Reinigungsdienstes als Gruß hingelegt wurde?“

So stellt das Berufsbildungswerk Leipzig, seit 2012 Träger, das Projekt vor. Das 1907 bis 1910 erbaute Philippus-Ensemble soll das erste Integrationshotel in Leipzig werden. Genutzt werden soll dafür das ehemalige Pfarrhaus. Es wird ein kleines Hotel mit Betten.

Noch gibt es keine Baugenehmigung. Der Bauantrag wurde im Dezember eingereicht. Es habe Nachforderungen gegeben, die nun erfüllt wurden. Bereits jetzt wird Inklusion großgeschrieben. An den Arbeiten sind Mitarbeiter der Werkstatt für Menschen mit Behinderung im Berufsbildungswerk beteiligt. Noch bestehende Schäden am Dach konnten mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz beseitigt werden.

Als die Kirche gebaut wurde, regierte in Deutschland ein Kaiser, klare Hierarchien prägten das staatliche und kirchliche Leben. In vielen Kirchen spiegelt sich dies in der Ausgestaltung. Anders hier: gebaut wurde ein Versammlungsort mit bogenförmig angeordneten Stuhlreihen. Diese setzen sich auf der Empore fort. Oberhalb des Altares findet sich die Kanzel, dahinter die Orgel, die noch original und nur zu 20 Prozent bespielbar ist. Der Organist sitzt seitlich und hat somit direkten Blickkontakt zur Gemeinde. „Der Innenraum der Kirche gleicht mehr einem Aufführungs- und Verhandlungssaal trotz seiner ernsten und edlen, auch des kirchlichen Schmuckes nicht völlig ermangelnden Gestaltung und Ausstattung“, nölte das Landeskonsistorium 1911. Heute finden hier tatsächlich Konzerte statt, für die noch um Helfer geworben wird:

„Damit wir die vielen Konzerte in gewohnter Gastfreundschaft gestalten können, brauchen wir weiterhin die Unterstützung Ehrenamtlicher. Mitglieder des Freundeskreises und Interessierte sind herzlich eingeladen, bei der Begrüßung, beim Sammeln der Kollekte, bei Ordnungsdiensten und der Bewirtung Unterstützung zu geben. Wir werden auch weiterhin unsere Konzerte ohne Eintritt durchführen. Auch die Getränke geben wir ohne einen Kaufpreis aus. Natürlich hoffen wir auch weiterhin auf Spenden zugunsten unserer Orgel.“

Die Reihe der Konzerte am Kanal startet am 12. März um 18 Uhr mit „Membra Jesu nostri“.  Die Musiker von Vox Perpetua spielen Barockmusik, ergänzt durch Texte zur Passion.

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