Angesichts der großspurigen Ankündigungen von Donald Trump und den politischen Weichenstellungen seiner Ministerien müsste man eigentlich meinen, dass die amerikanische Kohleindustrie gerade goldene Zeiten erlebt. Tut sie aber nicht. Denn immer mehr Kohlekraftwerke müssen schließen – und sie tun es in einem immer schnelleren Tempo.

Seit Amtsantritt von Donald Trump ist die Energieproduktion in den amerikanischen Kohlekraftwerken um 39.000 Megawatt gesunken. Allein 2019 wurden 15.100 Megawatt weniger produziert. Aber die Kohlekraftwerke sind nicht die einzigen, die am Abnippeln sind. Die Bibelgesellschaft „Christliche Gemeinschaft der Ölfelder“ ist auch kurz vorm Abschmieren. 2019 hat sie ein Drittel weniger Bibeln in den Arbeiterunterkünften von Texas und New Mexiko verteilt. Und das, obwohl sie eine eigene Version der Heiligen Schrift für die Arbeiter erstellt hat.

„Gottes Wort für die Ölfelder. Treibstoff für die Seele“ nennt sich das illustre Werk, das auf dem Cover folgende Bilder zeigt: 1.) eine Bohrinsel in einem nahezu windstillen Meer, 2.) ein kleines Ölfeld mit einer romantisch anmutenden Tiefpumpe, 3.) ein Arbeiter in einem vollkommen sauberen Hemd und 4.) einen Schutzhelm, auf dem das Antlitz Jesu gemalt ist.

Genützt hat es nichts. Die Arbeiter wollen Gottes Wort trotzdem nicht lesen. Aber vielleicht ist den Männern auf den Ölfeldern auch klar, dass die Bilder auf dem Cover ein bisschen an der Realität vorbeigeflutscht sind. Fest steht jedenfalls, dass die meisten von ihnen nach einem langen Arbeitstag Entspannung suchen und dabei die Wahl zwischen den vier großen B’s haben: Bar, Bett, Bumsfilmchen oder Bibel.

Da auf dem Siegerpodest aber nur drei Plätze frei sind (und die christliche Trinitätslehre auch keinen vierten Platz kennt), müssen die Männer eine Option abwählen. Und so wie es aussieht, fällt den meisten die Entscheidung nicht sonderlich schwer…

Aber gut, die Zahl der Bibeln mag sinken, dafür steigt die der Ölfelder an. Und die der angebohrten Erdgaslagerstätten hat ebenfalls neue Rekordstände erreicht. Zwar hat der fossile Rausch in den letzten Monaten hier und da ein paar ernüchternde Moment erlebt, aber angesichts der neuen Handelsvereinbarungen mit China hat schon wieder eine allgemeine Erdöl- und Erdgas-Extase eingesetzt.

Die Erwartungen sind jedenfalls mindestens so hoch wie die Bohrlöcher tief. Und das hat seinen guten Grund, denn aufs Ganze gesehen boomt die Öl-, Gas- und Petrochemie in den USA wie niemals zuvor. Besonders in Kalifornien, im Mittleren Westen und am Golf von Mexiko ploppen neue Bohrfelder, Förderanlagen, Pipelines, Raffinerien und Transporthäfen schneller auf als Donald Trump twittern kann.

Das alles ist hinlänglich bekannt und in den Klimamodellen auch schon mit eingerechnet. Was dagegen noch nicht mit eingerechnet ist, sind die Emissionen, die auf dem Weg zum Endverbraucher entstehen. Also jene Menge an Treibhausgasen, die sich auf den Bohrfeldern, in den Förderanlagen und Verarbeitungsbetrieben entwickelt. Und diese Menge ist alles andere als klein – und mit Blick auf die Klimamodelle auch nicht zu vernachlässigen.

Laut einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie der im wahrsten Sinne des Wortes an der Quelle sitzenden Universität Austin in Texas werden die aktuellen und kommenden Bohrfelder, Raffinerien und Anlagen der amerikanischen Öl- und Gasindustrie im Jahr 2030 geschätzte 541 Millionen Tonnen CO2 produzieren – und zwar zusätzlich zu den Milliarden Tonnen, die der Endverbraucher der Atmosphäre durch seine fossilen Verfeuerungsaktionen in die verdreckten Lungenflügelchen bläst.

Weil absolute Zahlen aber oft wenig aussagen und der Mensch ein Beziehungstier ist: Die 541 Millionen Tonnen entsprechen rund 8,5 % der aktuellen Treibhausgasemissionen der USA. Oder – auf die langsam erkaltenden Schlote der Kohlekraftwerke bezogen: Anno 2030 werden allein die Förder-, Transport- und Verarbeitungsanlagen der amerikanischen Öl- und Gasindustrie so viel Treibhausgase in die Luft ballern wie heute 131 Kohlekraftwerke zusammen.

Alle Auszüge aus dem „Tagebuch eines Hilflosen“.

Direkt zum „Tagebuch eines Hilflosen“.

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